Ein echter Spielverderber für Badeurlauber

Stefan Kämpfe

Heute ist das Wasser warm, Heute kann’s nicht schaden. Schnell hinunter an den See! Heute geh’n wir baden.“ Dieses alte Gedicht von Adolf Holst beschreibt, was dem Juli 2023 oft fehlte – besonders in den Urlaubsregionen Norddeutschlands. Während die Juli-Hitze in den „Qualitätsmedien“ mal wieder überstrapaziert wurde, wird der Juli im Deutschland-Mittel mit 18,7 bis höchstens 19°C enden. Immerhin verlief dieser Juli in der Südosthälfte Deutschlands lange ganz passabel; näheres hier. Aber in der letzten Dekade kühlte es auch dort ab. Dieser Juli schaffte es damit wahrscheinlich nicht einmal unter die fünfzehn wärmsten Juli-Monate seit 1881 – die sommerliche Klimaerwärmung stößt an ihre Grenzen; und auch der August startet eher frühherbstlich.

Falsche Prognosen: Die sommerliche Klima-Katastrophe blieb mal wieder aus

Schon im Frühjahr hatten sich unsere „Qualitätsmedienauf die hohen Wassertemperaturen im Nordatlantik und den beginnenden El Nino im tropischen Ostpazifik eingeschossen. Aber spätestens im „Siebenschläfer-Zeitraum“ wurde klar: Dieser Juli würde zwar eher etwas zu warm, aber sehr wechselhaft ausfallen; näheres hier. Gerade die Urlaubsparadiese an Nord- und Ostsee konnten sich über den ersten Sommer ganz ohne Corona-Beschränkungen bislang nicht so recht freuen, denn Badewetter herrschte nur selten. Was Urlauber nervte, freute Landwirte und Gärtner. Für das Getreide kam zwar der meiste Regen zu spät, aber Hackfrüchte, Gemüse und Obst profitierten davon.

Abbildung 1: „Ungerechte“ Temperaturverteilung über Deutschland. Einem verhalten temperierten Nordwesten stand ein merklich zu warmer Südosten gegenüber. Daten bis 28. Juli vorliegend; farbig hinterlegt die Temperaturabweichungen in K (°C) vom Mittelwert 1991 bis 2020. Bildquelle: bernd-hussing.de

Langfristig: Kräftige Juli-Erwärmung, aber erst seit 1982

Heuer sind unsere Sommer, speziell der Juli, deutlich wärmer, als noch vor 40 bis 50 Jahren. Doch schaut man sich die bis 1881 zurückreichende Reihe genauer an, so stellt man fest, dass alle Erwärmung erst in den 1980er Jahren einsetzte; im Juli begann sie mit den warmen Monaten 1982 und 1983 eher, als bei vielen anderen Monaten.

Abbildung 2: Entwicklung der deutschen Juli-Temperaturen 1881 bis 2023. Bis 1981 gab es, trotz damals schon deutlich steigender CO₂-Konzentrationen, keine Juli-Erwärmung. Hinweis: Diese Grafik zeigt keine Klimasensitivität des CO₂, sie verdeutlicht jedoch, dass die Temperaturentwicklung über volle 100 Jahre nicht zur steigenden CO₂-Konzentration passte.

In Zentralengland (Midlands) fiel dieser Juli 2023 mit um 16,1°C langfristig (1659 bis 2022) fast normal aus, nach der aktuellen Vergleichsperiode (1991 bis 2020) sogar um knapp 0,7K zu kühl. Dort hat sich das Juli-Mittel seit dem Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ im späten 17. Jahrhundert ohnehin nur um knappe 0,7 Kelvin (°C) erhöht.

Abbildung 3: Nur unwesentliche Juli-Erwärmung in Zentralengland seit über 360 Jahren.

Juli-Erwärmung am Limit?

Schauen wir uns die Entwicklung der Juli-Temperaturen seit 1982 einmal genauer an. Der rekordwarme Juli 2006 liegt nun schon reichliche anderthalb Jahrzehnte zurück – ein Großteil der aktuellen Juli-Erwärmung fand also zwischen 1982 und 2006 statt.

Abbildung 4: Auf den ersten Blick ist die Juli-Erwärmung noch ungebrochen; doch sie fand bis zum Jahre 2006 statt; danach verharrten die Juli-Temperaturen auf einem sehr hohen Niveau. 2023 ist nur besseres Mittelmaß. Die allerwärmsten Monate, 2006, 1994 und 1983, liegen schon relativ weit zurück.

Anhand der Tagesmaxima und Tagesminima der Station Dachwig nordwestlich von Erfurt wird deutlich, warum dieser Juli nicht zu den wärmsten gehörte – neben Hitzewellen gab es auch tagsüber immer wieder kühlere Perioden.

Abbildung 5: Tägliche Temperaturmaxima und –Minima in 2 Metern Messhöhe an der WI-armen Station Dachwig in der Steppe nordwestlich von Erfurt. Viele Wolken bedingten selten sehr kühle Nächte unter 10°C (blaue Linie), aber tagsüber wurde erstmals seit vielen Sommerwochen am 25. Juli die Zwanzig-Grad-Marke verfehlt. Nur im Osten Deutschlands erholten sich zwar die Maxima zu Monatsende wieder, aber die feuchte Wärme war unangenehm.

Wenn man die wesentlichen Ursachen der Erwärmung der Juli-Temperaturen kennt, wird klar, warum es nun nicht mehr wesentlich wärmer werden kann. Die aktuelle AMO-Warmphase hat ihren Höhepunkt vermutlich schon überschritten und wird bald in eine Kaltphase wechseln. Ein Juli hat auch nur 31 Tage, an denen im Bestfall stets erwärmende Großwetterlagen auftreten können, und die astronomisch mögliche Sonnenscheindauer beträgt maximal so zwischen 450 und 490 Stunden – aber da dürfte es keine einzige Wolke und niemals Frühdunst geben. Blieben die weiter wachsenden WI-Effekte, welche sicherlich noch etwas zur Juli-Erwärmung beitragen können – insgesamt scheint die Juli-Erwärmung aber nun ausgereizt zu sein.

Abbildung 6: Enge Verzahnung von Sonnenscheindauer und Juli-Temperaturen im DWD-Flächenmittel; über 70% der Temperaturvariabilität werden von der Sonnenscheindauer bestimmt. Der 2023er Juli erreichte bei geschätzten gut 220 Sonnenstunden (knapp unter Durchschnitt) etwa 18,9°C. Besonnungs- und Temperaturzunahme erscheinen ausgereizt. Umrechnung in Indexwerte, um beide Größen anschaulicher in einer Grafik zu zeigen.

Ein Abstecher nach Mittelschweden: Kühler Juli

Im gesamten Nord-, Ostseeraum und den Britischen Inseln blieb der Juli 2023 schlechtes Mittelmaß. Aber auch in Mittelschweden benötigte man oft einen Pullover.

Abbildung 7: Leicht unterdurchschnittliche Juli-Temperaturen in Östersund; kühlere und wärmere Phasen wechselten sich ab. Das Juli- Mittel beträgt dort laut der aktuellen CLINO-Periode von 1991 bis 2020 kühle 14,5°C und wird aller Voraussicht nach nicht ganz erreicht.

Durchwachsene August-Aussichten?

Die Siebenschläfer-Regel stellt nur symbolisch auf sieben Wochen ab; vorrangig gilt sie für den Juli. Wegen der Erhaltungsneigung der Witterung hat auch die Witterungstendenz zum Monatswechsel Juli/August eine nicht unwesentliche Bedeutung für die kommenden zwei bis vier Wochen. Nicht selten folgte einem kühlen Juli noch ein angenehm warmer, teils freundlicher August (1997, 2000, 2004) oder einem warmen Juli ein kühler, wechselhafter August (1990, 1999, 2006, 2010, 2014). Ein Blick auf die Ensemble-Prognosen verrät (leider): Der Witterungscharakter der letzten Juli-Dekade setzt sich auch diesmal im ersten August-Drittel fort; der tiefe Luftdruck über der Nordsee und Skandinavien intensiviert sich sogar noch. Bis mindestens etwa Mitte August werden damit längere, warme Schönwetterphasen sehr unwahrscheinlich, vor allem in Norddeutschland.

Abbildung 8: Ensemble-Prognose für den 5. August 2023. Man erkennt das kräftige Skandinavien-Tief und eine lebhafte, kühle NW-Strömung über Deutschland – die Badehose muss im Schrank bleiben, aber Pilzfreunde können auf den Saisonbeginn hoffen. Bildquelle: NOAA

Noch kann man eine Rückkehr des Sommers in der zweiten und dritten Augustdekade nicht gänzlich ausschließen; sicher vorhersehbar ist sie nicht.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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