Wie ich in meinem Anfang August erschienenen Beitrag über die planwirtschaftliche Versuchung dargelegt habe, haben die Regierungschefs der EU am 21. Juli 2020 den unumkehrbaren Schritt in die Vergemeinschaftung von Staatsschulden und damit von der Währungs- zur Schuldenunion vollzogen. Der selige Roland Baader hat schon vor über 10 Jahren für ein solches Konstrukt den Begriff „Geldsozialismus“ geprägt. Dieser bezieht sich offenbar nicht nur auf die EU und das Euro-Währungssystem, sondern in der Tendenz auf alle Systeme, die auf der Geldschöpfung aus dem Nichts („Fiat Money“) durch private beziehungsweise staatsnahe oder staatliche Geschäftsbanken beruhen, also nach der vollständigen Ablösung des US-Dollar vom Goldstandard auch auf die USA und andere Währungsräume, die nicht durch Angebot und Nachfrage, sondern durch eine staatliche oder formell private, aber dennoch eminent politische Notenbank reguliert werden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) testet, wie ihre in Frankreich wegen betrügerischer Vorteilsgewährung rechtskräftig verurteilte Chefin Christine Lagarde gerade verkündete, die Einführung eines digitalen Zahlungssystems auf der Basis der Blockchain-Technik, um China nachzueifern. Das wäre, wie der bekannte Banken-Experte Markus Krall bemerkt, der Einstieg in die totale monetäre Planwirtschaft. Mit einem Mausklick könnten Bürokraten der Zentralbank oder staatlicher Behörden dann die Verteilung des Geldes regeln, das heißt bestimmte Akteure der Wirtschaft oder auch Privathaushalte im Sinne der herrschenden Ideologie belohnen oder bestrafen, wenn nicht gleich enteignen. Mit der politischen Manipulation des Geldes schwindet die Möglichkeit, das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt als Verfahren für die Entdeckung der Wahrheit zu nutzen. Stattdessen entsteht ein auf Fiktionen wie „Klimaschutz durch Dekarbonisierung“ und „Green Deal“ erbautes System der Planwirtschaft.

Nur ganz oberflächlich betrachtet herrscht in einem sozialistischen System mehr Ordnung als in der nur scheinbar chaotischen freien Marktwirtschaft. In Wirklichkeit folgt der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, wie leicht demonstriert werden kann, schlicht dem physikalischen Gesetz der Entropiezunahme. Die Aufgabe des Wahrheitskriteriums als Regulativ im Finanzwesen kann nämlich, so die Einsicht mehrerer Schulen der Wissenschaftssoziologie, nicht ohne Einfluss auf die „Wissensordnung“ der ganzen Gesellschaft bleiben. Denn diese folgt in der Tendenz der in der Gesellschaft herrschenden Werte-Hierarchie und den jeweils vorherrschenden Regulativen. Der (linke) Bielefelder Wissenschaftssoziologe Peter Weingart äußerte in seinem 2002 erschienenen Buch „Die Stunde der Wahrheit“ die Vermutung, dass dem freien Streben nach Wahrheit spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges die Stunde geschlagen hat. Wörtlich schrieb er: „In dem Augenblick, in dem die ‚freie Wissenschaft‘ nicht mehr als ideologische Münze, als Synonym des ‚freien Westens‘ dienen musste, wurde sie den  Regulativen der Massendemokratie und des Marktes unterworfen: der über die Medien vermittelten Legitimierung ihrer Ziele und der über den Markt vermittelten Legitimierung ihres Nutzens.“ (S. 323)  Das führe, so Weingart weiter, zu einer Einschränkung des Vertrauens in die Selbstregulierungsfähigkeit der Wissenschaft auf der Grundlage des Wahrheitskriteriums und deren Ersetzung durch formalisierte, das heißt bürokratische und damit auch politische Verfahren. Dadurch gingen die Vorteile der bisherigen Distanz zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verloren. Wolle sie ihren Fortbestand nicht gefährden, bleibe die Gesellschaft aber auf die Kommunikation von Wahrheit angewiesen.

Stattdessen wurde im Westen nach dem Ende des Kalten Krieges das Regulativ Wahrheit zunehmend durch das Regulativ Angst verdrängt, wobei ich nicht in Abrede stellen möchte, dass Angst grundsätzlich ein überlebenswichtiges Verhaltenssignal für Individuen darstellt. Es macht aber einen großen Unterschied, ob die Menschen eher Angst vor dem Verlust der Freiheit haben, oder ob sie vor allem um ihr nacktes Überleben bangen. Genau diese Verschiebung ist aber seit einigen Jahren zu beobachten: Zunächst in der Klimapolitik, seit dem Beginn der Corona-Epidemie vor allem in der Gesundheitspolitik, die dabei ist, sich in eine auf Dauer angelegte Hygiene-Diktatur zu verwandeln.

Hauptursache der gesellschaftlichen Aufwertung der Angst ist die Moralisierung des gesellschaftlichen Diskurses infolge des Einflusses kulturmarxistischer und/oder postmoderner Relativismen. Wichtigster Ausdruck dieses moralischen „Framings“ ist die Verdrängung der Unterscheidung zwischen „Wahr“ und „Falsch“ durch den Gegensatz von Gut und Böse. Als „Gut“ gilt dabei selbstverständlich nur, was tonangebenden Kreisen gerade in den Kram passt. Öl, Erdgas und Uran, obwohl reine Naturprodukte, gelten als schlecht, Lithium und Kobalt für die Elektromobilität hingegen als gut. Es geht dabei also um Moral ohne Wahrheit, verlogene Moral. Während die nie endende wissenschaftliche Wahrheitssuche den ergebnisoffenen Diskurs voraussetzt, führt die Moralisierung von Sachfragen mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Verengung der Debatte – zumal nach der postmodernen Machttheorie Michel Foucaults Verfechter abweichender Positionen jederzeit von der Diskussion ausgeschlossen werden können. Wer sich heute also noch an der Wahrheit orientiert beziehungsweise die Schwierigkeiten ihrer Findung bekennt und sich dabei auf seine eigene Lebenserfahrung und auf die seiner Vorfahren beruft, findet sich schnell moralisch auf der falschen Seite und wird als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert, wenn nicht gleich ausgegrenzt, kriminalisiert und kaltgestellt.

Wurde die Zustimmung der abhängig Beschäftigten zum herrschenden politischen und ökonomischen System in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch in erster Linie durch die Verlockungen des preiswerten Massenkonsums erreicht, so soll der Konsum im 21. Jahrhundert in der Tendenz nicht mehr dem Lustprinzip, sondern staatsmonopolistischen Vorgaben wie der „Lebensmittel-Ampel“ oder „Klimaschutz durch CO2-Reduktion“ folgen. Statt mit Versuchen der Verführung arbeitet die Werbung deshalb immer mehr mit offenen und versteckten Drohungen. Unter dem Stichwort „Reset“ wird der Umbau des westlichen Kapitalismus nach dem chinesischen Modell in Angriff genommen.

Nur wenige Menschen würden wohl spontan relativ fade vegane Nahrungsmittel traditionellen Fleischgerichten vorziehen. Niemand würde spontan auf die Idee kommen, für einen statistischen Mittelwert namens Klima zu streiken. Es ist wohl weniger die Angst, die Erde werde Fieber bekommen oder die Alpen würden wegen des Auftauens der Permafrost-Böden zerfallen, die Bewegungen wie „Fridays for Future“ antreibt, sondern die Angst junger Menschen mit wenig Lebenserfahrung, moralisch auf der falschen Seite zu landen. Damit möchte ich nicht davon ablenken, dass politisch Mächtige oder nach Macht Strebende solche Ängste bewusst schüren, um ihre Machtposition zu festigen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigt, wie das geht.

Aber auch bei den Mächtigen selbst ist die Angst inzwischen zum wichtigsten Regulativ geworden. Daher das chaotische und widersprüchliche Agieren der Bundesregierung und der Länder-Behörden in der Corona-Epidemie. Ausdruck dieses Durcheinanders sind die von Land zu Land unterschiedlichen Quarantäne-Bestimmungen oder innerdeutsche Reisebeschränkungen, Sperrstunden, Beherbergungsverbote und Kontaktbeschränkungen. Zwar hat die Bundesregierung die ihr von einer Gruppe von „Experten“ vorgeschlagene Strategie der systematischen Angstmache durch die Kommunikation von Worst-Case-Szenarien der Corona-Epidemie nicht aufgegriffen (wie man hört, nach persönlicher Intervention der Bundeskanzlerin). Doch ist die Aufrechterhaltung und teilweise Verschärfung der Maskenpflicht in öffentlichen Räumen, Geschäften und Verkehrsmitteln fünf Monate nach dem Abklingen der Epidemie kaum anders zu erklären als durch die Absicht der Herrschenden, das Angstniveau der Bevölkerung unabhängig von der Höhe des Infektionsrisikos so lange wie möglich hoch zu halten.

Gleichzeitig zeigt die Beibehaltung, wenn nicht Ausweitung der Maskenpflicht ebenso wie die nicht nachlassenden Warnungen vor einer Klimakatastrophe, dass die Verbreitung von Angst im dekadenten Staatsmonopolkapitalismus immer mehr zur „sicheren“ Geschäftsgrundlage wird und die verlockende Konsumwerbung der Nachkriegszeit für einen hedonistischen Lebensstil abgelöst hat. Dagegen versuchen Regierungen und angebliche Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) im Verbund mit staatlichen oder staatsnahen Massenmedien den Menschen nun verbissen Dinge schmackhaft zu machen, die sie spontan gar nicht mögen (können). Das zeigt sich nicht nur am Versuch, das Elektroauto zur einzig möglichen Zukunftsoption für den motorisierten Individualverkehr zu machen, sondern aktuell noch deutlicher am erpresserischen Versuch, die Massen-Impfung gegen das Coronavirus als einzigen Weg für die Beendigung des Maskenzwangs und anderer Einschränkungen fundmentaler Bürgerrechte erscheinen zu lassen. Wichtigster Propagandist und potenzieller Nutznießer dieser Erpressungsstrategie ist bekanntlich der Top-Milliardär Bill Gates.

Nur fragt es sich, wie lange eine solche Kultivierung der Angst Bestand haben kann. Erfahrungen mit früheren Epidemien und auch mit der Verhaltenstherapie von Angst-Störungen weisen darauf hin, dass die Menschen spätestens nach einigen Monaten im Ausnahmezustand wieder zu ihrem gewohnten Lebensrhythmus zurückkehren wollen und sich das auch etwas kosten lassen. Sie sind dann bereit, Risiken einzugehen, um den Ausnahmezustand zu verlassen. Im Nachbarland Frankreich mit seinen strengen Ausgangsbeschränkungen ist dadurch zumindest im Süden eine Klassenkampf ähnliche Konfrontation entstanden. Hintergrund ist eine vom Pariser Gesundheitsministerium und seinen Beratern orchestrierte Verleumdungskampagne gegen den in Marseille und Umgebung äußerst beliebten Infektiologen Prof. Didier Raoult, über die ich hier schon berichtet habe. Raoult hat am Marseiller Hospital „La Timone“ mit Erfolg Tausende in der Frühphase an Covid-19 Erkrankte durch die Kombination des alten Malariamittels Hydroxychloroquin (HCQ) und des Antibiotikums Azithromycin (AZ) behandelt. Und er teilt nicht den „offiziellen“ Optimus hinsichtlich der Entwicklung effizienter Impfstoffe gegen das Coronavirus. Kein Wunder, dass sich in Marseille und Umgebung eine die politischen Parteien übergreifende Front des Widerstandes gegen die von der Pariser Gesundheitsbürokratie verordnete Schließung der Restaurants und Bistrots formierte. Unter dem Vorsitz der grünen Oberbürgermeisterin (selbst Medizinerin) setzte die Stadt ein eigenes wissenschaftliches Beratungsgremium ein, das dem von Pharma-Lobbyisten durchsetzten Beratungsgremium der Regierung Paroli bieten soll. Die Regierung musste bereits in einigen Punkten nachgeben.

Auch bei uns in Deutschland ist es zu Großdemonstrationen in Berlin und anderen großen Städten gegen die Einschränkung fundamentaler Bürgerrechte im Namen des Kampfes gegen ein Virus gekommen, das sich unterm Strich als nicht gefährlicher als die saisonale Grippe erwiesen hat. Im Unterschied zu Frankreich, wo immerhin noch Reste einer lebendigen Debattenkultur fortbestehen, gibt es in Deutschland aber ein in der Volksseele tief verankertes Harmonie- und Gleichschaltungsstreben, das es schwer macht, zur „Normalität“ zurückzufinden. Während sich in Frankreich der Volkszorn mehr oder weniger regelmäßig in Massendemonstrationen und gewaltsamen Blockaden entlädt, suchen die Deutschen dem demütigenden Arbeitsstress und Konformismus-Druck durch den Ferntourismus zu entfliehen. Doch dieser fällt nun zusehends der Hygiene-Diktatur zum Opfer. Eine Billig-Fluglinie nach der anderen geht dem Konkurs entgegen. Obendrein stellen Grüne aller Parteien Ferienflüge als „klimaschädlich“ hin und würden Flugreisen am liebsten ganz verbieten. Hier liegt meines Erachtens in den kommenden Jahren bei uns das größte Konfliktpotenzial. (9. Oktober 2020)

 

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