Stefan Kämpfe

Wenn der Winter zu seiner Zeit nicht will, dann kommt er halt eben im März und April“ – diese alte Bauernregel traf in den vergangen Jahren (leider) allzu oft zu. Schon der März 2022 zeichnete sich durch sehr häufige Frostnächte aus – die tagsüber rekordlang scheinende Sonne kaschierte das aber (EIKE berichtete mehrmals ausführlich darüber). Aber mit dem Monatswechsel war Schluss mit Eitel Sonnenschein – Schneemassen und eisige Temperaturen legten in Mittel- und Süddeutschland den Verkehr lahm. Da kam ein vom Staat abhängiger Klimawissenschaftler des Weges und sagte: „Es wird kälter, weil es wärmer wird“ – oder doch nicht?

Abbildung 1: Mittelwerte der Lufttemperaturen für die erste Aprildekade 2022 an repräsentativen DWD-Stationen mit Temperaturabweichungen zum Langjährigen Mittel. Überall dicke Minuszeichen – merklich zu kalt. Selbst im Flachland wurden in dieser ersten Aprildekade vielerorts 3 bis 6 Frostnächte registriert. Der Februar verlief mit 4,5°C im DWD-Mittel sogar noch etwas milder als diese sehr kalte erste Aprildekade, deren Mittelwert von reichlich 4,3°C dem eines leicht zu kühlen März entspricht. Bildquelle bernd-hussing.de, ergänzt

Ab den späten 1980er Jahren verabschiedete sich der Lenz von langen Kälteperioden mehr und mehr; diese Erwärmung gipfelte im Rekord-Frühling von 2007. Doch seitdem scheint es wieder häufigere Kaltphasen und insgesamt etwas kältere Frühjahre zu geben; auch wenn der Betrachtungszeitraum von nur 16 Jahren für endgültige Aussagen zu kurz ist. Der aktuelle Frühling 2022 wird zwar aller Voraussicht nach nicht ganz so kalt wie der letzte ausfallen; aber wohl die magische Grenze von 10°C im Deutschland-Mittel oder wenigstens auch 9°C bei weitem verfehlen. Wir schauen uns zwei Zeiträume an; den unserer aktuellen „Warmzeit“ seit 1988 und dann einen kürzeren, aber statistisch noch vertretbar langen, ab dem Frühling des Jahres 2000. Die Sonnenscheindauer wird mit gezeigt, da sie die Frühlingstemperaturen, besonders die im April und Mai, wesentlich mit beeinflusst.

Abbildungen 2a und 2b: Entwicklung der deutschen Frühlingstemperaturen (DWD-Flächenmittel) seit 1988 (oben, 2a) und seit 2000 (unten, 2b). Außer den Temperaturen wird das Deutsche Flächenmittel der Besonnung gezeigt; hier in Stunden je Tag, errechnet aus allen 92 Frühlingstagen. Man achte auf die sehr kalten, sonnescheinarmen Frühjahre 2013 und 2021. Die Gesamtvariabilität der Frühlingstemperaturen wurde im Gesamtzeitraum zu knapp 42%, im Zeitraum seit 2000 sogar zu 46%, von der Sonnenscheindauer bestimmt. Aber trotz weiter zunehmender Besonnung sanken die Temperaturen seit 2000 wieder leicht – warum?

Es muss da also noch einen anderen, wesentlichen Einwirkungsfaktor auf die Frühlingstemperaturen geben, welcher die zunehmende Besonnung ab dem Jahre 2000 überkompensierte. Fündig wird man bei den Objektiven Wetterlagen, welche der DWD seit Juli 1979 erfasst; Näheres zu dem Verfahren hier. Alle in der Höhe (500 hPa) zyklonalen Wetterlagen korrelieren hinsichtlich ihrer Häufigkeit signifikant negativ mit den Frühlingstemperaturen (je häufiger sie auftreten, desto kälter verläuft tendenziell der Lenz).

Abbildungen 3a und 3b: Entwicklung der deutschen Frühlingstemperaturen (DWD-Flächenmittel) seit 1988 (oben, 3a) und seit 2000 (unten, 3b). Außer den Temperaturen wird hier nun der Indexwert für die Häufigkeit aller in der Höhe (500-hPa-Niveau) zyklonalen Großwetterlagen gezeigt. Er wurde aus der Division der realen Tagesanzahl dieser Lagen je Frühling durch fünf errechnet, um besser gemeinsam mit den Temperaturen darstellbar zu sein. Man achte auch hier auf die sehr kalten, an AZ- und ZZ-Lagen reichen Frühjahre 2013 und 2021; in Letzterem wurde mit 53 Tagen der Höchstwert des Gesamtzeitraumes erreicht. Die Gesamtvariabilität der Frühlingstemperaturen wurde im Gesamtzeitraum zu 54%, im Zeitraum seit 2000 sogar zu 56% von der Häufigkeit der Höhen-zyklonalen Wetterlagen bestimmt, das ist jeweils mehr, als bei der Sonnenscheindauer.

 

Die Besonnung und die Häufigkeitsverhältnisse der Wetterlagen sind also die wesentlichen Regler unserer Frühlingstemperaturen – aber was treibt nun diese an? Neben der Sonnenaktivität selbst nahm die Besonnung auch wegen der Luftreinhaltemaßnahmen stark zu; dieser Effekt ist aber nun ausgereizt. Die seit den frühen 2000er Jahren abnehmende Sonnenaktivität scheint außerdem eine Häufung von Extremwetterlagen zu begünstigen, welche entweder zu sehr sonnigen, dürren Frühjahren neigen, wie 2020, 2011 und 2007, oder aber zu trüben, kalten (2021, 2013). Da die Sonnenaktivität in den kommenden Jahrzehnten gering bleiben oder gar noch weiter abnehmen soll, steht in dieser Hinsicht nichts Gutes zu erwarten – und dann ist da noch die aktuelle AMO-Warmphase, welche warme Frühjahre zumindest leicht begünstigt hat, die in naher Zukunft aber enden wird.

Abbildung 4: Tendenziell wärmere Frühjahre in Deutschland bei AMO-Warmphasen; der positive Zusammenhang ist aber schwächer, als im Sommer oder Herbst, und nicht signifikant.

Und was ist mit der These „es wird kälter, weil es wärmer wird“? Nun, Kälte und Schnee im Frühling – das gab’s schon immer. Wer’s nicht glaubt und wem der Blick in historische Wetteraufzeichnungen zu mühsam ist, dem sei folgendes Gedicht des Mecklenburger Schriftstellers HEINRICH SEIDEL (1842 bis 1906) empfohlen, welches zeigt, was schon unsere Vorfahren über den April dachten, und wie sehr doch der 2022er April denen von vor etwa 120 Jahren ähnelte. Aus Platzgründen ist hier die dritte Strophe weggelassen:

April! April!

Der weiß nicht, was er will.

Bald lacht der Himmel klar und rein,

Bald schau’n die Wolken düster drein,

Bald Regen und bald Sonnenschein!

Was sind mir das für Sachen,

Mit Weinen und mit Lachen

Ein solch‘ Gesaus‘ zu machen!

April! April!

Der weiß nicht, was er will.

O weh! O weh!

Nun kommt er gar mit Schnee!

Und schneit mir in den Blütenbaum,

In all den Frühlingswiegentraum!

Ganz greulich ist’s, man glaubt es kaum:

Heut‘ Frost und gestern Hitze,

Heut‘ Reif und morgen Blitze;

Das sind so seine Witze.

O weh! O weh!

Nun kommt er gar mit Schnee!

Ähnliches sagt aber auch Goethes „Osterspaziergang“, welcher vor noch längerer Zeit gedichtet wurde. Mehr Hintergrundwissen zur Aprilkälte des vergangenen Jahres und den Ursachen des Aprilwetters allgemein hier. Doch könnte uns das aktuelle, verhaltene Verhalten der Frühlingstemperaturen, das sich so nicht zwangsläufig fortsetzen muss (Trends darf man niemals in die Zukunft extrapolieren!) Hinweise auf das kommende Verhalten der übrigen Jahreszeiten geben? Hierzu schauen wir uns die (freilich nur sehr eingeschränkt vertrauenswürdige) Temperaturreihe des Deutschland-Mittels seit 1761 an; diese Daten sind nicht vom Wärmeinseleffekt bereinigt; andernfalls wären die aktuellen Temperaturen nach den groben Schätzungen des Autors um etwa 0,6 bis 1 Kelvin (=1°C) niedriger. Zunächst die langfristigen Lineartrends aller Jahreszeiten:

Abbildung 5: Temperaturentwicklung der meteorologischen Jahreszeiten in Deutschland seit 1761 mit Lineartrends. Zur besseren Darstellung wurden die Winterwerte angehoben und die Sommerwerte abgesenkt; die Schwankungen und Trends bleiben dabei unbeeinflusst. Man erkennt eine wesentlich stärkere winterliche Erwärmung; bei Frühling und Herbst fiel diese fast gleich und minimal stärker, als beim Sommer, aus. Neben den schon erwähnten WI-Effekten trug eine zunehmende Sonnenaktivität, welche um 1900 die so genannte „Kleine Eiszeit“ endgültig beendete, ganz wesentlich zur Erwärmung bei.

Aber diese Langfristigen Trends sagen uns nichts über das Verhalten in kürzeren Phasen. Weil die Werte der Einzeljahre zu chaotisch wechseln, wurden sie per übergreifender Mittelung („Gleitender Durchschnitt“) etwas geglättet; das Ergebnis sieht so aus:

Abbildung 6: Selbiger Datensatz und selbe Anpassung wie in Abbildung 5, aber hier die 11-jährigen Gleitmittel, so dass die Betrachtung nun erst 1766 beginnt und schon 2016 endet. Markante Maxima und Minima sind gekennzeichnet; betrafen sie nur eine Jahreszeit, in der Farbe der betreffenden. Ein eindeutiges „Vorlaufen“ der Frühlingstemperaturen, welchem die anderen Jahreszeiten folgen, gibt es nicht. Oft wiesen mehrere oder gar alle Jahreszeiten in etwa gemeinsame Maxima/Minima auf; doch nicht immer. Bemerkenswert sind die alleinig kalten Winter um 1892 und um 1940 sowie die kalten Lenze um 1855. Auffallend mild waren Winter und Frühjahre um 1915 bei gleichzeitig eher kühlen Herbsten und Sommern. Sehr kühle Herbste über längere Zeiträume fehlen schon ab etwa 1930, während speziell Frühling und Sommer von etwa 1960 bis in die 1980er nochmals stärker abkühlten; ehe alle Jahreszeiten, der Herbst aber verspätet, ab den späten 1980ern markant wärmer wurden („Modernes Klimaoptimum“).

Um das Ganze noch etwas besser aufzulösen, wird im Folgenden nur die Zeit ab 1900, also dem Ende der „Kleinen Eiszeit“, betrachtet, und zwar mit dem etwas weniger glättenden siebenjährigen Gleitmittel:

Abbildung 7: Selbiger Datensatz und selbe Anpassung wie in Abbildung 6, aber hier die 7-jährigen Gleitmittel, diesmal von 1900 bis 2018. Wieder sind die seit etwa 1930 recht hohen, stabilen, bis zur Mitte der 1990er Jahre nur geringfügig abkühlenden Herbstmittel gut zu erkennen; sie traten am spätesten in das aktuelle Klimaoptimum ein. Um 1947, als es schon einmal recht warm war, verliefen auch die Lenze für kurze Zeit sehr mild – sogar mit geringem „Vorlauf“ zum Sommer und Herbst; aktuell verharren sie, anders als Sommer und Herbst (noch Erwärmung!) auf einem hohen Temperaturniveau.

Ob und wie lange diese Stagnation noch andauert, lässt sich nicht sagen. Aber die bisherige Zunahme der erwärmenden Sonnenscheindauer scheint weitgehend ausgereizt; und Wetterlagen mit nördlichem Strömungsanteil werden wieder häufiger. Damit dürfte das Ende der Erwärmung, und zwar in allen Jahreszeiten, wohl absehbar sein.

Weitere, (unsichere) Aussichten: Zeitweise freundlich, aber nicht immer und überall warm

In dieser Karwoche werden wir mit Wärme verwöhnt, doch an Ostern sickert voraussichtlich trotz eher freundlicher Witterung wieder kältere Luft aus Nordosten ein; die Boden- und Luftfrostgefahr steigt besonders in den nordöstlichen Bundesländern dann wieder deutlich an. Danach scheint sich das für den Lenz so typische Luftdruck-Muster mit hohem Luftdruck über Grönland/Nordmeer und Skandinavien zu festigen; was aber nicht immer eitel Sonnenschein und Wärme bedeutet; außerdem gibt es auch einzelne Modell-Läufe, welche eine Rückkehr des Nordwetters nach Ostern androhen. Fest steht: Die windigen Zeiten sind vorbei, und ganz so unfreundlich und kalt, wie 2021, wird die zweite Aprilhälfte vermutlich nicht verlaufen. Richtung Mai lassen sich noch keine eindeutigen Tendenzen erkennen.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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