Die EU hat den heutigen 15. Juli zum Gedenktag für Opfer des Klimawandels erklärt. Auch etliche Mediziner sind derweil dabei, vor den Gesundheitsrisiken der Klimaerwärmung zu warnen, was natürlich die deutsche Klimapolitik unterstützt. Doch oft fehlen die wissenschaftlichen Grundtugenden bei den an der medizinischen Klimafront dienenden Wissenschaftsbrigaden. 

von Wolfgang Meins

Eigentlich kaum zu glauben, dass ich die letzten Jahre in gesundheitlicher Hinsicht recht unbeschadet überstanden habe – trotz der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise und meines fortgeschrittenen Alters. Angesichts solcher Aussagen wie der folgenden erscheint das keinesfalls selbstverständlich: „Ja, tatsächlich macht der Klimawandel wirklich krank von Kopf bis Fuß.“ So die Dermatologin und stellvertretende Direktorin des Zentrums für Klimaresilienz der Universität Augsburg, Traidl-Hoffmann, in der Tagesschau.

Bei meinem persönlichen Klima-Gesundheitsrisiko kommt erschwerend hinzu, dass ich immer wieder Regionen bereiste, in denen es so warm ist, wie es hierzulande aller Voraussicht nach nie werden wird. Aber, wie kann es sein, dass gerade in Ländern wie z.B. Australien, Singapur, Italien oder Spanien die Lebenserwartung, teils deutlich, höher ist als im vergleichsweise kühlen Deutschland? Ein Faktum, das die Behauptung einer ernsten Bedrohung der Volksgesundheit durch einen moderaten Temperaturanstieg zweifellos nicht stützt.

Es geht um den gesunden medizinischen Menschenverstand und dessen kritischen Beitrag zu den möglichen oder auch bloß phantasierten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels. Ich will nicht bezweifeln und schon gar nicht leugnen, dass eine Erwärmung des Globus und damit auch Deutschlands medizinische Auswirkungen haben kann. Die Frage ist allerdings, wie gesichert oder auch bloß plausibel die durchgängig düsteren klimamedizinischen Prognosen sind.

Schließlich haben wir es mit einem nur sehr langsamen und verhaltenen globalen Temperaturanstieg zu tun, z.B. seit 1979 von etwa 0,13 Grad Celsius pro Dekade. In Deutschland wurde es von 1881 bis 2019 jedes Jahrzehnt im Mittel um 0,11 Grad wärmer, wobei die Problematik meteorologischer Temperaturmessungen hier nicht erörtert werden kann. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass diese langsame Erwärmung sich aus der nicht besonders lebensfreundlichen Kühle der Kleinen Eiszeit entwickelt und aktuell in Deutschland in etwa zu einer Temperatur geführt hat, wie sie hier während der mittelalterlichen Warmzeit herrschte.

Die Lebenserwartung steigt auch in Deutschland

Es gibt in der Wissenschaft eine Klasse von Argumenten, die zwar nicht geeignet ist, eine Hypothese oder Prognose im strengen Sinne zu widerlegen, die aber doch in der Lage ist, deren Plausibilität begründet in Zweifel zu ziehen. Ein solches Argument ist die oben bereits erwähnte Lebenserwartung. Schließlich sollte man bei einer nun schon vor mehr als 150 Jahren begonnenen und vermeintlich bedrohlichen globalen Erwärmung mittlerweile doch ungünstige Auswirkungen sowohl auf die Lebenserwartung als auch auf die weltweite Bevölkerungsentwicklung erwarten.

Das ist aber mitnichten der Fall. Vielmehr ist die Lebenserwartung in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen und wird laut aktueller Prognose auch in den nächsten 40 Jahren weiter steigen. Ähnliches gilt bekanntlich auch für das weltweite Bevölkerungswachstum, das wiederum nicht denkbar wäre ohne Zunahme der Nahrungsmittelproduktion durch Produktivitätssteigerung und Ausweitung der Anbauflächen, ermöglicht nicht zuletzt durch die segensreiche Wirkung der angestiegenen atmosphärischen CO2-Konzentration auf die pflanzliche Photosynthese.

Selbst in Ländern mit einer im Vergleich zu Deutschland deutlich mehr als doppelt so hohen durchschnittlichen Jahrestemperatur, wie etwa Singapur – 10,5 vs. 26,7 Grad! –, ist die Lebenserwartung höher als in Deutschland und steigt weiter. Wäre der Klimawandel in gesundheitlicher Hinsicht tatsächlich so desaströs wie vielfach postuliert, wäre der erwähnte Anstieg der Lebenserwartung kaum vorstellbar. Allein dieses Beispiel sollte Forscher doch eigentlich zum Nachdenken anregen und auch daran gemahnen, dass der Homo sapiens seine Wurzeln im auch damals warmen Afrika hat und deshalb physiologisch wesentlich besser an Wärme oder auch Hitze als an Kälte angepasst ist, wenngleich nicht unbegrenzt, wie allgemein bekannt.

Oft fehlen die beiden wissenschaftlichen Grundtugenden bei den an der medizinischen Klimafront dienenden Wissenschaftsbrigaden. Es mangelt ihnen erkennbar an Zweifel und Ehrlichkeit oder, etwas altmodisch, an Wahrheitsliebe. Nahezu zwangsläufig erodieren unter solchen Bedingungen auch gängige wissenschaftliche Standards. So wurde bei einer im Deutschen Ärzteblatt publizierten deutschen Studie zur Häufigkeit von Herzinfarkten in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur die Ergebnisdarstellung mal eben in die erwünschte Richtung gedreht, was etwa der WELT-Wissenschaftsredaktion überhaupt nicht auffiel. Selbst eine (ehemalige) Ikone der medizinischen Wissenschaft, die Fachzeitschrift Lancet, bewegt sich beim Thema Klimawandel mittlerweile nicht selten auf geschöntem Terrain.

Frühgeburten bei Hitze?

Beim nächsten Beispiel – eine aktuelle Studie zum Zusammenhang von Frühgeburt und Umgebungstemperatur in Hamburg – geht es nicht um tendenziöse Schummeleien durch die beteiligten Wissenschaftler, sondern um eine tendenziöse oder auch schlicht falsche mediale Aufbereitung der Ergebnisse, beginnend bereits bei der Pressestelle der Universitätsklinik, fortgeführt von ZDF und FAZ. Deren Darstellung hat es dann immerhin zur Unstatistik des Monats gebracht, weil absolutes und relatives Risiko „verwechselt“ wurde. Die Botschaft war wohl einfach zu verlockend, dass nämlich bei länger andauernden Temperaturen von über 35 Grad das Risiko für Frühgeburten vermeintlich auf 45 Prozent steige, also fast jede zweite Geburt dann zu einer Frühgeburt wird. Tatsächlich wären es bloß 3 bis 4 mehr Schwangere von je 100, die eine Frühgeburt erleiden – nach extremen, seltenen Hitzeereignissen und auch nur unter der Bedingung, dass keinerlei Anpassung an solche Ereignisse erfolgt.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat keine Hemmungen, im Rahmen ihres kürzlich veröffentlichten Musterhitzeschutzplans für ambulante psychotherapeutische Praxen markige Behauptungen aufzustellen: „… Studien zeigen, dass während Hitzeperioden die Inanspruchnahme psychiatrischer Notdienste, die Häufigkeit von Suiziden sowie die Risiken für das Neuauftreten oder die Symptomverschlechterung von Stimmung und Angststörungen sowie psychotischen und demenziellen Erkrankungen in der Bevölkerung steige.“ Zum einen ist die internationale Forschungslage nicht ganz so eindeutig, wie hier suggeriert wird, zum anderen liegen für Deutschland solche Studien nicht vor, außer vielleicht zum Thema Suizid, wo die einschlägige Statistik für die Jahre 2011–2021 allerdings keine Häufung von Selbstmorden in den Sommermonaten erkennen lässt.

Alljährlich grüßt das Murmeltier, und zwar vorzugsweise im Sommer und in Gestalt von drohenden oder auch tatsächlichen „Hitzetoten“, bei uns oder anderswo. Dagegen ist ganz grundsätzlich auch nichts einzuwenden, denn natürlich gibt es Menschen, bei denen „Hitze“ oder eine „Hitzewelle“ die wesentliche Todesursache darstellt. Abgesehen von den notwendigerweise methodisch auf schwachen Füßen stehenden prognostischen Studien zu dieser Thematik liegt das Problem bei den meisten Studien zu aktuellen oder vergangenen Hitzetoten eher bei fehlender Wahrheitsliebe, genauer: den sog. weißen Lügen, also dem schlichten Weglassen relevanter Informationen.

0,14 Prozent aller Todesfälle wärmeassoziiert

So gut wie immer wird nämlich unterschlagen, dass ein „Hitzetod“ in unseren Breiten meistens bereits todgeweihte, im Medizinerjargon moribunde Personen trifft, die ohnehin etwa im Verlaufe des folgenden Monats verstorben wären. Der Fachterminus dafür lautet, etwas martialisch, Harvesting Effect. In den Sterbekurven zeigt sich das dann typischerweise in Form einer bald nach der Hitzewelle einsetzenden kompensatorischen Untersterblichkeit. Ebenfalls so gut wie regelhaft unterschlagen wird auch der gut belegte Trend eines – trotz zwischenzeitlich weiter (leicht) angestiegenen – Temperaturen-Rückgangs der Hitzetoten, z.B. in den USA. Als Ursachen werden der häufigere Einsatz von Klimaanlagen diskutiert, aber auch eine verbesserte physiologische und/oder psychologische Anpassung der betroffenen Menschen.

Jüngst erschreckte die WELT ihre Leser mit einer für das Genre typischen Überschrift: „Mehr als 120.000 Hitzetote im Jahr 2050 zu erwarten“ – eine markige Prognose, aber nicht das wesentliche Ergebnis der dort vorgestellten spanischen Studie. Deren Hauptergebnisse sind nämlich nicht prognostischer Art, sondern beziehen sich auf die wärmeassoziierten Todesfälle in den 14 Sommerwochen des letzten Jahres: Demnach verstarben 61.672 Europäer im Sommer 2022 infolge von „Hitze“. Bei insgesamt knapp 45,2 Millionen Todesfällen während des interessierenden Zeitraums hätte die Ergebnismitteilung also durchaus auch so lauten können: Trotz Rekordsommer waren in Europa nur jeder 735. bzw. 0,14 Prozent aller Todesfälle wärmeassoziiert. In Deutschland verstarben im Sommer 2022 temperaturbedingt 8.173 Personen, was – in Bezug auf die Bevölkerungsanzahl – einer Position im europäischen Mittelfeld entspricht. Werden die vom RKI mit leicht abweichender Methode geschätzten „Hitzetoten“ zugrunde gelegt, lediglich 4.500, wäre die deutsche Bevölkerung im europaweiten Vergleich nur unterdurchschnittlich vom Hitzetod betroffen gewesen.

Betrachtet der Leser darüber hinaus Abbildung 1a, b der spanischen Studie, drängt sich doch förmlich auf, auch die Frage zu bearbeiten, wie häufig die hier gut erkennbaren kälteassoziierten Todesfälle 2022 waren – und ob sich ein Trend dahingehend abzeichnet, dass in Folge der Erwärmung diese Todesfälle rückläufig sind. Bekanntlich gibt es bereits etliche Studien, die sich nicht nur mit den hitzebedingten Todesfällen beschäftigen, sondern übergreifend mit den temperaturabhängigen, also auch den kältebedingten. Ihr leider zu selten zur Kenntnis genommenes zentrales Ergebnis: Es gibt, je nach Studie, weltweit 9- bis 18-mal mehr kältebedingte Todesopfer als hitzebedingte, mit starken regionalen Unterschieden, wobei der Todeskuss kalter Temperaturen teils massiv durch Energiemangel und dadurch bedingte kühlere Wohnungen verstärkt wird.

Dauerbrenner Allergie

Die bereits erwähnte Klimaresilienzforscherin Traidl-Hoffmann gibt sich ganz besonders besorgt ob des ungünstigen Einflusses des Klimawandels auf Allergien: „Wir beobachten, dass der Klimawandel Allergien befördert. (…) Das passiert, weil der Klimawandel auf Ökosysteme wirkt, wie zum Beispiel auf Pollen. Pollen werden mehr fliegen, sie werden länger fliegen, sie werden auch aggressiver und wir haben auch neue Pollen.“ Zustimmend zitiert sie dann die Aussage einer Europäischen Fachgesellschaft, die 50 Prozent Allergiker für Deutschland und Europa im Jahr 2050 prophezeit.

Aber wie fundiert sind diese Behauptungen und Annahmen? Recherchiert man bei Google zu diesem Themenkomplex, finden sich kaum einschlägige epidemiologische Studien und schon gar keine stichhaltigen Belege für eine stetige und deutliche Zunahme von allergischen Erkrankungen in Deutschland. Eine ältere, gleichwohl die aktuellste Studie des Robert Koch Instituts ergab – für den Zeitraum von 2008 bis 2011 –, dass die Häufigkeit von Asthma bronchiale zwar weiterhin leicht zugenommen habe und sich somit der Trend der 1970er  bis 1990er Jahre fortsetze, die Häufigkeit von Heuschnupfen, Neurodermitis und Nahrungsmittelallergien jedoch gleich geblieben sei und damit wohl ein Plateau erreicht habe. Das dürfte in der Tat der Fall sein, denn aktuelle Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOKweisen genau in diese Richtung: Demnach lag die 12-Monats-Prävalenz von Asthma-Erkrankungen in Deutschland im Jahr 2017 bei 4,08 Prozent und 2021 nur noch bei 3,98 Prozent.

Insekten, Vektoren, exotische Krankheiten

Meldungen aus der Abteilung Tropenmedizin, dass wir angesichts des Klimawandels in Deutschland jetzt nicht nur mit dem Anflug hier bisher weitgehend unbekannter Insekten rechnen müssten, sondern diese teils auch noch hier bisher unbekannte Krankheiten übertrügen, sollten niemanden sonderlich beunruhigen. Das Risiko dafür ist bisher praktisch Null oder auf extrem wenige Einzelfälle beschränkt. Verlassen Sie sich einfach auf den gesunden Menschenverstand: Solange man völlig unbedenklich von Hamburg (mittlere Jahrestemperatur 9,8 Grad; mittlere Temperatur des wärmsten Monats 18,5) oder München (8,8; 18,2) z. B. nach Bordeaux (13,8; 21,5), Washington DC (13,7; 25,7) oder gar ins australische Brisbane (20,5; 24,9) reisen kann, ist in Deutschland doch wohl noch jede Menge Luft nach oben.

Als gäbe es in der medizinischen Versorgungslandschaft nicht jede Menge tatsächlich relevanter Probleme, will Minister Lauterbach nun auch noch ein staatlich finanziertes Kompetenzzentrum für gesundheitlichen Hitzeschutz aufbauen und zügig einen nationalen Hitzeschutzplan erarbeiten. Vielleicht führt ein solches Zentrum dann wenigstens dazu, dass der Minister sich künftig mit halbgaren oder auch gefährlichen Hitze-Tipps zurückhält. Dessen ungeachtet stoßen seine Pläne bei der Bundesärztekammer (BÄK) auf wohlwollende Zustimmung. Im Schulterschluss mit anderen Organisationen – etwa der von fragwürdigen Sponsoren unterstützten, aktivistischen Deutschen Klimaallianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) – wolle man sich an Erarbeitung und Umsetzung eines nationalen Hitzeschutzplans beteiligen.

Aber die Bevölkerung – einschließlich Psychotherapeuten und Ärzte – ist nicht so blöd und anpassungsunfähig, wie Hitzepläne suggerieren oder voraussetzen. Und vielleicht gilt das sogar für gar nicht so wenige kommunale Verwaltungen, denen es doch auch ohne großartigen Plan möglich sein sollte, einige Wasserspender aufzustellen, an bestimmten Orten für mehr Schatten zu sorgen und – vielleicht stärker als bisher – der Bodenversiegelung und dem dadurch erzeugten Wärmeeffekt Einhalt zu gebieten. Vor allem aber sind doch die besonders im Fokus stehenden Institutionen wie Alten- und Pflegeheime längst für das Thema sensibilisiert, also v.a. für die Aufgabe, eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ihrer Bewohner oder ambulant zu Pflegenden zu gewährleisten.

Aber bestimmte Probleme bleiben Probleme und lassen sich auch durch noch so ausgefeilte zentrale Pläne nicht wesentlich bessern oder gar lösen. Wie jeder weiß, der mal etwas länger mit verwirrten oder dementen Personen zu tun gehabt hat, stellt die Gewährleistung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr häufig eine erhebliche Herausforderung dar, ganz besonders in Zeiten des Pflegenotstands. Entschärfen könnte das Problem vielerorts sicherlich der Einbau von Klimaanlagen, aber die sind natürlich aus deutscher klimaaktivistischer Sicht fast so schlimm wie AKWs.

 

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken