Dr. Thomas Petersen
Klopfzeichen aus der Welt der Sozialwissenschaften (45): Soziale Konditionierung
Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, wie die Berichterstattung der Massenmedien durch die Verwendung stereotyper Begriffe die Wahrnehmung von Politik beeinflusst und damit letztlich auch die inhaltliche politische Meinungsbildung, kann dies mit einem kleinen Gedankenexperiment tun und die folgende Frage beantworten: „An welche Partei denken Sie, wenn sie das Wort ‚Klientelpolitik’ hören?“
Die meisten Menschen werden bei diesem Stichwort spontan an die FDP denken. Doch warum eigentlich? Warum denkt kaum jemand spontan an die Grünen, die in den letzten Jahren mit gewaltigem propagandistischen Aufwand durchgesetzt haben, dass ihre Kernwähler von Studiengebühren befreit wurden – auf Kosten der Berufstätigen, von denen die meisten nie eine Universität von innen gesehen haben? Warum denkt man nicht an die Sozialdemokraten, die seit vielen Jahrzehnten kaum eine politische Grundsatzentscheidung treffen, ohne sich vorher intensiv mit den Gewerkschaften abzustimmen? Der Grund ist vermutlich einfach, dass das Stichwort „Klientelpolitik“ fast immer im Zusammenhang mit der Politik der FDP in der Berichterstattung auftaucht, praktisch nie mit der der Grünen oder der SPD.
Das Wort „Klientelpolitik“ ist ein Beispiel für ein Phänomen, das ich seit einigen Jahren „soziale Konditionierung“ nenne, und das meiner Meinung nach für das Verständnis der Mechanismen der Medienwirkung von großer Bedeutung ist. Die These der „sozialen Konditionierung“ stützt sich auf drei in der Sozialforschung gut dokumentierte Befunde:
1.: Menschen neigen dazu, bestimmten Begriffen oder schlagworthaften Formulierungen Bedeutungen hinzuzufügen, die objektiv gar nicht darin enthalten sein müssen.
2.: Es gibt ein bestimmtes Vokabular, das praktisch ausschließlich in den Medien verwendet wird, und das offensichtlich solche Beiklänge transportiert. Man spricht auch von „Mediensprache“. Beispiele sind Begriffe wie „umstritten“, „Zahlmeister“ oder eben auch „Klientelpolitik“. Kein Mensch würde am Gartenzaun im Gespräch mit dem Nachbarn das Wort „Klientelpolitik“ verwenden – außer er plappert gerade nach, was er im Fernsehen gehört hat.
3.: Diese Begriffe können ein erhebliches Drohpotential entwickeln, das den Verlauf ganzer Diskussionen bestimmt. Wer es nicht glaubt, möge in einer Diskussionsrunde mal einem Teilnehmer soziale Kälte vorhalten und beobachten, wie dieser allein durch dieses Wort in die Defensive gerät, und zwar auch dann wenn es inhaltlich vollkommen unangebracht ist.
Stellt man sich nun die Frage, wie denn die implizite Bedeutung solcher Formulierungen zustande kommt, wie also Elemente der Mediensprache mit wertenden Beiklängen aufgeladen werden, und verknüpft diese Frage mit der seit den frühen 1970er Jahren bekannten Erkenntnis, dass die Wirkung der Massenmedien auf die Meinungsbildung auf, wie es in der Fachsprache heißt, Kumulation und der Konsonanz beruht, also der Aufnahme gleicher oder ähnlicher Medienbotschaften über einen längeren Zeitraum hinweg, dann drängt sich einem die These der „sozialen Konditionierung“ regelrecht auf.
Medieninhaltsanalysen zeigen, dass die Berichterstattung zu politischen Themen oft von starken Wertungen geprägt ist, und zwar medienübergreifend. Die redaktionellen Linien der einzelnen Zeitungen, Zeitschriften oder Fernsehsender unterscheiden sich zwar, doch ein Wechsel in der Bewertung eines Gegenstandes, einer Person oder Institution wird in der Tendenz von allen oder zumindest den meisten meinungsbildenden Medien nachvollzogen. Wenn nun die Medienberichterstattung wiederholt die gleichen Argumente mit den gleichen Begriffen präsentiert und gleichzeitig übereinstimmende Bewertungen vornimmt, dann heißt das, dass die Leser und Zuschauer die stereotype Formulierung der Mediensprache auch zusammen mit der gleichzeitig vermittelten Wertung aufnehmen und im Gedächtnis abspeichern.
Wird nun, beispielsweise in einem persönlichen Gespräch oder durch die Lektüre eines „Achgut“-Eintrags, ein Teil dieser aus zwei Komponenten bestehenden Information aufgerufen, dann wird die gemeinsam mit ihr gelernte zweite Komponente mitaktiviert. Sagt jemand „Klientelpolitik“, liefert das Gehirn den Begriff „FDP“ gleich mit, ob man will oder nicht. Letztlich handelt es sich um einen klassischen Konditionierungsvorgang: Das Glöckchen klingelt – und der Hund denkt ans Fressen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass das Prinzip der Konditionierung zumindest im Prinzip auch auf den Menschen angewendet werden kann.
Findet dies nun über die Verknüpfung von Begriffen in der Medienberichterstattung statt, ist es angemessen, von „sozialer Konditionierung“ zu sprechen, nicht einfach von „Konditionierung“, weil der Vorgang durch die Beteiligung der Massenmedien eine ganz neue Dimension bekommt. Die Konditionierung findet nicht in Einzelfällen statt, sondern zehntausendfach, tendenziell gleichgerichtet über das ganze Land verteilt, und zwar praktisch jederzeit. Ihr ist nicht nur eine Vielzahl von Individuen ausgesetzt, sondern in Konsequenz die ganze Gesellschaft oder zumindest erhebliche gesellschaftliche Gruppen. Wer die Sprache beherrscht, beherrscht die Gesellschaft. Vorsicht also, wenn man merkt, dass man in den Medien mit einem schlagworthaften Etikett versehen werden soll. Es kann noch so unsinnig, ja lächerlich sein – wenn es nur oft genug geschieht, bleibt es auf Dauer kleben. Dies sei allen Klimaleugnern ins Stammbuch geschrieben.
Neuerscheinung von Thomas Petersen: “Der Fragebogen in der Sozialforschung. Konstanz: UVK, 2014”.
6 Kommentare
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Einem anderen Werkzeug aus dem Arsenal der Sozialen Konditionierung begegnet man immer dann, wenn für gewisse Zustände mehr TOLERANZ eingefordert wird. Also die Duldung von mehr Ausnahmen. Wobei der Begriff Ausnahme impliziert, dass ein Regelwerk, ein Wertekanon existiert.
Es folgt dann die nächste Forderung; die nach mehr AKZEPTANZ. Dies ist typisch für eine Diktatur durch die Hintertür, denn damit werden bestehende Regeln, Sitten und Wertvorstellungen zu Plunder erklärt mit dem Ziel, die früheren Regeln ganz abzuschaffen. Die einstigen Ausnahmen werden massenmedial zur neuen Normalität erklärt, die zu akzeptieren sei.
Nicht selten folgt diesem Schritt dann die Durchsetzung einer neuen DOMINANZ mit der Begründung, die Gesellschaft und die Zeiten hätten sich schließlich schon immer geändert, und das Festhalten am Alten sei nun nicht mehr hinnehmbar.
Aktuelles Beispiel für diese Spielart Sozialer Konditionierung ist das Gender-Mainstreaming-Projekt im Bildungsplan 2015 der Grünen Landesregierung in Baden-Württenberg, gegen das derzeit massive Proteste laufen. Den Kindern soll darin die individualisierte „Bunte“ Gesellschaft in ethnischer und sexueller Vielfalt mit den unterschiedlichsten Elternschafts-Verhältnissen nahegebracht und für gleichwertig erklärt werden: Die Große Transformation der Gesellschaft für die NWO.
@T.Heinzow #4
Wenn die Macht der Bilder auf die Einfaltigkeit (unaufgeklärte und unwissende) der Bürger trifft, dann hat eine Ideologie-Diktat ein leichtes Spiel.
Wenn man eine Technologie/Sachverhalt madig machen will, dann setzt man dies in das entsprechend schlechte Bild.
In Deutschland hat dies beim Thema Kernkraft jahrzehnte lang herovorragend funktioniert.
Statt Aufklärung und Fortschritt hat sich Deutschland in der Kernkraft und seit der Energiewende in der gesamten Energietechnik/Verständnis zurückentwickelt.
Die Gehirnwäsche der Medien läuft nicht nur verbal ab, sondern weitestgehend nonverbal. Wer beispielsweise Kraftwerke madig machen will, zeigt die großen Kühltürme mit ihren Kondensatfahnen in dunklem Licht. Wer Windmühlen positiv präsentieren will, zeigt eine grüne Landschaft mit radfahrender Familie und dahinter in entsprechend kleiner Relation die Windmühle mitten in gelben Rapsfeldern … .
Verbal kommt dann auch der Trick zur Geltung, wo dann gesagt wird, Der Windpark kann 2000 Haushalte mit Strom versorgen … .
Oder man schaue sich die vielen Natur- und Technikkundefilme bei ntv oder n24 an und achte auf die größenteils unsinnigen Kommentare, die „Gefahren“ suggerieren, wo gar keine sind … .
Bereits Goebbels wußte um die Wirkung der bewegten Bilder und Kommentare – siehe Wochenschau im Kino und Kriegsberichterstattung.
So werden die Umwelt- NGOs niemals als Klientel bezeichnet, dabei regieren sie quasi unser Land mit.
Ich bin auch schon konditioniert 😉
Bei ‚Ökodiktatur‘ oder ‚Ideologisch geprägt‘ muss ich immer an die Grünen denken. Da kommt die FDP ja noch ganz gut weg 😉
Hier ein sehr passender Kommentar eines bekannten deutschen Journalisten zur Konditionierung seines Berufsstandes. Ein offenes und sehr selbstkritisches Bekenntnis…
http://tinyurl.com/obakenk
mfg,
Roland Köhler