Teil 4: Die Entwicklung der Windgeschwindigkeit an den Küsten und im nordwestdeutschen Binnen-Tiefland: Überwiegend Abnahmen

Stefan Kämpfe

Überwiegend Windabschwächung in weiteren Teilen Deutschlands

Im dritten Teil dieser Serie über die Entwicklung der Windgeschwindigkeit wurde die Windabnahme im Binnen-Tiefland Nordostdeutschlands erörtert. Nun soll es um die Küstenregion und um das Nordwestdeutsche Binnen-Tiefland gehen.

Einführung

Weil an den Küsten (etwa 25 bis 45 Km landeinwärts) an ruhigen Tagen der Seewind weht (Erklärung siehe Teil 2), wird die Küste hier gesondert und dann auch noch unterteilt in Nord- und Ostseeregion, behandelt. Anschließend folgt das nordwestdeutsche Binnen-Tiefland (nördl. NRW und Niedersachsen). Leider fehlte es gerade in Letzterem an Stationen; die Ergebnisse sind daher unsicherer. Die Station Groß-Lüsewitz (Daten nur in Beaufort) bestätigte den überwiegenden Trend zur Windabnahme an der Ostsee. Problematisch war hier die Station Barth (die einzige mit merklicher Windzunahme).

Ostseeküste: Leichte Windabnahme sehr wahrscheinlich

Zuerst ein Blick auf die problematische Station Barth.

Abbildung 1: Die Station Barth wurde dreimal verändert, aber nur der Ortswechsel vom Mai 2007 hatte offenbar gravierende Folgen und bewirkte – über den Gesamtzeitraum betrachtet, eine nicht reale Windzunahme.

Als Nächstes die Ostsee seit 1988 insgesamt. Außer in Barth gab es nur in Lübeck-Blankensee eine geringe Windzunahme; ansonsten ähnelt das Windverhalten dem des südlichen Hinterlandes.

Abbildung 2: Auch an der Ostseeküste weht der Wind schwächer – die fehlerhafte Station Barth ist mit enthalten.

Ohne Barth wird die Abnahme deutlicher.

Abbildung 3: Ohne Barth kommt die Abnahme der des Nordostdeutschen Binnen-Tieflands nahe; der Windsprung zur Jahrtausendwende ist aber an der Ostsee weniger deutlich.

Die Nordseeküste: Wahrscheinliche Windabnahme

An der Nordsee konnten nur acht Stationen ermittelt werden, von denen die starke Windabnahme Helgolands zumindest zweifelhaft ist – der Datensatz war in den letzten Jahren nicht ganz vollständig. Allerdings wurde der Wind auch in Emden (erst seit 1997 Daten, neunte Station) sowie in Cuxhaven und St. Peter Ording merklich schwächer; Emden wird bei der Gesamtbetrachtung der Küsten teils mit berücksichtigt. An zwei Stationen (Hohn in Schleswig-Holstein und Bremerhaven) frischte der Wind etwas auf (ca. 0,1 m/s), und Norderney sowie List/Sylt zeigten fast keinen Trend. Ob dieses sehr uneinheitliche Verhalten aus Stationsfehlern, natürlichen Ursachen oder der Errichtung großer Windparks resultierte, ist unklar.

Abbildung 4: Die ermittelte Geschwindigkeitsabnahme an der Nordsee ist unsicher. Man achte auf den markanten Windsprung zur Jahrtausendwende und auf das erstaunlich windschwache letzte Jahr 2023.

Die holländischen Stationen Schiphol und De Kooy liegen ganz nahe der Nordsee und zeigen merkliche Windabnahmen. Sie wurden aber noch nicht in das deutsche Nordsee-Mittel und das Küsten-Mittel einbezogen; stellvertretend sei aber De Kooy bei Den Helder gezeigt.

Abbildung 5: Fast kontinuierlicher, starker Rückgang der Windgeschwindigkeit in De Kooy. Der Windsprung zur Jahrtausendwende war hier nur schwach, ebenso der Wind im Jahr 2023.

Die Küste insgesamt – wahrscheinlich Rückgang der Windstärke

Die Zusammenschau von Nord- und Ostsee zeigt eine doch eher wahrscheinliche Windabnahme.

Abbildung 6: Mäßige Windabnahme, ein Windsprung zur Jahrtausendwende und ein recht windschwaches Jahr 2023 kennzeichnen das Windverhalten der deutschen Küstenregion.

Ab 1997 konnte Emden einbezogen werden; das Verhältnis von Ostsee- zu Nordsee-Stationen wird damit ausgewogener.

Abbildung 7: Ab 1997 (mit Emden) wurde der Wind an den Küsten schwächer.

Vermutlich kein Trend im Nordwestdeutschen Binnen-Tiefland?

Es waren nur neun Stationen verfügbar, von denen Hamburg-Fuhlsbüttel eine deutliche, Düsseldorf (Grenzlage zum Mittelgebirgsvorland) eine merkliche und Soltau eine schwache Windzunahme zeigten; in Hannover und Bad Salzuflen (beide in Grenzlage zum Mittelgebirgsvorland) gab es fast keine Änderungen. Etwas windärmer wurde Bremen, merkliche Windabnahmen zeigten Diepholz, Münster-Osnabrück und vor allem Lüchow.

Abbildung 8: Kein Trend im nordwestdeutschen Binnentiefland. Gut erkennbar sind der Windsprung um die Jahrtausendwende sowie ein relativ windreiches Jahr 2023.

Hätte die Windgeschwindigkeit auch hier wegen der abnehmenden Westlagen-Häufigkeit nicht sinken müssen, so wie in Nordostdeutschland? Einen ersten, möglichen Hinweis liefert das Luftdruckgefälle nach Norden. Während es entlang des Längengrades 12,5° Ost zwischen 50 und 55° Nord um 0,49 hPa seit 1988 abnahm (siehe Teil 3), sank es entlang des Längengrades 7,5° Ost nur um 0,11 hPa; allerdings bei größerer Streuung.

Abbildung 9: Entwicklung des Luftdruck-Gefälles (Hektopascal) zwischen 50 und 55° Nord entlang des Längengrades 7,5° Ost und das Jahresmittel der Windgeschwindigkeit der neun nordwestdeutschen Binnentiefland-Stationen 1988 bis 2023. Gute 46% der Windgeschwindigkeits-Variabilität wurden von der Größe des Luftdruck-Gefälles bestimmt, das ist signifikant.

Eine andere Erklärungsmöglichkeit für die fehlende Windabnahme ist die Häufigkeitszunahme der Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil, welche erfahrungsgemäß im Westen Mitteleuropas etwas mehr Wind bringen als im Osten. Sie könnten andere Einflüsse auf die Windgeschwindigkeit kompensiert haben, sicher ist das aber nicht.

Abbildung 10: Häufigkeitszunahme von Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil seit 1988; diese sind in Nordwestdeutschland meist etwas windiger.

Ein Kurzausflug nach Holland

Die Wetterzentrale bietet auch Winddaten mehrerer Stationen in Holland an. Zwar fehlen Informationen zu den Metadaten, nach erster Sichtung scheinen sie aber viel zuverlässiger als die deutschen Winddaten zu sein. Eine umfassende Auswertung ist später geplant. Die von Lage und Topographie dem nordwestdeutschen Flachland ähnelnde Station Eindhoven zeigt eine mäßige Windabnahme; auch der Windsprung um das Jahr 2000 ist dort gut erkennbar.

Abbildung 11: Ein sehr windreiches Jahr 1998, der schon bekannte Windsprung um 2000 sowie ein recht windreiches Jahr 2023 kennzeichnen die Windentwicklung seit 1988 an der Station Eindhoven in Holland.

In Holland stehen die Zeichen ebenfalls auf Windabnahme – später wird darüber näher berichtet.

(wird später fortgesetzt)

Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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