W2P beschreibt nichts anderes als die energetische Nutzung oder thermische Entsorgung von Müll der verschiedensten Art. Sollte Ihnen dieses Kürzel „W2P“ nun unbekannt vorkommen, so haben Sie völlig recht, denn ich habe den Begriff soeben erfunden. Allerdings erforderte es keine gesteigerte Kreativität, denn dieses hippe Neudeutsch ist für andere Wandlungsverfahren längst gebräuchlich: P2H, P2G, P2L. Diese Bezeichnungen stehen für vermeintlich zukunftsträchtige Anwendungen, sie durchweht der Hauch der glücklichen dekarbonisierten Welt von morgen. Da kommt „Waste-to-Power“ nicht mit, denn die schnöde Abfallverbrennung hat jahrhundertelange Tradition und aus grüner Sicht keine Perspektive, weil es künftig keinen zu entsorgenden Müll mehr geben soll, sondern nur noch Wertstoffe als Quelle neuer Produkte.

Zunächst praktizierte man Müllverbrennung als einfache Lösung eines Entsorgungsproblems ohne energetische Hintergedanken. Was unbrauchbar, aber im Weg war, wurde angehäuft und abgebrannt. Die Asche kam auf den Acker und gut. Später und mit zunehmenden Müllmengen sparte man sich das und entsorgte auf riesige Haufen vor den Siedlungen und Städten, dann wurden diese Berge aus optischen und Geruchsgründen abgedeckt und Deponien genannt. Es zeigten sich Spätfolgen, vor allem in den Wirkungen auf das Grundwasser. Seit 2005 gibt es in Deutschland ein Deponieverbot. Die Rezepte gegen die Müllberge lauten jetzt: Vermeiden, stoffliche Nutzung, thermische Verwertung und Ablagerung nur dann, wenn Umweltgefährdung ausgeschlossen ist.

Was tun?

Der Königsweg ist ohne Frage der geschlossene Stoffkreislauf. Sinnvoll gehört für bestimmte Verpackungstechniken ein Pfandsystem dazu. Unser Dosenpfand-Jürgen (ja, der mit der Kugel Eis auf der Stromrechnung) setzte 2003 in seiner Zeit als Umweltminister das Dosen- und Einwegpfandsystem um. Sein Vorgänger Töpfer hatte dies schon eingerührt. Es sollte ein deutlicher Schritt sein, die Wegwerfgesellschaft zu zähmen. Den Sound der gezogenen Lasche vor dem Resonanzkörper der mit Gerstensaft oder Cola beladenen Dose galt es dauerhaft zum Schweigen zu bringen. Die Weiche in Richtung des ökologischeren Mehrwegsystems schien gestellt. Zunächst brach die Menge der Einwegverpackungen wunschgemäß ein, um in den Folgejahren langsam aber stetig wieder anzuwachsen. Mit automatisierten Rücknahmesystemen der großen Handelsketten wurde das Einwegsystem der Getränkeindustrie wieder billiger als Mehrweg. Die PET-Einwegflasche (Polyethylenterephthalat, in Faserform Polyester genannt) wurde zur Gewinnerin beim Dosenpfand. Preisgünstig bei geringem Materialeinsatz und ideal recyclebar trug sie zum erneuten Absinken der Mehrwegquote bei. Schwere leere Glasflaschen müssen transportiert, gereinigt und neu etikettiert werden – PET-Flaschen nicht und an der gesunkenen Trinkkultur stört sich der Geiz-ist-geil-Kunde auch nicht. Er fragt: wenn schon Pfand, warum dann Mehrweg? So hat die Einwegquote inzwischen die des Mehrwegs wieder überholt.

Ökologisch am zuverlässigsten sind die deutschen Biertrinker bei der Glasflasche geblieben, lasst sie uns loben.

Auch der stofflichen Nutzung, also der Wiederverwertung des Restmülls sind wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Aus Recyclinggranulat gepresste Gartenbänke kommen PR-mäßig gut, aber wirtschaftlich ist das auf Grund des hohen Trennaufwandes zumindest beim Haushalts- und Gewerbemüll und mangelnden Bedarfs so großer Mengen an Gartenbänken noch nicht. Die Deutschen sind vermutlich die eifrigsten Mülltrenner der Welt, dennoch war die bisherige Abfallpolitik nur eingeschränkt erfolgreich. Coffee-to-go-Becher (also „C2g“ – soeben erfunden!) führen zu neuen riesigen Abfallbergen, die noch nicht sinnvoll beherrscht werden. Auch die legendäre „Abwrackprämie“ für PKW von 2009 war entsorgungstechnisch und vor allem energiebilanziell eine falsche Entscheidung. Sie führte zur Vernichtung brauchbarer Güter und trieb mit künstlich erzeugter Nachfrage den Energiebedarf an.

Bevor wir aber kritisieren und unzufrieden werden, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass wir im Grunde müllmäßig auf einer Insel der Glückseligen leben.

Seit den siebziger Jahren leidet die Region um Neapel am permanenten Müllnotstand, 1997 wurde die letzte Deponie wegen Überfüllung geschlossen. Der Widerstand der Bürger gegen neue Deponien und den Bau von Verbrennungsanlagen führte zu riesigen Müllbergen und illegalen Deponien.

Bella Italia

Die Mafia, in diesem Fall die Camorra, verdient prächtig an illegaler Mülllagerung und zwar an allen Fraktionen – Haus- und Gewerbemüll, Klinikmüll, Giftmüll, sogar radioaktive Abfälle wurden gegen Gebühr dubioser Auftraggeber in der Region verbuddelt. Man schätzt die illegal abgelagerte Müllmenge auf etwa 300.000 Tonnen.

Was sich auf den Straßen anhäuft, wird hin und wieder verbrannt, um Platz zu schaffen oder Protest zu zeigen. „Terra dei Fuochi“, „Land der Feuer“ heißt die Gegend nördlich von Neapel. Über theoretische Diskussionen zur Krebsgefahr durch Glyphosat können die Leute hier nur milde lächeln. Die Krebsrate in der Gegend ist mehr als dreimal so hoch wie im nationalen Durchschnitt. Die Feuer setzen ätzende Dioxinwolken frei, das Grundwasser ist verseucht, Schwermetalle und Gift sind im Erdreich versickert. Tomaten und Pfirsiche wachsen auf diesem Terrain und dies natürlich nicht zur Zierde. Forscher sprechen vom „Dreieck des Todes“ zwischen Neapel, der nördlich gelegenen Kleinstadt Caserta und Nola im Osten.

Einige Sonderzüge fuhren in deutsche Müllverbrennungsanlagen (MVA), was von deutschen Grünen heftig als Müllimport gegeißelt, aber von einem grünen italienischen Umweltminister maßgeblich mit verursacht wurde.

In Summe ist das Ganze nicht nur eine Schande für ein entwickeltes Industrieland wie Italien, auch die EU-Umweltbürokratie versagt seit Jahrzehnten auf der ganzen Linie. Sie bleibt ihrem Grundsatz treu, sich nicht um die wichtigen Sachen zu kümmern, sondern Selbstbestätigung in der Gängelung der Bürger zu finden wie im Vorschreiben von Beleuchtungsmitteln oder der Regulierung der Leistung von Staubsaugern. Auch eine 20 Millionen-Euro-Strafe, die der Europäische Gerichtshof verfügte, brachte natürlich keine Abhilfe. Ansonsten beherzigt die EU die „Omerta“ genannte Schweigepflicht der Camorra. Die US-Amerikaner gehen fürsorglicher mit ihren Bürgern um. Die in der Region Neapel stationierten US-Truppenangehörigen dürfen nicht außerhalb der Stützpunkte wohnen und der Teil der Lebensmittel, der nicht aus dem Ausland kommt sowie die Trinkwasserqualität werden akribisch überwacht.

In der Dritten Welt sind die Gefahren nicht nur durch die Gifte, sondern schon durch die riesigen Müllberge gegeben und es kann zur Katastrophe kommen, wenn wie in Sri Lanka ein 90 Meter hoher Müllberg ins Rutschen kommt.

Reinigendes Feuer

Damit es zu diesen gigantischen Ansammlungen von Müll nicht kommt, wäre die thermische Entsorgung in entsprechend ausgelegten Verbrennungsanlagen hilfreich. Sicherlich könnten auch Rotteverfahren helfen, die aber eine sehr korrekte Mülltrennung erforderlich machen und nur beim biogenen Anteil funktionieren.

In Deutschland verrichteten 2014 etwa 60 Müllverbrennungsanlagen und 35 Anlagen zur Verbrennung oder Mitverbrennung von Ersatzbrennstoff (EBS) ihre unattraktive aber nötige Tätigkeit. EBS wird durch Aufbereitung von Müll gewonnen, indem man heizwertreiche Fraktionen abtrennt und damit energetisch hochwertigen Brennstoff gewinnt. Holz-, Papier- und Stoffreste, biogene Anteile und Kunststoffe ergeben ein feuriges Gemisch, das selbst in Zementwerken einsetzbar ist. Unter den strengen Bedingungen der 17. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImschV) verbrennt der größte Teil von dem, was wir in grauer und gelber Tonne sammeln.

Gegenüber der Kohle-, Öl- oder Gasverbrennung verschärfte Emissionsgrenzwerte sichern die Umweltverträglichkeit. Die vorgeschriebenen Verbrennungstemperaturen oberhalb 850 Grad Celsius, bei halogenorganischen Stoffen sogar über 1.100 Grad zerstören Dioxin und andere Gifte. In den Angaben zum Energiemix erscheint die Energiegewinnung durch Müll mit einem relativ konstanten Anteil von etwa fünf Prozent meist unter der verschämten Bezeichnung „Sonstige“. Sollte sich dieser Anteil durch höhere Verwertungsquoten verringern, sinkt auch dieser Anteil konstanter und regelbarer, mithin systemstabilisierender Einspeisung.

Obwohl weitgehend Übereinstimmung besteht, dass wir von geschlossenen Stoffkreisläufen noch weit entfernt und moderne Verbrennungsanlagen umweltverträglich sind, bleiben Kampagnen gegen MVA bewährte Spielwiesen grüner Bürgerinitiativen. Sie treten zumeist als NIMBY-Anwohner („not-in-my-backyard“) auf und verfügen über bekanntes Kampfvokabular wie Dioxinschleuder, Menschenvergifter und ähnliches. Damit erreichen sie in großen Bevölkerungskreisen Ängste, die nur noch mit dem Neubau eines Atomkraftwerks neben dem Dorfanger zu toppen wären. Dabei wissen die Aktivisten sehr genau, dass hundertprozentige Müllverwertung nicht möglich ist und vergessen geflissentlich zu erwähnen, dass deponieren verboten und die so genannte „kalte Rotte“ durch Methanemission sehr „klimaschädlich“ ist.

Bürokratischer Müll

Um einem Anstieg der erheblichen Müllmenge in Deutschland (über 40 Millionen Tonnen pro Jahr) Einhalt zu gebieten, bastelt die Bundesregierung unterdessen an einer neuen Gewerbeabfallverordnung, die auch einige Details neu regelt, beispielsweise, was unter „Verpackung“ zu verstehen ist. Teebeutel, Wursthäute und Grablichtbecher gehören nicht dazu. Heftklammern und Dosierhilfen von Waschmitteln allerdings doch, wenn sie Teil des Verpackungsverschlusses sind. Bei Blumentöpfen ist zu differenzieren: Verbleibt die Pflanze Zeit ihres Lebens darin, ist es keine Verpackung, sonst schon. Das Verpackungsrecht tendiert in seiner Komplexität hin zum deutschen Steuerrecht, nur dass die entsprechende Beraterinfrastruktur noch fehlt. Deshalb wird die Einrichtung einer zentralen Stelle durch Industrie und Handel vorgesehen, um fairen Wettbewerb und konsequenten Vollzug als Registrierungs- und Standardisierungsstelle zu sichern. Wer diese Einrichtung wiederum kontrollieren soll, ist offen. Nicht dagegen die Finanzierung, die dem Verbraucher dann indirekt über die Preise auferlegt wird. Das ganze Verbürokratisierungsgesetz muss nicht durch den Bundesrat, was zumindest die Menge des Kommunikationsmülls reduziert.

Die Frage, wie künftig mit Gesetzes- und Verordnungsmüll (ganz zu schweigen vom Ideologiemüll) zu verfahren ist, bleibt offen. Verbrennung ist nur sehr eingeschränkt möglich, Kompostierung auch. Schließlich ist es die Existenzgrundlage einer vor allem sich selbst verwaltenden und wachsenden Ministerialbürokratie, die davon sehr auskömmlich lebt.

Die Italiener in Kampanien hätten gern diese Probleme . . .

 

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