Stefan Kämpfe

Nach einem sehr heißen und dürren Sommer 2022 steht in diesem Jahr eine eher durchwachsene Variante bevor. Sicher wird es auch weitere Hitzewellen geben, aber eben auch kühlere Phasen mit Niederschlägen. Diese für Landwirte und Gärtner erfreuliche Nachricht deutete sich schon wegen der Siebenschläfer-Regel an, und der Juni verlief nur bis zur Monatsmitte sehr trocken; dann setzte der Sommermonsun ein. Die folgende Zusammenstellung ist keinesfalls als Prognose zu verstehen – alles, was über etwa eine Woche hinausgeht, hat der bei der Wechselhaftigkeit unserer Witterung einen nur sehr bedingten Vorhersage-Wert.

Was Bauern- und Wetterregeln vorhersehen

Die Regel „Im Juni viel Donner, verkündet trüben Sommer“ kommt für den Hochsommer 2023 nur bedingt in Betracht, denn erst ab der Monatsmitte häuften sich teils schwere Gewitter. „Wenn schon im Winter wächst das Gras, wird der Sommer kühl und nass“ – das setzt voraus, dass die in extremen Mildwintern dominierenden Westlagen auch im Sommer vorherrschen; ansatzweise konnte man das in den Sommern 1989, 90, 98, 2000, 2007, 2008, 2014 und 2016 beobachten, die zwar insgesamt eher etwas zu warm, aber sehr durchwachsen verliefen. Auf die schon oft erwähnte „Siebenschläferregel“ soll noch kurz verwiesen werden. Grundsätzlich lässt sich aus dem Wetter eines einzelnen Tages niemals eine Prognose für längere Zeiträume treffen; und wegen einer Kalenderreform im 16. Jahrhundert fällt der „Siebenschläfertag“ auch nicht auf den 27. Juni, sondern erst auf den 7. Juli. Besser zutreffend ist folgende Regel: „Charakter und Tendenz der Witterung zwischen dem 20. Juni und dem 10. Juli lassen grobe Rückschlüsse auf die Hochsommerwitterung der folgenden, keinesfalls genau sieben Wochen, zu. Bleibt oder wird es in diesem Zeitraum überwiegend trocken-warm, so dauert diese Witterung noch einige Wochen an, besonders im Juli. Selbiges gilt für feucht-kühle Witterung. Ein guter Hinweis für einen nass-kalten Juli ist ein deutlich zu tiefer Luftdruck im letzten Junidrittel über Skandinavien; besonders markant war das vor dem Kälte-Juli 2000 zu beobachten:

Abbildung 1: Wetterkarte vom 27. Juni 2000, 1 Uhr MEZ. Ein Tief über der Ostsee und Skandinavien lenkte für mehrere Tage sehr kühle Polarluft nach Deutschland; in den Nächten sanken die Temperaturen teils deutlich unter 5°C. Im folgenden, empfindlich kühlen Juli schlossen die Freibäder teilweise wochenlang. Bildquelle: wetterzentrale.de

Auch, wenn dieser tiefe Druck über Nordeuropa erst zum Monatswechsel oder in den ersten Julitagen auftritt, kann er sich mitunter über längere Zeiträume halten. Im „Siebenschläfer-Zeitraum“ 2023 überwog bislang überwiegend warmes, aber sehr wechselhaftes Wetter, und das dürfte sich auch in der ersten Juli-Dekade so fortsetzen. Dabei ist tiefer Luftdruck über den Britischen Inseln, dem Nordmeer und Skandinavien, wie er sich auch diesmal im „Siebenschläferzeitraum“ zu etablieren scheint, ein recht guter Hinweis auf einen eher warmen, aber wechselhaften Juli (grobe Vergleichsfälle 1988, 89, 92, 2001, 02, 05, 08, 09, 12, 14, 16, 17 und 21).

Abbildung 2: Vorhersage für den 8. Juli 2023. Man erkennt tiefen Luftdruck nördlich der Britischen Inseln und ein Azorenhoch in Normallage. Für Mitteleuropa bedeutet das wechselhaftes, mäßig warmes und höchstens kurzzeitig sehr warmes Wetter mit gebietsweisen Niederschlägen. Die Unsicherheit dieser „Prognose“ ist aber noch sehr groß. Bildquelle: wetterzentrale.de

Was die Modelle prophezeien

Das CFSv2 des NOAA (USA-Wetterdienst) deutet auf jeweils zu warme Hochsommermonate hin; besonders im Juli (Bezugswert ist meist die CLINO-Periode 1981 bis 2010):

Abbildung 3: Juli-Wärme, aber mit großen Unsicherheiten.

Abbildung 4: Auch im August übernormale Temperaturen mit großen Fragezeichen.

Die meisten Ensemble-Modelle, welche ganz grobe Abschätzungen der Witterung für bis zu 15 Tage im Voraus erlauben, sehen einen Fortbestand der unbeständigen, mäßig-feucht-warmen Witterung im ersten Juli-Drittel.

Abbildung 5: Am Ende des „Siebenschläfer-Zeitraumes“ soll ein Azorenhochkeil bis ins westliche und südliche Mitteleuropa reichen, und tiefer Luftdruck beherrscht das Nordmeer – mäßig warmes bis warmes, wechselhaftes Sommerwetter, am kühlsten an den Küsten, wäre die Folge. Andere Ensemble-Modelle, etwa das des GFS, sehen das per Stand vom 26. Juni ähnlich; doch ist das noch sehr unsicher.

Sonnenaktivität und Sommertemperaturen

Dieser Sommer 2023 ist der zehnte nach dem Maximum des SCHWABE-Zyklus der Sonnenaktivität. Bildet man die Temperaturmittel für Deutschland aller jeweils gleichrangigen Sommer ab dem Maximum dieses Sonnenflecken-Zyklus, so zeigen sich die zehnten Sommer, welche wegen manchmal kürzerer SCHWABE-Zyklen etwas seltener sind, sehr kühl:

Abbildung 6: Die jeweils zehnten Sommer nach dem Maximum des SCHWABE-Zyklus verliefen meist kühl. Man beachte, dass hier auch schon der Juni enthalten ist (meteorolog. Sommer Juni bis Aug.), welcher aber 2023 recht warm verlief. Wegen der geringen Zahl der Vergleichsfälle (nur 11 für das zehnte Jahr nach dem SCHWABE-Maximum) ist der Vorhersagewert ohnehin gering.

AMO und Sommertemperaturen

Die AMO (Atlantische Multidekadische Oszillation) beeinflusst im April und dann von Juni bis November die Variabilität der Lufttemperaturen in Deutschland positiv. Die Zusammenhänge sind freilich nur mäßig, erreichen aber meist das Signifikanzniveau. Für den Sommer sehen sie so aus:

Abbildung 7: Tendenziell wärmere Sommer in AMO-Warmphasen (Mitte des 20. Jahrhunderts und momentan). Der positive Zusammenhang zeigt sich auch, wenn man die AMO-Mittelwerte des Frühlings mit den Temperaturen des Sommers korreliert

Die AMO deutet also auf einen eher warmen Hochsommer hin; allerdings ist auch ihr Vorhersagewert nur mäßig.

Fazit: Der Sommer 2023 erreicht nicht die Qualität seines Vorgängers, wird aber – gemessen am Mittelwert der Klimaperiode 1981 bis 2010, noch etwas zu warm und trotz gelegentlicher Schauer oder Gewitter keinesfalls unfreundlich ausfallen. Das enorme Regendefizit des Frühsommers wird (leider) nicht überall ausgeglichen, doch sollten die Mengen für wenigstens befriedigende Getreideerträge reichen; bei den Spätkulturen (Hackfrüchte, Obst) sind regional sogar gute Erträge möglich. Spannend ist die Frage, ob dieser verhaltene Sommer eine Stagnation oder gar eine Trendwende hin zu kühleren Sommern ankündigt, denn im etwa auf 50 Grad nördlicher Breite gelegenen Deutschland sind Sommertemperaturen von mehr als 21 bis 22°C im Flächenmittel wohl unrealistisch (der Rekord-Sommer 2003 erreichte knapp 19,7°C). Die Zunahme der stark erwärmenden Sonnenscheindauer ist fast schon ausgereizt; und eine weitere, deutliche Erwärmung der kühlen Randmeere Nord- und Ostsee erscheint unwahrscheinlich, ebenso werden wohl nie an allen 92 Sommertagen die stark erwärmenden Süd- oder Zentralhochlagen herrschen können. Und sollte die AMO ihre Warmphase demnächst beenden, was vermutet, aber nicht sicher vorhergesagt werden kann, ist eine sommerliche Abkühlung sehr wahrscheinlich, doch bleibt diese spannende Thematik künftigen Beiträgen vorbehalten.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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