von Rüdiger Stobbe
Das Factsheet zur 19. Analysewoche belegt eine erhebliche Zunahme der regenerativen Stromerzeugung gegenüber der Vorwoche. Der regenerative Anteil am Bedarf stieg von 35,6 auf 55,2 Prozent. Es war wieder vor allem PV-Strom, der einen erheblichen Anteil daran hatte. Auch die Windstromerzeugung zog von Dienstag bis Samstag an. Ebenfalls über die Mittagszeit. Das brachte einen regenerativen Schub. Was zur Folge hatte, dass der Preis regelrecht einbrach. Mal mehr, mal weniger. Aber jeden Tag außer am Montag. Was die Betreiber der Regenerativen wenig tangiert. Denn sie bekommen in jedem Fall den im EEG festgelegten Vergütungssatz bis Juni 2022 noch aus der EEG-Umlage, danach aus Steuermitteln, die faktisch auch vom Stromkunden finanziert werden. Liegt der Preis über diesem Satz, ist der Gewinn der Betreiber entsprechend höher. Die dann nicht benötigte EEG-Umlage wurde und wird angesammelt und beträgt aktuell etwa 15 Milliarden €. Geld, das den Stromkunden mit der Stromrechnung regelmäßig ´abgehalten` wird, diesen also eigentlich gehört. Ob der Stromkunde in Form einer Rückerstattung jemals etwas davon wiedersieht, steht nicht nur in den Sternen, es ist mehr als zweifelshaft. Ganz sicher ist, dass der Strompreis, obwohl die EEG-Umlage zum 1.7.2022 auf der Stromrechnung wegfällt, steigen wird. Eben nur etwas abgemildert. Denn der Strompreis liegt im Jahresschnitt 2022 (bis 15.5.2022) bei gerundeten 0,184; 2021 bei 0,051; 2020 bei 0,024 €/kWh. Es ist leicht vorstellbar, dass der Preisvorteil ´Wegfall EEG-Umlage`(2022 = 0,03723 €) von den anstehenden Preissteigerungen locker ausgebremst wird.
Die konventionellen Stromerzeuger halten sich bei der Schließung der täglich entstehenden Strom-Versorgungslücken wie bereits im vergangenen Jahr ab Mai zurück. Grund ist die Tatsache, dass es wohl viel teurer ist, zusätzliche Kraftwerke hochzufahren, um die Lücken vormittags und zum Abend zu schließen und dann – es kann nicht so schnell zurückgefahren werden – über Mittag viel zu viel Strom zu produzieren, der womöglich mit Bonus verschenkt werden muss, als den Stromkunden einfach direkt den hohen Strom-Importpreis zahlen zu lassen. Den erhalten alle deutschen Kraftwerksbetreiber auch für ihre Stromerzeugung. Ein gutes Geschäft. Für alle Beteiligten. Alle? Nein: Der Stromkunde zahlt. Alles. Komplett.
Detailanalyse
Bei der Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und dem daraus generierten Chart handelt es sich um Werte der Nettostromerzeugung, den „Strom, der aus der Steckdose kommt“, wie auf der Website der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Nutzen Sie den höchst empfehlenswerten virtuellen Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.). Ebenso wie den bewährten Energierechner.
Schauen Sie sich an, wie sich eine angenommene Verdoppelung (Original-Excel-Tabelle) bzw. Verdreifachung (Original-Excel-Tabelle) des Wind- und PV-Stroms auswirken würde. Beachten Sie bitte, dass der Strom bei entsprechender Kennzeichnung im Chart (=1) oft eben nur im Tagesdurchschnitt ausreicht. Das ist immer vor allem dann der Fall, wenn, wie an allen Tagen der 18. Kalenderwoche, die PV-Stromerzeugung stark bei gleichzeitig schwacher Windstromerzeugung ist. Da würde Strom zur Deckung des Bedarfs in Zeiträumen fehlen, an denen nur (schwacher) Windstrom zur Verfügung steht. Insbesondere des Nachts. Auch bei einer Verdoppelung oder Verdreifachung würde es nicht reichen. In der Vergangenheit war, aktuell ist die regenerative Stromerzeugung zur kompletten Bedarfsdeckung „Strom in Deutschland“ praktisch immer unzureichend. Dieser Chart belegt den Sachverhalt eindrucksvoll. Man erkennt darüber hinaus, dass zum Beispiel knapp 50 Prozent regenerative Stromerzeugung im Jahr 2020 eben auch nur ein Durchschnittswert ist. In der Jahresübersicht 2020 zum Beispiel schwankt der Tageswert regenerative Erzeugung zwischen 16,6 Prozent am 10. Dezember 2020 und 92,2 Prozent am 16. Februar 2020.
Die Charts mit den Jahres– und Wochen Im-/Exportzahlen sowie der Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz sind sehr erhellend. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft. Sehr bemerkenswert ist auch der Bericht des ZDF zum aktuellen Windkraftausbau, welcher in der Reihe ZOOM+ gezeigt wurde. Dass die Energiewende faktisch gescheitert ist, veranschaulicht Prof. Fritz Vahrenholt in seinem aktuellen Vortrag beim „Berliner Kreis in der Union“.
Lesenswert ist auch der aktuelle Artikel der Enexion Kolumne zur Energiewende: Energiewende & Wärmepumpe, E-Mobilität – Mit welchem Strom? Mit welchem Nutzen?
Die Werte des bisherigen Jahres 2022 belegen, dass die Energiewende kaum in den angestrebten Zeiträumen gelingen wird. Trotz weiteren Zubaus von Windkraft- und PV-Anlagen liegt die regenerative Stromerzeugung immer noch bei nur gut 50 Prozent. Auch im Bereich CO2 hat sich seit 2019 kaum etwas getan, wenn man vom ersten Corona-Jahr 2020 absieht. Da stellt sich auch die Frage, ob die deutsche Bevölkerung in der Mehrheit so leben wollen wie im Jahr 2020, dem Jahr mit wenig CO2-Ausstoß.
Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche 2016 in der jeweiligen Tagesanalyse unten. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vor allem auch die Im- und Exportwerte. Falls Sie die Agora-Handelstag vermissen: Bitte die verlinkte Agora-Chartmatrix aufrufen. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysewerkzeug stromdaten.info ein sehr mächtiges Instrument, welches mit dem Tool „Fakten zur Energiewende“ nochmals erweitert wurde.
Wichtige Info zu den Charts: In den Charts von Stromdateninfo ist Solarstrom gelb markiert und immer oben, oft auch über der Bedarfslinie. Das bedeutet aber nicht, dass dies der Strom ist, der exportiert wird. Im Gegenteil. Wegen des Einspeisevorrangs wird dieser Strom, genau wie anderer regenerativ erzeugter Strom, bevorzugt in das Netz eingespeist. Zum Export bleibt praktisch nur konventionell erzeugter Strom übrig, der immer allein aus Netzstabilisierungsgründen benötigt wird. Gleiches gilt für zusätzliche Stromsenken, umgangssprachlich Stromverbraucher genannt. Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge zum Beispiel erhöhen den Bedarf erheblich, so sie denn im geplanten Umfang realisiert werden sollten.
Dieser Strom wird aber durchaus nicht regenerativ gedeckt. Die Sonne scheint nicht mehr und länger, der Wind weht nicht stärker, nur weil zusätzlicher Strom benötigt wird. Deshalb wird der zusätzlich benötigte Strom immer zusätzlich konventionell erzeugt. Jedenfalls so lange, bis der „massive Ausbau“ der „Erneuerbaren“ plus Speicher realisiert wurde und 100 Prozent grüner Strom nicht nur im Durchschnitt, sondern auch tatsächlich zur Verfügung steht, wenn er benötigt wird.
Tagesanalysen
Montag, 9.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 46,71 Prozent, davon Windstrom 8,68 Prozent, PV-Strom 25,27 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,65 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Der Montag zeichnet sich noch durch geringe Windstromerzeugung aus. Zwei große Strom-Versorgungslücken werden – wie fast jeden Tag dieser Woche – mit hochpreisigem Importstrom geschlossen. Überschüssiger Strom, insbesondere über die Mittagsspitze, wird wesentlich billiger von Deutschland abgegeben. Bei dem geplanten Ausbau der PV-Stromerzeugung wird sich das Problem verschärfen. Da praktisch keine Speicher zur Verfügung stehen und absehbar auch nicht zur Verfügung stehen werden, wird der dann in großen Mengen überschüssige Strom verschenkt oder gar mit Bonus abgegeben werden. Die Konventionellen fahren über die Mittagsspitze die Erzeugung herunter. Eine Mindesterzeugung konventionell ist allerdings notwendig, damit das Stromnetz stabil bleibt. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 9. Mai ab 2016.
Dienstag, 10.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 55,76 Prozent, davon Windstrom 24,74 Prozent, PV-Strom 19,48 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,54 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Die Windstromerzeugung zieht an. Die Stromüberproduktion über Mittag wird wesentlich billiger abgegeben als der Importstrom eingekauft wird. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 10. Mai ab 2016.
Mittwoch, 11.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 62,97 Prozent, davon Windstrom 31,31 Prozent, PV-Strom 20,58 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,08 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Über Mittag ist heute die Windstromerzeugung besonders stark. Es ist zu viel Strom im Markt. Der Preis bricht Richtung 0€/MWh ein. Der Import allerdings kostet weit über 200€/MWh. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 11. Mai ab 2016.
Donnerstag, 12.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 64,69 Prozent, davon Windstrom 32,88 Prozent, PV-Strom 20,50 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,31 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Heute liegt die Windstromerzeugung schwerpunktmäßig am Vormittag. Deshalb heute in dieser Zeit keine Strom-Versorgungslücke. Der Preis fällt wieder massiv über die Mittagszeit. Allerdings nicht so stark wie gestern. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 12. Mai ab 2016.
Freitag, 13.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 62,63 Prozent, davon Windstrom 32,61 Prozent, PV-Strom 17,86 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,17 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Zur Windspitze über Mittag gesellt sich heute ein starker Windbuckel. Der Preis bricht wieder ein. V0n 0:00 bis 10:00 Uhr und ab 18:00 Uhr importiert Deutschland fehlenden Strom. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 13. Mai ab 2016.
Samstag, 14.5.2022: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 64,56 Prozent, davon Windstrom 24,43 Prozent, PV-Strom 26,22 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,92 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Über Mittag lässt die Windstromerzeugung nach. Doch der Bedarf ist gering. Die Konventionellen senken zusätzlich die Erzeugung. Der Preis fällt dennoch unter 10€/MWh. Zum Abend fahren die Konventionellen die Erzeugung wieder hoch. Doch es reicht nicht, um die Lücke zu schließen. Windstrom bleibt weiterhin aus. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für die Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 14. Mai ab 2016.
Sonntag, 15.5.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 59,70 Prozent, davon Windstrom 10,71 Prozent, PV-Strom 32,97 Prozent Strom Biomasse/Wasserkraft 16,02 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung ist die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix mit Handelstag „Strom-Import/Export“.
Sonntag, der Bedarf ist gering, die Windstromerzeugung fällt über Tag noch mal ab. Wieder ist viel Importstrom nötig. Der Preis fällt nicht so stark. Das Preisniveau ist insgesamt geringer als an den Tagen zuvor. Die Im- und Exportwerte Deutschlands und die von Deutschlands Nachbarn können hier analysiert werden.
Belege für die Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 15. Mai ab 2016.
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Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über sechs Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.
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