Javier Vinós
Das arktische Meereis ist im September am geringsten, und seine durchschnittliche Ausdehnung in diesem Monat ist ein nützlicher Maßstab für die Messung des Rückgangs des arktischen Meereises in der derzeitigen Periode der globalen Erwärmung. In den 1980er und 1990er Jahren nahm die arktische Meereisausdehnung (SIE) im September moderat ab (Abbildung 1). Nach der Klima-Verschiebung von 1997, die mit einer ziemlich abrupten globalen atmosphärischen Umstrukturierung einherging, trat die Arktis in eine Periode rascher Veränderungen ein, die ich als Arktische Verschiebung bezeichne [1]. Während dieser Periode nahm die arktische SIE schneller ab. Wissenschaftler bemerkten diese Trendwende etwa ein Jahrzehnt später und machten sich zunehmend Sorgen über die Aussicht auf eine eisfreie Arktis [2].
Die Besorgnis über den raschen Rückgang der arktischen Meereisausdehnung in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts war auf die Möglichkeit einer unkontrollierbaren Eis-Albedo-Rückkopplung zurückzuführen. Der Verlust von Meereis würde die Albedo verringern, und zusätzliche Sonnenenergie würde zu weiterem Meereisverlust führen. Modelle, die den raschen Verlust reproduzierten, sagten einen Kipppunkt voraus, der bis 2040 zu einer eisfreien Arktis führen würde, was in der Öffentlichkeit Befürchtungen auslöste. [3] Neuere Arbeiten deuten jedoch darauf hin, dass bis zu 60 % des Rückgangs der SIE im September seit 1979 auf Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation zurückzuführen sein könnten. [4] Darüber hinaus wird die Eis-Albedo-Rückkopplung durch die anhaltende Bewölkung der Arktis im Sommer erheblich verringert. [5] Die Erkenntnis, dass die interne Variabilität ein wichtigerer Faktor ist als erwartet erklärt, warum sich der Rückgang der SIE im arktischen Sommer entgegen allen Erwartungen seit 2007 so stark verlangsamt hat.
Die Arktische Verschiebung, eine Periode der Anpassung der arktischen Klimavariablen an das neue, durch die Klimaverschiebung von 1997 ausgelöste atmosphärische Regime endete für die arktische SIE im Jahr 2007. Seitdem zeigt der September-SIE in der Arktis keinen signifikanten Trend mehr. Die Klimaforscher sind sich jedoch immer noch nicht über die Auswirkungen von Klimaverschiebungen und -regimes auf den Klimawandel im Klaren und waren von der Erholung des Meereises im Jahr 2013 überrascht, als klar wurde, dass es seit 2007 keinen Nettoverlust gegeben hatte. Anhand von Modellen errechneten sie eine 34%ige Wahrscheinlichkeit für eine 7-jährige Pause (Abbildung 2) [6].
Inzwischen hat sich die Pause jedoch auf 17 Jahre ausgedehnt und die Wahrscheinlichkeit ist auf 10 % gesunken. Mit anderen Worten: Es besteht eine 90 %ige Chance, dass die Vorhersagen der Klimawissenschaftler über das arktische Meereis falsch waren. Wenn die Lücke bis 2027 anhält, wird sie statistisch signifikant (p<0,05 oder weniger als 5%) und kann nicht mehr durch Zufall erklärt werden. Eine Erklärung für die beobachteten Veränderungen in der Arktis finden Sie in den Kapiteln 34 und 42 meines demnächst erscheinenden Buches „Solving the Climate Puzzle. The Sun’s Surprising Role“ (Lösung des Klima-Puzzles: Die überraschende Rolle der Sonne).
Der aktuelle Stand der Dinge hat dazu geführt, dass die Gesellschaft durch Modellvorhersagen beunruhigt ist, welche sich zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung als falsch erwiesen haben, was jedoch oft unbemerkt bleibt. Ein aktuelles Beispiel für dieses Phänomen ist in Abbildung 3 dargestellt. Im Juni 2023 machte eine wissenschaftliche Studie weltweit Schlagzeilen, in der vor der Möglichkeit eisfreier Sommer in der Arktis in den 2030er Jahren gewarnt wurde, unabhängig von unseren Bemühungen zur Emissionsreduzierung.
In dem Artikel werden Projektionen vorgestellt, die auf Beobachtungen einer eisfreien Arktis selbst unter einem Szenario mit geringen Emissionen beruhen [7]. Es ist jedoch zu beachten, dass die Daten in dem Artikel nur Beobachtungen bis 2019 abdecken, obwohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Daten für 2020-22 verfügbar waren. Darüber hinaus beginnen die Modellprojektionen in der Studie im Jahr 2021. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Studie für ein mittleres Emissionsszenario, das der derzeitigen Situation ähnelt. Bei der Annahme und Veröffentlichung der Studie ergibt sich jedoch ein erhebliches Problem, da die Modellprojektionen für 2021 und 2022 stark von den beobachteten Daten abweichen, und zwar um 1,3 Millionen km² oder 33 %. Dieses offensichtliche Problem, das die gesamte Studie untergräbt, wirft Fragen darüber auf, wie die Studie zur Veröffentlichung angenommen wurde.
Wie konnte ein so eklatant fehlerhafter und nachweislich falscher Artikel den Peer-Review-Prozess erfolgreich bestehen? Und wer bestimmt, ob er für eine weite Verbreitung in einer globalen Medienlandschaft geeignet ist, die offenbar nicht in der Lage ist, diese Vorhersagen zu hinterfragen oder zu überprüfen? Die Daten, die den Artikel widerlegen, sind für jeden, der über einen Internetanschluss verfügt, leicht zugänglich und können mit einer einfachen Suchmaschinenabfrage gefunden werden. Die derzeitige Methode, der Öffentlichkeit Vorhersagen aus hochgradig unsicheren Klimamodellen mitzuteilen, ist unbestreitbar unzureichend, und es ist wirklich überraschend, dass sich keine maßgebliche wissenschaftliche Stimme zu diesem Thema geäußert und Missbilligung zum Ausdruck gebracht hat.
Hinweis: Ein Teil des Textes und einige der Abbildungen in diesem Artikel stammen aus mehreren Kapiteln meines demnächst erscheinenden Buches „Solving the Climate Puzzle. The Sun’s Surprising Role“, welches im November 2023 erscheinen soll.
- Vinós, J., 2022. Climate of the Past, Present and Future: A scientific debate. 2nd ed. Critical Science Press. ↑
- Stroeve, J.C., et al., 2005. Geophys. Res. Lett. 32 (4). doi.org/10.1029/2004GL021810 ↑
- Holland, M.M., et al., 2006. Geophys. Res. Lett. 33 (23). doi.org/10.1029/2006GL028024 ↑
- Ding, Q., et al., 2017. Nat. Clim. Chang. 7 (4), pp.289–295. doi.org/10.1038/nclimate3241 ↑
- Sledd, A. & L’Ecuyer, T.S., 2021. Front. Earth Sci. p.1067. doi.org/10.3389/feart.2021.769844 ↑
- Swart, N.C., et al., 2015. Nat. Clim. Change, 5 (2), pp.86–89. doi.org/10.1038/nclimate2483 ↑
- Kim, Y.H., et al., 2023. Nat. Commun. 14 (1), p.3139. doi.org/10.1038/s41467-023-38511-8 ↑
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE
Dass das referenzierte Paper die Benennung und Einordnung der Unsicherheiten (soweit die bei der Simulation bestimmbar sind) verschweigen würde, ist nicht der Fall. Sieht man sich das von Herrn Vinós aus dem Paper zitierte Bild 4 im Original an, bemerkt man schnell, dass dort schön eine Toleranzbreite eingefügt wurde. Es ist auch eine Unsicherheit (Bereich 5%..95%) für den erste „eisfreien“ September angegeben: frühestens 2030 bis spätestens nach Ende der Simulation (>2100), am wahrscheinlichsten nach 2040.
Das ist recht vage, aber auch nicht „das Ergebnis“ des Papers; die eisfreie Arktis war ja schon vorher in Simulationen aufgetaucht. Welche wissenschaftliche Qualität die restlichen Ergebnisse in dem Paper haben, kann ich nicht beantworten – dazu müsste man tatsächlich mehr auch die referenzierten Papers lesen, insbesondere zur gewählten Fingerprint Analyse und der Projektionen.
Gott bewahre, den Alarmisten wird doch nicht das „dramatisch“ schmelzende arktische Meereis abhanden kommen? Stattdessen noch stärkere Reiseaktivität unserer Politiker zu den (nicht untergehenden) Pazifik-Inseln? Wo es doch trotz panisch geschürter Angst vor der Klimaerwärmung, siehe Lauterbach, in der Südsee so wunderschön warm ist – eine echtes Politiker-Traumreiseziel? Deshalb pfeifen unsere Klima- und Energiewende-Politiker auf die Arktis! Klima-Daueralarm und Ruin des Landes schaffen sie auch so.
Die Ausführungen von Javier Vinós machen einmal mehr deutlich wie wichtig ein ehrliches peer review-„Geschäft“ ist, damit Wissenschaft als Grundlage menschlichen Handelns dienen kann. Nicht nur Transparenz ist dort fundamental wichtig, sondern auch die Benennung und Einordnung von Unsicherheiten. Gerade der letztgenannte Aspekt macht es auch aus, ob überhaupt ein Narrativ entstehen kann oder entstehen darf – zumal in höchst komplexen Themen. Der Bogen wurde beim Klima gnadenlos überspannt, führt sogar zum schicksalhaften Versagen von Wissenschaft. Beispielsweise wird die Öffentlichkeit in der Wahrhaftigkeit bis heute von einem jämmerlichen Mann’schen Hockeystick geprügelt oder bei trivialen wissenschaftlichen Wahrheiten, wie kürzlich von G. Alimonti et al. peer reviewed publiziert, greifen denunzierende wissenschaftliche Kräfte quasi mit „Bücherverbrennungen“ ein. Wenn man die Wissenschaft beschädigt, beschädigt man auch die Akzeptanz der Politik, weil in den demokratischen Systemen die Fehlleistungen nicht verborgen bleiben. Und dann entstehen die korrigierenden Kräfte, die von den versagenden Kräften als Extremismus (mit dem ganzen bekannten Vokabular der Diskreditierungen) abgetan werden. Mein Trost: am Ende gewinnt sowieso die Vernunft! Meine Empfehlungen an die MSM: Ihr kommt an Pro & Contra Formaten auf Dauer nicht drum herum.