WI-Effekte in unterschiedlichster Form betreffen heute weite Flächen des Landes und befeuern die Klimaerwärmung

Teil 3: Wie WI-Effekte unseren Alltag beeinflussen – und unsere Umwelt verändern

Stefan Kämpfe

Dieser abschließende, dritte Teil soll zeigen, wie stark WI-Effekte unseren Alltag beeinflussen, und wie sie die Flora und Fauna verändern.

Wärmeinseleffekte, besonders der UHI, bedeuten mehr Hitzestress und Dürren

Als Heiße Tage werden in der Klimatologie solche mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur von mindestens 30°C definiert. Diese treten tendenziell häufiger überall dort auf, wo WI-Effekte zunehmen; besonders in städtischen Wärmeinseln (UHI). Am Beispiel eines Vergleichs zwischen Berlin und dessen Umland lässt sich der überproportional wachsende Hitzestress in einer Großstadt verdeutlichen.

Abbildung 1: Im Vergleich der Klimatologischen Referenzperioden 1961 bis 1990 mit 1981 bis 2010 war die Zahl der Heißen Tage in Berlin (rot) stets höher als in dessen Umland (blau), aber sie nahm in Berlin auch viel deutlicher zu, als im weniger WI-belasteten Umland. Sehr große Höhenunterschiede, welche das Ergebnis verfälschen könnten, treten in Berlin/Brandenburg nicht auf.

Mehr Hitze erfordert mehr Stromverbrauch zur Klimatisierung der Arbeits- und Wohnräume – ein Teufelskreis, denn mehr Stromverbrauch bringt höhere Mietnebenkosten, und die Abwärme gelangt zusätzlich in die schon aufgeheizte Umwelt. Die erhöhte Wärmebelastung geht auch mit einer erhöhten Dürregefährdung WI-belasteter Gebiete einher; denn mehr Wärme bedeutet mehr Verdunstung. Typischerweise ist die Relative Luftfeuchtigkeit in WI-belasteten Gebieten geringer.

Abbildung 2: Linien gleicher Relativer Luftfeuchte (%) in der Stadt Karlsruhe an heiteren, windstillen Sommerabenden. Während in der Innenstadt nur 70 bis unter 60% gemessen werden, sind es in den ländlichen Außenbezirken über 90%. Bildquelle promet 4/79 meteorologische Fortbildung, Stadtklima.

Diese verringerte Relative Luftfeuchte in unseren Siedlungen hat für unseren Alltag positive und negative Effekte: Straßen und Wäsche trocknen schneller – leider auch die Böden in den Hausgärten und die Blumenkübel auf den Balkons und Terrassen.

Mehr Unwetter und Wetterextreme durch WI-Effekte?

Schon im Teil 2 hatten wir anhand der dortigen Abbildung 5b gesehen, wie eine Großstadt das Niederschlagsverhalten beeinflusst. Solche Untersuchungen gibt es auch aus den USA. Die Begünstigung konvektiver Niederschläge durch eine Wärmeinsel kann unter anderem zu einer erhöhten Zahl der Tage mit Hagel in deren Lee führen.

Abbildung 3: Anzahl der beobachteten Tage mit Hagel im Gebiet der Stadt St. Louis im Zeitraum 1949 bis 1965. Während im Luv (südwestlich der Stadt) in diesem Zeitraum nur an 4 bis 8 Tagen Hagel beobachtet wurde, waren es im Lee stellenweise 12 bis 14 Tage. Bildquelle promet 4/79 meteorologische Fortbildung, Stadtklima.

Neuerdings geraten auch die riesigen Wind- und Solarparks zunehmend unter Verdacht, Klimaextreme zu begünstigen. In Teil 1 wurde diese Problematik schon kurz angerissen. Gerade die Windparks entziehen der Atmosphäre Bewegungsenergie, was unter Umständen Flauten, Hitzewellen, Niederschlagsextreme und zirkulationsarme Großwetterlagen fördern kann. Näheres zu dieser Problematik hier. So könnte die in den letzten Jahrzehnten immer markanter in Erscheinung tretende Frühjahrsdürre, speziell im April, unter anderem eine Folge der zunehmenden Anzahl der Windenergieanlagen (WEA) sein.

Abbildung 4: Mit dem fortschreitenden Windenergie-Ausbau (pink) nahmen die April-Niederschläge im Deutschen Flächenmittel (violett) tendenziell ab. Diese Tatsache begründet zwar keine Kausalität, ist aber ein wichtiges Indiz für die negativen Auswirkungen der Windenergie.

Ein weiteres Indiz ist die merkliche Häufigkeitszunahme der so genannten Unbestimmten Wetterlagen (XX-Lagen). Diese sind zirkulationsarm, sie neigen zu Flauten; im Sommer zu Hitzewellen, im Winter mitunter zu Kältewellen; außerdem tendieren sie generell zu extremerem Niederschlagsverhalten (Starkregen oder anhaltende Dürre).

Abbildung 5: Signifikante, negative Korrelation zwischen der Häufigkeit der Unbestimmten (XX) Lagen und der Windstärke in Beaufort, ermittelt anhand der Daten von 25 Stationen in Norddeutschland im Jahresmittel. XX-Lagen sind tendenziell windschwächer. Zur besseren Darstellung in einer Grafik musste die Häufigkeit der XX-Lagen in Indexwerte umgerechnet werden; Näheres zu den XX-Lagen und der Objektiven Wetterlagen-Klassifikation des DWD hier

Wie beeinflussen WI-Effekte das Vegetationsverhalten?

Sowohl die Artenzusammensetzung als auch der zeitliche Ablauf der Vegetationsphasen (Phänologie) sind stark temperaturabhängig. Wegen der WI-bedingten Erwärmung finden sich in unseren Städten, an Verkehrsanlagen und anderen WI-belasteten Örtlichkeiten immer häufiger wärmetolerante oder wärmeliebende Arten, welche im unbeeinflussten Freiland selten auftreten oder meist völlig fehlen. Einige Bildbeispiele aus Weimar mögen das verdeutlichen:

Abbildung 6: Götterbaum-Sämling (Ailanthus altissima) an einem aufgegebenen Garagenkomplex in Weimar-Nord. Dieser ursprünglich in Mitteleuropa nur als Ziergehölz gepflanzte Baum stammt aus China und Nordvietnam, einer Region mit deutlich wärmeren Sommern, als in Mitteleuropa. Foto: Stefan Kämpfe

Abbildung 7: Die Quirlige oder Kletten-Borstenhirse (Setaria verticillata) wächst bevorzugt an Südseiten von Mauern und Häusern. Das Wildgras ist in Nordafrika, Vorderasien und Südeuropa sowie in den wärmsten Regionen Mitteleuropas heimisch. Foto: Stefan Kämpfe

Abbildung 8: Ursprünglich in Asien und dem Mittelmeergebiet heimisch, kommt das Kleine Liebesgras (Eragrostis minor) heute weltweit an wärmeren Stellen, bevorzugt auf Parkplätzen, Gehwegen, Straßen- und Bahnanlagen vor, hier im Betonpflaster eines Bahnsteiges am Weimarer Hauptbahnhof. Foto: Stefan Kämpfe

Abbildung 9: Ein dem Liebesgras grob ähnliches Verhalten zeigt der Portulak (Portulaca oleracea). Er entstammt vermutlich Südost- und Südeuropa. In Mitteleuropa gedeiht er nur in wärmeren, tieferen Lagen. Noch in den 1980er und den frühen 1990er Jahren eine Rarität, ist er heuer in Weimar häufig anzutreffen. Foto: Stefan Kämpfe

Abbildung 10: Das Verbreitungsgebiet des Schmalblättrigen Doppelsamens, auch Wilde Rauke oder Stinkrauke genannt (Diplotaxis tenuifolia) umfasst Süd-, Mittel- und Osteuropa, Westasien und den Kaukasusraum. Nach ELLENBERG ist er eine wärmeliebende Lichtpflanze. Im Weimarer Stadtgebiet wächst er oft in großen Beständen; im Umland fehlt er oder tritt nur sehr selten auf. Foto: Stefan Kämpfe

Weitere „Wärmezeiger“ sind das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens) aus Südafrika, die Mäuse-Gerste (Hordeum murinum) aus dem Mittelmeerraum und Kleinasien, die Blutrote Fingerhirse (Digitaria sanguinalis) aus dem südlichen Eurasien und Nordafrika sowie weitere Hirse-Arten oder der Sand-Wegerich (Plantago arenaria). Sieht man eine der genannten Arten häufiger, so deutet das stets nicht nur auf gestörte ökologische Bedingungen, sondern auch auf einen besonders im Sommer durch WI-Effekte sehr warmen Standort hin. Ein weiteres Indiz ist die tendenzielle Vegetationsverfrühung (Phänologische Phasen). Der Deutsche Wetterdienst (DWD) schreibt dazu: „Klimatische Unterschiede zwischen Stadt und Umland (‚Stadtklimaeffekt’), allem voran die Temperaturdifferenzen, verursachen Verschiebungen in den Vegetationszyklen der Pflanzen. In pflanzenphänologischen Untersuchungen spiegeln sich diese Temperaturverhältnisse wider. Bei den temperatursensitiven Frühlingsphasen sind Verfrühungen von 1,5 bis zu 12 d/K anzutreffen. Ein signifikanter Zusammenhang der phänologischen Phasen besteht auch zur Bebauungsdichte. Frühlings- und Sommerphasen treten in dicht bebauten Stadtgebieten im langjährigen Mittel um bis zu 7,5 Tagen früher ein. Der Eintritt von Herbstphasen wird durch Stadtklimaeinflüsse in vielen Fällen verzögert. In Einzelfällen ist jedoch auch ein vorzeitiges Eintreten der Laubverfärbung zu beobachten.“ Quelle: Promet meteorologische Fortbildung Jahrgang 33, Heft 1/2, 2007, Phänologie. In selbiger Quelle findet sich auch diese Tabelle zum Eintritt phänologischer Phasen:

Abbildung 11: Mittlere Eintrittstermine phänologischer Phasen (BB: Blühbeginn, BE: Blattentfaltung, LF: Laubverfärbung) in bayerischen Städten und deren ländlicher Umgebung im Mittel der Jahre 1951 bis 1980 sowie Verfrühung VS in Tagen (Mittelwert der Städte München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg, nach RÖTZER 1996, Quelle: DWD).

Im Rahmen der Floristischen Kartierung lässt sich die Konzentration wärmeliebender oder wärmetoleranter Arten in bebauten Gebieten gut nachweisen.

Abbildung 12: Spontane (nachweislich nicht angepflanzte) Vorkommen des Götterbaumes (Ailanthus altissima) im Gebiet der Hansestadt Hamburg. Die Konzentration auf das Stadtzentrum ist eindrucksvoll erkennbar und ein wichtiges Indiz für den UHI-Effekt. Bildquelle (PDF)

WI-Effekte und die sich anpassende Tierwelt

Bestes Beispiel für die Anpassung eines ursprünglich scheuen Waldvogels an die Stadt ist die Amsel (Turdus merula); der einst scheue Waldvogel wanderte schon vor fast 200 Jahren zunehmend in unsere Siedlungen ein. Aber auch Elstern, Krähen und Nachtigallen kommen mittlerweile in unseren Städten bestens zurecht. Noch vor 25 bis 30 Jahren war der Eichelhäher (Garrulus glandarius) in der Stadt weitgehend unbekannt – doch das ändert sich momentan schnell. Immer mehr Vogelarten, aber auch Füchse, Wildschweine, Waschbären und andere Kleinsäuger, werden zu Stadtbewohnern, weil es hier nicht nur mehr Nahrung gibt (Fütterung oder Abfälle), sondern durch die höheren Temperaturen auch bessere Überlebenschancen in der kalten Jahreszeit. Es können mehr Nachkommen, oft in mehr Bruten als auf dem Land, aufgezogen werden; einstige Zugvögel werden in der wärmeren Stadt zu Standvögeln. Und selbst Exoten, wie etwa der Halsbandsittich (Psittacula krameri) aus Afrika und Südasien, leben heute verwildert in vielen deutschen Großstädten und werden mancherorts schon zur Plage. Aber wie sieht es mit dem angeblich so dramatischen Insektensterben aus? Die in unseren Städten und Siedlungen in Scharen zu beobachtenden Mauersegler und Schwalben leben ausschließlich von Insekten – es muss sie hier also reichlich geben. Und auch Wespen und Hornissen haben sich hervorragend an das wärmere Klima unserer Städte angepasst; die Honigbienen sowieso; Stadtimkerei liefert heute besten Honig. Erwärmung ist also mitnichten schlecht für Flora und Fauna. Im Zuge der möglicherweise jetzt beginnenden Abkühlungsphase könnten gerade die Wärmeinseln das Überleben vieler Arten sichern.

 

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