In einem kürzlich erschienenen Artikel in der Zeitschrift The Engineer orakelte Jim Pickles, der Leiter der Materialabteilung von Tokamak Energy, dass künstliche Intelligenz bald die Erstellung einer neuen Materialdatenbank ermöglichen wird, die Millionen von Dollar einsparen und die weltweite Suche nach sauberer, sicherer und erschwinglicher Fusionsenergie um Jahre verkürzen wird – dem Heiligen Gral der Energieerzeugung, der einen endlosen Vorrat an emissionsfreier Energie für den Planeten bedeuten könnte.
Das, so Pickles, war die Botschaft auf COP29 in Aserbaidschan. Die Welt, so heißt es, ist der Replikation der Energie der Sonne selbst einen großen Schritt näher gekommen – und damit auch der Deckung des rasch wachsenden Bedarfs an erschwinglicher Energie und der Eindämmung des Klimawandels.
Während die Entwicklung der Fusion für viele immer noch wie Science-Fiction klingt – Plasma, heißer als der Kern der Sonne (bis zu zehnmal heißer) – wird sie laut The Engineer dank weltweiter Zusammenarbeit und kühner Kraftwerksprogramme in UK, den Vereinigten Staaten und Japan (auch China hat ein eigenes Fusionsprogramm) schnell zur Welle der Zukunft.
„Die Welt braucht die Fusion“, so die Zeitschrift, „und die Fusion braucht Teams auf der ganzen Welt, die gemeinsam an der Lösung großer Herausforderungen arbeiten“. Die jüngsten Durchbrüche zeigen ihrer Meinung nach, dass die Fusionsenergie keine Science-Fiction mehr ist, sondern bereits in den 2030er Jahren einen Beitrag zu den nationalen Energienetzen leisten könnte.
Der Enthusiasmus für die baldige Kommerzialisierung der Kernfusion wird von Scott Mercer geteilt, dem CEO von Focused Energy. Das in San Francisco ansässige deutsch-amerikanische Start-up-Unternehmen, das eine 65-Millionen-Dollar-Anlage zum Bau von Lasern plant, hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Stadt San Francisco mit Fusionsbrennstoff im Wert von „drei Getränkedosen“ pro Tag zu versorgen – und bei der Fusion gibt es keinen radioaktiven Abfall.
Mercer meint: „Wenn die Entdeckung des Feuers der erste Ausflug der Menschheit in die Welt der Energie war, wird die Nutzung der Kernfusion der Höhepunkt sein. Wir sind in der Lage, innerhalb des nächsten Jahrzehnts die Energiequelle des Universums nutzbar zu machen. Und wir werden alle viel besser dran sein.“
In Seattle hat Uri Shumiak, Mitbegründer von Zap Energy und außerordentlicher Professor für angewandte Mathematik an der University of Washington, mehr als 330 Millionen Dollar von Investoren erhalten und arbeitet mit einem 150-köpfigen Team daran, die Fusionsenergie für die Zivilisation nutzbar zu machen.
Das Team von Zap Energy experimentiert mit seinem Fusionsreaktor (FuZE-Q genannt), um einen positiven Fusions-Energieausstoß zu erzeugen – die grundlegende Herausforderung, die Fusionswissenschaftler überall zu bewältigen versuchen. Das Unternehmen ist bekannt für seinen neuen Prototyp eines Century-Geräts, das auf einer scherströmungsstabilisierten Z-Klemme basiert und nicht auf Magneten, Kryogenik oder Lasern, um die Fusion zu erreichen.
Die Z-Pinch-Fusion, ein Phänomen, bei dem elektromagnetische Felder so stark sind, dass sie Materie zusammenpressen, gibt es seit den 1950er Jahren, galt aber als unwirksam, weil das erzeugte Plasma unglaublich schnell verpuffte. Zap behauptet, dass seine Scherströmungsstabilisierung die Lebensdauer des erzeugten Plasmas fast unbegrenzt verlängert, so dass es so lange wie nötig Energie erzeugen kann.
Matthew C. Thompson, Vizepräsident für Systemtechnik bei Zap, erklärt, dass der Ansatz des Unternehmens gepulst ist, so dass er „wie ein Verbrennungsmotor läuft, dessen Zylinder den ganzen Tag lang feuern, um eine gleichmäßige Energieabgabe zu erzeugen.“ Dies, so fügte er hinzu, erzeugt einen großen Neutronenfluss und eine große Wärmelast im System – die erwünschte Energieleistung. Mit dem Century-Gerät sollen die Annahmen getestet und der beste Weg zur Kommerzialisierung festgelegt werden, sagt er.
In Georgia hat Tokamak Energy die ersten Konstruktionsdetails seines sphärischen Hochfeld-Tokamaks enthüllt, einer Fusionsenergie-Pilotanlage, die ein Schlüsselteilnehmer im Meilenstein-basierten Fusions-Entwicklungsprogramm des Energieministeriums ist. Mit diesem wettbewerbsorientierten Programm sollen private Unternehmen ermutigt werden, die Fusionstechnologie bis zur praktischen kommerziellen Nutzung voranzutreiben.
Auf der Jahrestagung der Abteilung für Plasmaphysik der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft im Oktober in Atlanta gab Tokamak einen ersten Einblick in seinen Betrieb. Die Tokamak-Pilotanlage soll 800 Megawatt Fusionsenergie erzeugen und mehr als 70 000 Haushalte mit 85 MW (kohlenstofffreiem) Strom versorgen.
Unterdessen behauptet das neuseeländische Unternehmen OpenStar, den „einzig gangbaren Weg“ zur Energieerzeugung durch Kernfusion in naher Zukunft zu beschreiten. Das Unternehmen setzt dabei auf ein ungewöhnliches Reaktordesign, das es Junior nennt und das auf Jahrzehnte alten Experimenten am Massachusetts Institute of Technology beruht.
Die meisten Fusionsforscher verlassen sich auf eine donutförmige (toroidale) Tokamak-Reaktorkammer, in der ein Plasmastrom durch Elektromagneten an Ort und Stelle (von den Wänden weg) gehalten wird. Wenn es ihnen nicht gelingt, das Plasma so zu verdichten, dass die geladenen Atome verschmelzen, oder wenn das überhitzte Plasma die Tokamak-Wände berührt, wird keine Energie erzeugt.
OpenStar hingegen verwendet einen zentralen Magneten und eine kugelförmige Gesamtform. Der einzelne Magnet muss ein Supraleiter sein und mit Hilfe einer kontinuierlichen und teuren Ausrüstung auf nahezu absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. OpenStar sagt, dass sein Magnet Batterien enthalten wird, um seine Funktionsdauer zu verlängern, während er inmitten eines Plasmastroms arbeitet, der über 100 Millionen Grad Celsius erreicht.
Seit über einem Jahrhundert sagen Wissenschaftler voraus, dass „die Fusion noch 30 Jahre von der Realität entfernt ist“. OpenStar behauptet nun, die Fusion sei nur noch sechs Jahre entfernt, „und wir rennen gegen die Zeit an“. Doch Caroline Delbert, Autorin von Popular Mechanics, ist nicht so zuversichtlich.
Einige Fusionsprogramme auf der ganzen Welt, so stellt sie fest, haben Jahrzehnte der Iteration hinter sich, insbesondere das ITER-Projekt, Europas global ausgerichteter und groß angelegter Tokamak. Doch laut Scientific American vom Juni 2023 liegt ITER bereits „Milliarden von Dollar über dem Budget und Jahrzehnte hinter dem Zeitplan“ und hat keine Vorstellung davon, wie viel mehr Geld und Zeit es benötigen würde, um seine Ziele zu erreichen.
Delbert sagt, dass die „seltsame Dynamik“ innerhalb der firmeneigenen und wagnisfinanzierten Fusionsforschung mit ihren Vorhersagen über die kostenlose Energie von morgen durch eine einfache Wahrheit widerlegt wird: „Nach 100 Jahren des Nachdenkens und 70 Jahren praktischer Konstruktionsarbeit ist die Frage, wie man das Plasma ausreichend aufheizen kann, immer noch eine ‚Kernhürde‘.“
Vielleicht sagt Shumiak von Zap deshalb: „Wir Fusionsforscher fühlen uns manchmal wie mittelalterliche Kathedralen-Baumeister. Man sieht vielleicht nie das fertige Produkt, aber trotzdem weiß man, dass man etwas Großartiges und Schönes tut [einfach indem man die Wissenschaft voranbringt].“
This article originally appeared at Real Clear Energy
Link: https://www.cfact.org/2024/12/03/fencing-with-fusion-the-holy-grail/
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE
Anmerkung des Übersetzers dazu: Mir fehlt jedes Hintergrundwissen für eine Beurteilung, ob die Inhalte dieses Beitrags realistisch sind oder nicht. Da bin ich auf Kommentare gespannt, und um deretwillen habe ich diesen Beitrag übersetzt.
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Wir deutschen Schißweltmeister haben offensichtlich therapieresistente Ängste auch vor Radioaktivität. Selbst wenn die Fusionsreaktoren eines guten Tages proplemlos laufen sollten, die deutsche Skepsis wäre nach wie vor unerschütterlich. Man könnte fast meinen, dass wir die Angst vor der Radioaktivität mittlerweile in unserer DNA verankert haben.
In seinem Buch “Zeitalter der Ängste“ schreibt Walter Rüegg auf den Seiten 128 uns 129 so treffend über The German Angst u.a.: …Vince Ebert, Physiker und Wissenschaftskabarettist, bringt es auf den Punkt:
«Wir Deutschen sind in puncto Technik- und Wissenschaftsfeindlichkeit schon Marktführer. Wir fürchten uns vor Fracking, vor Gentechnik, vor Stammzellenforschung, Elektrosmog und Pestiziden. So eine Stimmung vor 500 000 Jahren und die Sache mit dem Feuer wäre bei uns nie genehmigt worden.» …
Letztendlich bleibt es tröstlich zu wissen, dass in einer sich stets wandelnden Welt eine Konstante bestehen bleibt – die unvergleichliche deutsche Gabe, aus jeder Mücke einen nuklearen Super-Gau zu machen. Da können selbst die sichersten Fusionsreaktoren einpacken!
Na so große Ängste vor Radioaktivität scheint zumindest bei der Staatsführung nicht zu bestehen. Hier lagen seit Jahren US Atomraketen und demnächst sollen neue hinzugefügt werden. Ist wohl denen gefahrlos
Ich bin ebenfalls ein Laie.Eins ist aber seit langen bekannt,die große Hitze erfordert einen enormen Aufwand für das abschirmen des Plasmas.Da kommt man seit Jahren nicht weiter. Der Begriff Wirkungsgrad ist vielen Leuten offensichtlich ein Fremdwort.Man sollte sich eher auf die herkömmlichen Kernkraftwerke der vierten Generation konzentrieren.Das Problem Atommüll und Endlagerung wäret weitestgehend gelöst. Den Begriff CO2 neutral kann ich nicht mehr hören.
Danke Herr Träber, das sehe ich ebenso!
Und ganz nebenbei: Ich muss ich immer bei der Erwähnung von „Durchbrüchen“ bezügl. der Kernfusion an das Schild über der Kneipentheke denken:
MORGEN GIBT´S FREIBIER
Das möchte ich gerne aufgreifen. An der Börse gibt es einen Spruch: There is no free Lunch.
Nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt gibt es umsonst. Auch Strom aus Wind und Sonne nicht, wie Herr Alt mit dem Spruch, Sonne und Wind schicken keine Rechnung uns suggerieren wollte.
Quelle:
Auf Sonne und Wind zu bauen ist nicht nur ein Holzweg, sondern zeigt, dass die Verantwortlichen für dieses sich abzeichnende Desaster mathematische Analphabeten sind oder korrupt.
Oder einfach nur dumm.
In einem Artikel dazu später mehr.
Ist ja alles richtig, Herr Poost.
Nur muss man auf einen Witz – das Schild hängt nämlich immer da –
nicht wissenschaftlich antworten.
Aber gut, es war für Sie ein Stichwort.
Ist nicht alles in dieser Welt Wissenschaft? Dürfen wir Wissen-Schaft den „Wissenschafltern“ allein überlassen? Ich denke NEIN.
Klingt ein bisschen wie: „Wir haben nur noch 10 Jahre!“
Das gute ist aber, das es heute Freibier gibt. Es weiss blos keiner wo!
Ein kompetenter und realistischer Artikel! Heute gibt es viele Start-Ups, die dank Wagnisfinanzierung deutlich optimistischere Vorhersagen machen, als bisher üblich. Doch das aufwendige Erreichen des erforderlichen Plasmaeinschlusses lässt sich durch cleveres Unternehmertum kaum beschleunigen. Vor einigen Jahren wurden Fortschritte bei der Supraleittechnik behauptet, wichtig für die Erzeugung der Plasmaeinschluss-Magnetfelder, vor allem bei Tokamaks. Was den Nachzüglern Vorteile verschaffen könnte.
Die gelegentlich gefeierte Laserfusion setzt riesige Neodym-Impulslaser-Anlagen für den Beschuss der Fusionspellets voraus, deren Wirkungsgrade bei nur etwa 1% liegen. Aber die Bayern packen jetzt die Fusion an! Auf einem KKW-Abrissgelände, soweit ich mich erinnere. Ob sie das internationale, teure ITER-Großprojekt überholen wollen, an dem D beteiligt ist? Wohl eher als Ablenkung von einer verkorksten Energiewende zu verstehen – Made in Bayern.
Lieber Herr Freurer, ich vermute, Sie werden keine qualifizierten Kommentare bekommen. Das Thema ist wohl für uns zu komplex. Aber vielleicht findet sich jemand, der auf diesem Gebiet arbeitet. Interessant ist es allemal. Die Forscher sollten allerdings mit ihrer Zeitvorstellung eher vorsichtig sein. Irgendwann kommt die Fusion, falls wir nicht durch diese oder jene politische Dummheit wieder im Mittelalter landen.
…falls wir nicht durch diese oder jene politische Dummheit wieder im Mittelalter landen…
Herr Voge, was Klima und Treibhauskirche anbelangt, sind wir bereits im Mittelalter. Nicht die Wissenschaft bestimmt, sondern der mehrheitlich durchgesetzte Glaube an einen starken Treibhauseffekt, eben das klug durchdachte Geschäftsmodell „CO2-Ablaßhandel“.
Die Frage ist also: Wie kommen wir da wieder raus, wie befreien wir uns von diesen Fesseln des allgmeinen Unverstandes. Dem Klima und uns geht es bestens, die KLimakatastrophe ist ein Geschäftssmodell und fast alle teuren Maßnahmen zur KLimarettung schädigen die Natur und Umwelt.
Klimaschutz mit CO2-Reduzierung ist die Zerstörung der Lebensvielfalt auf der Erde.
Sehr geehrter Herr Dr.Voge,
vielleicht haben Sie Recht mit Ihrer Vermutung. Ich bin mir jedoch sicher, wenn man im Internet nach dem sog. „Q-Faktor“ sucht, wird man Erklärungen finden, die auch jemand, der nicht auf diesem Gebiet arbeitet, verstehen kann. Der Q-Faktor beschreibt das Verhältnis der zum Start der Fusion aufgewandten Energie zu der durch die Fusion zurückerhaltenen Energie. Einen guten Überblick zu diesem Thema findet man bei Raphael Haumann: viaveto.de/fusions-illusion.html
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Reinsch