EIKE im Landtag: Lüdecke und Lüning als Sachverständige in Düsseldorf

Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – BECV) 19/28163

(Carbon-Leakage = CO2-Emissionen)

Am Montag, 3. Mai 2021, 14 Uhr bis 16 Uhr
Ort: Videokonferenz

Für die geplanten Maßnahmen zu Vermeidung von Carbon Leakage hat es in einer öffentlichen Anhörung im BT-Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 3. Mai 2021, sowohl Lob als auch Kritik gegeben. In der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Anhörung bewerteten einzelne Experten die Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung, 19/28163) als zu industriefreundlich, während andere eine unzureichende Entlastung der energieintensiven Industrie kritisierten.

Carbon-Leakage-Verordnung soll Unternehmen entlasten

Die BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung basiert auf dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, das den rechtlichen Rahmen für die CO2-Bepreisung und ein nationales Emissionshandelssystem in den Sektoren Wärme und Verkehr bildet. Diese CO2-Bepreisung belastet Wirtschaftsbereiche, die in hohem Maß fossile Brennstoffe einsetzen.

Damit diese Branchen nicht wegen CO2-Preis-bedingter Wettbewerbsnachteile ins Ausland abwandern, wo kein solcher Preis erhoben wird, sollen sie durch die Carbon-Leakage-Verordnung entlastet werden. Grundlage für die Beurteilung der Verlagerungsrisiken ist die Sektorenliste des EU-Emissionshandels.

Verordnungsentwurf der Bundesregierung

Die Bundesregierung will vermeiden, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, um der seit Anfang 2021 in Deutschland geltenden CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme zu entgehen. Zu diesem Zweck hat sie dem Bundestag die Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (19/28163) zugeleitet.

Die Verordnung beruht auf der Verordnungsermächtigung nach Paragraf 11 Absatz 3 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Sie setzt ein Eckpunktepapier der Bundesregierung um und berücksichtigt zudem einen Entschließungsantrag, den der Bundestag im Oktober 2020 angenommen hatte. Vorgesehen sind Kompensationsmaßnahmen für Unternehmen, die vom CO2-Preis besonders betroffen sind und bei denen deshalb die Gefahr besteht, dass sie ins Ausland abwandern, wo dieser CO2-Preis nicht erhoben wird.

Grundlage für die Beurteilung der Verlagerungsrisiken ist die Sektorenliste des EU-Emissionshandels. Zudem enthält die Verordnung die Möglichkeit, in einem nachgelagerten Prüfungsverfahren weitere Sektoren zu identifizieren, bei denen ein Carbon-Leakage-Risiko besteht.

STELLUNGNAHMEN

„Entlastungsgedanken wird konterkariert“

Eine erfolgreiche Energiewende könne nur zusammen mit einer wettbewerbsfähigen Industrie erfolgen, betonte Dr.-Ing. Heino Buddenberg von der C.D. Wälzholz GmbH & Co. KG, einem mittelständischen Hersteller von Stahlbändern. Die Carbon-Leakage-Liste des europäischen Emissionshandels sollte um die relevanten Branchen aus den Regelungen der Energiesteuergesetze erweitert werden, sagte Buddenberg.

Zudem konterkariere die in der Verordnung vorgesehene Regelung, wonach die begünstigten Unternehmen verpflichtet sind, ab 2023 50 Prozent und ab 2025 80 Prozent des Beihilfebetrags in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren, den Entlastungsgedanken.

„Für den energieintensiven Mittelstand kaum handhabbar“

Die Verordnung komme sehr spät, gab Jakob Flechtner vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag zu bedenken. Die von der CO2-Bepreisung betroffenen Unternehmen bräuchten dringend Planungssicherheit.

Der Sachverständige forderte unter anderem eine zügige Erweiterung der Carbon-Leakage-Liste und eine Reduzierung der Bürokratiebelastung. Die Entlastungsregelungen seien für den energieintensiven Mittelstand in der vorgesehenen Form kaum handhabbar und nicht geeignet, Nachteile gegenüber Wettbewerbern in der EU zu reduzieren.

„Wettbewerbsnachteile von Gartenbaubetrieben bleiben“

Rund 4.000 Gartenbauunternehmen nutzten fossile Energieträger, sagte Dr. Hans Joachim Brinkjans vom Zentralverband Gartenbau. Betriebe mit Gewächshäusern stünden vor großen Herausforderungen, da sie die höheren Produktionskosten wegen des harten Wettbewerbs nicht auf die Preise aufschlagen könnten.

Brinkjans kritisierte, das Emissionshandelssystem orientiere sich an der Großindustrie und nicht am Mittelstand, und die Entlastungsregeln seien nicht geeignet, die Wettbewerbsnachteile von gärtnerischen Betrieben deutlich zu reduzieren.

„Unternehmen brauchen Klarheit über künftige Kostenbelastung“

Die Wirtschaft stehe vor einer Jahrhunderttransformation, erklärte Prof. Dr. Ines Zenke von der Kanzlei Becker Büttner Held. Es sei richtig und wichtig, dass die Verordnung schnell in Kraft trete, damit die Unternehmen Klarheit über ihre künftige Kostenbelastung erhielten.

Die Entlastung durch die Maßgaben des vorliegenden Verordnungsentwurfs bleibe jedoch erheblich hinter der zurück, die Unternehmen unter dem europäischen Emissionshandelssystem beanspruchen könnten.

„Ausgewogene Ausgestaltung wichtig“

Dr. Ralf Bartels von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie begrüßte die Verordnung. Sie stelle einen wichtigen Pfeiler dar, um die CO2-Bepreisung mit Wettbewerbsfähigkeit zu vereinbaren, und sollte deshalb schnellstmöglich verabschiedet werden.

Wichtig sei jedoch eine ausgewogene Ausgestaltung, wobei die Industrieunternehmen vom nationalen Recht nicht schlechtergestellt werden dürften als vom EU-Recht.

„Extreme Kosten bei völlig unsicherer Wirkung“

Die Notwendigkeit der Verordnung grundsätzlich infrage stellte Dr. Horst-Joachim Lüdecke, emeritierter Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Das Klima lasse sich nicht schützen und habe sich auch ohne Einwirkung des Menschen verändert.

Die Politik ignoriere die Verhältnismäßigkeit ihrer Klimaschutzmaßnahmen, und die CO2-Vermeidung bedeute extreme Kosten bei völlig unsicherer Wirkung.

„Weitere Sektoren in die Carbon-Leakage-Liste aufnehmen“

Als „Stimme des energieintensiven Mittelstandes“ stellte sich Lars Baumgürtel von der Zinq GmbH & Co KG vor, die im Bereich Feuerverzinken von Stahl tätig ist. Die Betriebe setzten Energie nicht konsumptiv ein, sondern stellten damit langlebige Produkte her, betonte er.

Die bei der Herstellung verbrauchte Energie werde durch die lange Lebensdauer der Güter kompensiert, was bedauerlicherweise nicht berücksichtigt werde. Baumgürtel forderte außerdem, weitere Sektoren in die Carbon-Leakage-Liste aufzunehmen.

„Weitere Ausnahmen würden Lenkungswirkung schmälern“

Ulf Sieberg von CO2-Abgabe e.V., einem Zusammenschluss von Unternehmen und Verbänden, kritisierte unter anderem, dass die unternehmensbezogene Prüfung erst ab 2023 eingeführt werde und die nachträgliche Anerkennung von weiteren Sektoren möglich sei. Positiv sei, dass für die Entlastungen Gegenleistungen beim Klimaschutz eingefordert würden.

Sieberg äußerte die Befürchtung, dass es weitere Ausnahmen zum Beispiel für die Güterverkehrsbranche geben werde und damit die Lenkungswirkung für den Klimaschutz weiter geschmälert werde.

„Zu viele Begünstigte, zu hohe Entlastung“

Die geplanten Gegenleistungen hob auch Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft positiv hervor. Gleichzeitig kritisierte sie diverse Punkte der Verordnung. So gebe es zu viele Begünstigte, die Entlastung sei zu hoch und die Stromkostenentlastung werde nicht vom Beihilfebetrag abgezogen.

Sehr viele Sektoren profitierten von pauschalen Entlastungen für alle Unternehmen, was das CO2-Preissignal in der Industrie schwäche, bemängelte die Sachverständige.

Das ganze Video finden Sie auf der Seite des Bundestages (hier) – Horst Lüdecke ab h:min  0:24:00, 0:50:00, 1:19:10, 1:44:55

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