Bild rechts: Wissenschaftler ziehen Eisbohrkerne in der Antarktis. Bild: EIKE
Meine Ausbildung als Mathematiker und Physiker – zusammen mit einer 40-jährigen Laufbahn in wissenschaftlicher Forschung, Beratung und Management in Akademien, der Regierung und im privaten Bereich – hat mir eine umfassende Perspektive der Klimawissenschaft verschafft. Detaillierte technische Diskussionen im vorigen Jahr mit führenden Klimawissenschaftlern haben mir ein sogar noch besseres Gefühl dafür vermittelt, was wir über das Klima wissen und was wir nicht wissen. Ich bin inzwischen dabei zu erkennen, was für eine gewaltige wissenschaftliche Herausforderung die Antworten auf Fragen von Politikern und der Öffentlichkeit ist.
Die grundlegende wissenschaftliche Frage für die Politik lautet nicht, ob sich das Klima ändert. Das ist in der Tat settled: Das Klima hat sich immer geändert und wird sich auch weiterhin immer ändern. Geologische und historische Aufzeichnungen zeigen das Auftreten großer Klimaverschiebungen, manchmal innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten. Wir wissen zum Beispiel, dass die globale mittlere Temperatur der Erde im 20. Jahrhundert um ca. 0,7°C gestiegen ist.
Die grundlegende Frage lautet auch nicht, ob die Menschen das Klima beeinflussen. Das ist kein Scherz: Es gibt unter den Wissenschaftlern wenig Zweifel daran, dass die kontinuierliche Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre das Klima beeinflussen, im Wesentlichen erzeugt durch CO2-Emissionen durch den konventionellen Verbrauch fossiler Treibstoffe. (Anmerkung der Redaktion: Darüber wird zu Recht heftig gestritten) Auch gibt es kaum Zweifel daran, dass das CO2 in der Atmosphäre viele Jahrhunderte lang verbleiben wird. (Anmerkung der Redaktion: Diese Aussage teilen wir nicht, die Verweilzeit dürfte bei wenigen Jahren liegen) Der heutige Einfluss menschlicher Aktivitäten scheint vergleichbar mit der inhärenten natürlichen Variabilität des Klimasystems selbst. (Anmerkung der Redaktion: Diese Aussage teilen wir nicht)
Vielmehr lautet die grundlegende, unsettled Frage für die Politik: „Wie wird sich das Klima im nächsten Jahrhundert ändern unter sowohl natürlichen als auch menschlichen Einflüssen?“ Antworten auf diese Frage im globalen und regionalen Maßstab sollten ebenso wie gleichermaßen komplexe Fragen über die Auswirkungen auf Ökosysteme und menschliche Aktivitäten Eingang finden bei der Entscheidungsfindung bzgl. Energie und Infrastruktur.
Aber – und das ist der Punkt: Diese Fragen sind die am schwierigsten zu beantwortenden Fragen. Sie fordern auf fundamentale Weise heraus, was die Wissenschaft uns über zukünftige Klimate sagen kann.
Obwohl menschliche Einflüsse ernste Konsequenzen für das Klima haben könnten, sind sie physikalisch gering in Relation zum Klimasystem als Ganzes. Zum Beispiel wird erwartet, dass zusätzliche menschliche CO2-Einträge in die Atmosphäre bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts den natürlichen Treibhauseffekt der Atmosphäre nur um 1% bis 2% beeinflussen. Da das Klimasystem selbst hoch variabel ist, bedeutet diese Geringfügigkeit eine sehr hohe Barriere für die sichere Projektion der Konsequenzen menschlichen Einflusses.
Eine zweite Herausforderung des „Wissens“ über das zukünftige Klima ist das heute noch geringe Verständnis hinsichtlich der Ozeane. Die Ozeane, die sich im Zeitmaßstab von Jahrzehnten und Jahrhunderten ändern, enthalten den größten Teil der Wärme des Klimas und beeinflussen die Atmosphäre sehr stark. Unglücklicherweise sind präzise und umfassende Beobachtungen der Ozeane nur für die letzten paar Jahrzehnte verfügbar; die zuverlässige Aufzeichnung ist immer noch viel zu kurz, um angemessen zu verstehen, wie sich die Ozeane ändern werden und wie dies das Klima beeinflussen wird.
Eine dritte fundamentale Herausforderung stellen die Rückkopplungen dar, die die Reaktion des Klimas auf menschliche und natürliche Einflüsse dramatisch vergrößern oder abschwächen. Eine wichtige Rückkopplung, von der man glaubt, dass sie den direkten Erwärmungseffekt von Kohlendioxid in etwa verdoppelt, besteht zwischen Wasserdampf, Wolken und Temperatur.
Aber Rückkopplungen sind unsicher. Sie hängen ab von den Details bei Prozessen wie Verdunstung und Strahlungsfluss durch die Wolken. Sie können nicht sicher bestimmt werden aus den grundlegenden physikalischen und chemischen Gesetzen. Also müssen sie verifiziert werden durch präzise, detaillierte Beobachtungen, die in vielen Fällen noch gar nicht verfügbar sind.
Über diese Beobachtungs-Herausforderungen hinaus gehen die Herausforderungen durch die komplexen Computer-Modelle, die verwendet werden, um das zukünftige Klima zu projizieren. Diese massiven Programme versuchen, die Dynamik und Wechselwirkungen der verschiedenen Komponenten des Systems Erde zu beschreiben – die Atmosphäre, die Ozeane, das Festland, das Eis und die Biosphäre. Während einige Bereiche der Modelle auf gut getesteten physikalischen Gesetzen basieren, beruhen andere auf Schätzungen. Die Modellierung komplexer Systeme mit Computern ist Wissenschaft genauso wie Kunst.
Zum Beispiel beschreiben die globalen Klimamodelle die Erde mittels eines Netzes, das gegenwärtig begrenzt ist durch die Möglichkeiten der Computer. Es hat eine Auflösung, die nicht kleiner als 60 Meilen [ca. knapp 100 km] ist. (So wird beispielsweise die Entfernung von New York City nach Washington D.C. lediglich durch vier Gitterquadrate abgedeckt). Aber Prozesse wie Wolkenbildung, Turbulenz und Regen ereignen sich in viel kleinerem Maßstab. Diese kritischen Prozesse erscheinen dann im Modell lediglich durch adjustierbare Hypothesen, die zum Beispiel spezifizieren, wie die mittlere Wolkenbedeckung abhängt von der mittleren Temperatur und Feuchtigkeit in dem Gitterquadrat. In einem gegebenen Modell müssen Dutzende solcher Hypothesen adjustiert (im Jargon der Modellierer „frisiert“ [tuned]) werden, um sowohl die gegenwärtigen Beobachtungen als auch ungenügend bekannte historische Aufzeichnungen zu reproduzieren.
Wir hören oft von einem „wissenschaftlichen Konsens“ über die Klimaänderung. Aber so weit es die Computermodelle betrifft, gibt es keinen brauchbaren Konsens auf der Ebene detaillierter Relevanz zur Bestimmung des menschlichen Einflusses. Seit 1990 hat das IPCC periodisch den Zustand der Klimawissenschaft überwacht. Jeder sukzessive Bericht dieser Institution mit Beiträgen von tausenden Wissenschaftlern aus der ganzen Welt wird als eine definitive Zustandsbeschreibung der Klimawissenschaft zum Zeitpunkt der Herausgabe angesehen.
Es gibt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nur wenig Zweifel daran, dass kontinuierlich zunehmende Treibhausgase in der Atmosphäre, hauptsächlich durch CO2-Emissionen durch den konventionellen Verbrauch fossiler Treibstoffe, das Klima beeinflussen.(Anmerkung der Redaktion: Nur leider nirgendwo messbar)
Im jüngsten IPCC-Bericht (September 2013) verwendet die Arbeitsgruppe 1, die sich auf physikalische Wissenschaft konzentriert, ein Ensemble von 55 verschiedenen Modellen. Obwohl die meisten dieser Modelle frisiert wurden, um den Großteil der Klimaereignisse auf der Erde zu reproduzieren, zeigen sie markante Unterschiede in ihren Einzelheiten und Projektionen. Dies reflektiert all die Grenzen, die ich aufgezeigt habe. Beispiele:
• Die Modelle unterscheiden sich in ihren Beschreibungen der globalen mittleren Temperatur im vorigen Jahrhundert bis zu drei mal so stark wie die gesamte Erwärmung in jener Zeit. Solche Diskrepanzen zeigen sich auch in vielen anderen grundlegenden Klimafaktoren einschließlich der Regenmenge, welche fundamental hinsichtlich der Energiebilanz der Atmosphäre ist. Als Ergebnis liefern die Modelle stark variierende Beschreibungen der inneren Prozesse des Klimas. Da sie so stark divergieren, kann nicht mehr als eines richtig sein.
• Obwohl die mittlere Temperatur der Erde im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts um ca. 0,5°C gestiegen ist, ist sie während der letzten 16 Jahre erheblich langsamer gestiegen, (Anmerkung der Redaktion: Diese Aussage teilen wir nicht, sie ist überhaupt nicht gestiegen) obwohl der menschliche Beitrag zum atmosphärischen CO2-Gehalt um etwa 25% zugenommen hat. (Anmerkung der Redaktion: Diese Aussage teilen wir nicht, auch das ist reine Vermutung) Diese überraschende Tatsache zeigt direkt, dass natürliche Einflüsse und Variabilität stark genug sind, um um die durch menschliche Aktivitäten ausgelöste Erwärmung zu kompensieren.
Und doch zeigt sich in keinem Modell diese Verlangsamung des Temperaturanstiegs. Viele Dutzend verschiedene Erklärungen für dieses Scheitern wurden präsentiert, wobei die ozeanische Variabilität höchstwahrscheinlich eine wesentliche Rolle spielt. Aber der gesamte Vorgang beleuchtet weiterhin die Grenzen unserer Modellierung.
• Die Modelle beschreiben grob den Rückgang des arktischen Eises, der während der letzten beiden Jahrzehnte beobachtet worden ist. Aber sie beschreiben in keiner Weise die immer größer werdende Ausdehnung des Eises um die Antarktis, die momentan einen neuen Rekord erreicht hat.
• Die Modelle sagen voraus, dass die untere Atmosphäre in den Tropen vieles der Wärme aus der atmosphärischen Erwärmung absorbieren wird. Aber dieser „Hot Spot“ wurde bislang nicht beobachtet. Dies weckt Zweifel an unserem Verständnis der grundlegenden Rückkopplung des Wasserdampfes auf die Temperatur.
• Obwohl der menschliche Einfluss auf das Klima in der Vergangenheit viel geringer war, tragen die Modelle nicht der Tatsache Rechnung, dass die Rate des globalen Anstiegs des Meeresspiegels vor 70 Jahren genauso hoch lag wie heute – etwa 30 cm pro Jahrhundert.
• Eine grundlegende Maßzahl unserer Kenntnisse über Rückkopplungen ist die Klimasensitivität, das heißt die durch eine hypothetische Verdoppelung des CO2-Gehaltes auftretende Erwärmung. Die derzeitige Schätzung [best estimate] der Sensitivität (zwischen 1,5°C und 4,0°C) unterscheidet sich nicht von und ist auch nicht besser als die Schätzung vor 30 Jahren. Und dies trotz heroischer Forschungsanstrengungen zu Kosten von Milliarden Dollar.
Diese und viele andere offene Fragen werden tatsächlich in den IPCC-Berichten beschrieben, obwohl eine detaillierte und sachkundige Lesart manchmal erforderlich ist, um sie zu erkennen. Dies sind keine „unwesentlichen“ Dinge, die durch weitere Forschungen „ausgeräumt“ werden können. Vielmehr handelt es sich dabei um Defizite, die das Vertrauen in die Computer-Projektionen untergraben. Arbeit zur Lösung dieser Defizite in den Klimamodellen sollte oberste Priorität für die Klimaforschung haben.
Die offizielle Lektüre von lediglich der „Summary for Policymakers“ würde das Ausmaß oder die Implikationen dieser Defizite kaum vermitteln. Das sind fundamentale Herausforderungen für unser Verständnis des menschlichen Einflusses auf das Klima, und sie wollten nicht mit dem Mantra beiseite geschoben werden, dass die „Klimawissenschaft settled ist“.
Zwar gab es während der letzten beiden Jahrzehnte gewisse Fortschritte in der Klimawissenschaft, doch ist dieser Bereich längst noch nicht ausgereift genug, um die schwierigen und wichtigen Fragen daraus brauchbar zu beantworten. Dieser ausgesprochen unsettled Zustand beleuchtet, was offensichtlich sein sollte: Das Verständnis des Klimas auf einem Niveau, das relevant zur Abschätzung des menschlichen Einflusses ist, ist ein sehr, sehr schwieriges Problem.
Wir können und sollten Schritte unternehmen, um die Klimaprojektionen mit der Zeit brauchbarer zu machen. Ein internationales Engagement für ein globales nachhaltiges Klima-Beobachtungssystem würde eine immer länger werdende Reihe präziser Beobachtungen zeitigen. Und immer bessere Computer können die Unsicherheiten in unseren Modellen verständlicher machen, und kleinere Gitterpunkts-Abstände und bessere Beschreibungen der Prozesse innerhalb dieser Modelle ebenso. Die Wissenschaft ist dringlich, da es uns auf dem linken Fuß erwischen würde, falls unser Verständnis nicht schneller zunimmt als sich das Klima selbst ändert.
Eine transparente Genauigkeit wäre ebenfalls eine willkommene Entwicklung, vor allem hinsichtlich der momentanen Politik und der politischen Entscheidungen. Dies könnte unterstützt werden durch regelmäßige unabhängige „Red Team“-Begutachtungen [?] mittels eines Stress-Tests und einer Infragestellung der Projektionen, indem man sich auf ihre Defizite und Unsicherheiten konzentriert; das würde mit Sicherheit am besten der wissenschaftlichen Methode folgen. Aber weil sich das natürliche Klima über Jahrzehnte ändert, wird es viele Jahre dauern, bis die benötigten Daten vorliegen, um die menschlichen Einflüsse zuverlässig zu isolieren und zu quantifizieren.
Politiker und die Öffentlichkeit könnten sich die Bequemlichkeit der Sicherheit in ihrer Klimawissenschaft wünschen. Aber ich fürchte, dass die rigide verkündete Behauptung, dass die Klimawissenschaft „settled“ (oder ein „Schwindel“) ist, den wissenschaftlichen Forscherdrang erniedrigt und abkühlt, was hinderlich für Fortschritte in diesen wichtigen Bereichen ist. Unsicherheit ist ein primärer Beweggrund für Wissenschaft und muss direkt angegangen werden. Dies sollte nicht auf Unterhaltungen in stillen Nebenräumen auf akademischen Konferenzen beschränkt sein.
Die Gesellschaft muss sich während der kommenden Jahre notwendigerweise auf das unsichere Wissen bzgl. des zukünftigen Klimas konzentrieren. Die Unsicherheit sollte keine Entschuldigung für Untätigkeit sein. Es ist sehr gerechtfertigt, die Entwicklung von Technologien mit geringen Emissionen und kosteneffektive Maßnahmen zur Energieeffizienz zu beschleunigen.
Aber Klima-Strategien, die über solche Bemühungen hinausgehen, verursachen Kosten, Risiken und Fragen hinsichtlich der Effektivität. Darum finden hier unvermeidlich wissenschaftsfremde Faktoren Eingang in die Entscheidungen. Darunter sind die Duldung von Risiken und die Prioritäten der wirtschaftlichen Entwicklung, Verringerung der Armut, Umweltschutz und Gleichheit geographisch und zwischen den Generationen.
Einzelpersonen und Länder können ganz legitim über diese Dinge unterschiedlicher Meinung sein, und darum sollte sich die Diskussion nicht um „Glauben“ oder „Leugnung“ der Wissenschaft drehen. Trotz der Statements zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften kann die wissenschaftliche Gemeinschaft nicht irgendwelche besonderen Erfahrungen für sich in Anspruch nehmen, Themen anzusprechen, die in Beziehung stehen zu den grundlegendsten Zielen und Werten der Menschheit.
Jede seriöse Diskussion über das sich ändernde Klima muss beginnen mit der Anerkennung nicht nur der wissenschaftlichen Sicherheiten, sondern auch der Unsicherheiten, vor allem bei Projektionen der Zukunft. Das Erkennen jener Grenzen anstatt sie zu ignorieren wird zu einer saubereren und ultimativ produktiveren Diskussion der Klimaänderung und der Klimapolitik führen. Es anders zu machen wäre ein gewaltiger Bärendienst, den man der Wissenschaft erweisen würde.
Dr. Koonin war Unterstaatssekretär im Energieministerium während Präsident Obamas erster Amtszeit. Gegenwärtig ist er Direktor des Center for Urban Science and Progress an der New York University. Unter seinen früheren Posten waren Professor für theoretische Physik und Leiter bei Caltech ebenso wie leitender Wissenschaftler von BP, BP.LN -0.86%, wo sich seine Arbeit auf erneuerbare und Low-Carbon-Technologien konzentrierte.
Link: http://online.wsj.com/articles/climate-science-is-not-settled-1411143565
Übersetzt von Chris Frey EIKE

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken