Teil I Methoden

Vorbemerkung

Die Zeitreihen der Meßgrößen Temperatur und Anzahl der Sonnenstunden weisen ab den 1990er Jahren einen Anstieg auf, der über dem Mittel des Anstiegs dieser Größen von Aufzeichnungsbeginn bis Aufzeichnungsende liegt. Die Autoren Kowatsch,J. und Baritz,M. [1] haben den Beginn des Anstiegs der Temperatur auf das Jahr 1988 gelegt. Es sind jedoch keine Kriterien für diese Festlegung angegeben. In Diskussionen wurde das Fehlen der Angabe von Kriterien kritisiert. Im Folgenden werden Kriterien vorgestellt, die die Frage beantworten, wann ein Anstieg einer Zeitreihe beginnt. Dazu werden Funktionen der Kriterien über den Zeitreihen ermittelt.

Zerlegung von Zeitreihen

Bild 1 zeigt die Zeitreihe der an der Station Frankfurt/Main gemessenen jährlichen Sonnenstunden. Es ist ersichtlich, dass gegen Ende der Zeitreihe ein größerer Anstieg der Regressionsgeraden zu erwarten ist als über weite Teile des Verlaufs. Es ist nun die Frage zu beantworten, wo dieser Anstieg beginnt. Zu diesem Zweck wird die Zeitreihe in zwei Regressionsgeraden zerlegt, die miteinander verglichen werden. Nach den folgenden Kriterien wurden alle geeigneten Zeitreihen der Meßstationen für die Anzahl der Sonnenstunden und der Temperatur mit der Methode der fortschreitenden Regression untersucht.

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Bild 1 Zeitreihe jährliche Sonnenstunden gemessen an der Station Frankfurt/Main

Methode der fortschreitenden Regression

Eine Zeitreihe enthalte n Meßwerte. Wird die Zeitreihe wird an einer Stelle t geteilt, ergeben sich zwei Teile mit nl Werten links von t und nr Werten rechts von t . Es gilt

n = nl + nr + 1.

Die Teilstelle t wandert schrittweise von links nach rechts. Da die Regressionsgeraden am Beginn und Ende der Zeitreihen aus mindesten drei Werten bestehen müssen, werden Start- und Endgeraden mit der Anzahl von nl0 und nr0 Werten für den Beginn und Ende der Regression festgelegt. Für die erste linke Regressionsgerade gilt somit nl = nl0. Die erste rechte Gerade beginnt mit dem Wert der Stelle nl0 – 1. Das rührt daher, dass der Endwert der linken Geraden und Anfangswert der rechten Geraden derselbe Wert sein sollen. Daraus ergibt sich die Anzahl der zu berechneten Regressionsgeraden zu

Z = 2 (n nl0 nr0 + 2)

Beispiel:

Bild 2 zeigt den Startpunkt der fortschreitenden Regression am Beispiel der Meßreihe Frankfurt/Main für die Anzahl der Sonnenstunden. Es liegen 73 Meßwerte vor. Die Anzahl der Start- und Endwerte werden mit nl0 = 5 und nr0 = 5 festgelegt. Es müssen somit Z = 2 (73 – 5 – 5 + 2), Z = 130 Regressionsgeraden berechnet werden.

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Bild 2 Startpunkt der fortschreitenden Regression für die Sonnenstunden Frankfurt/Main

Beurteilungskriterien

Kriterium Maximaler Sprung

Wie an der Teilungsstelle in Bild 2 zu erkennen ist, stoßen die beiden Regressionsgeraden nicht in einem Punkt zusammen, es liegt ein Sprung vor. Dieser Sprung wird in [1] als Kriterium für den beginnenden Anstieg angenommen. In Bild 3 ist der Sprung zwischen den beiden Regressionsgeraden an der Stelle 1988 dargestellt. Da für die gesamte Zeitreihe die Sprünge berechnet sind, können diese über den Jahren aufgetragen werden und der maximale Sprung in positiver als auch in negativer Richtung ermittelt werden.

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Bild 3 Sprung an der Teilungsstelle 1988 der Zeitreihe der Sonnenstunden

Kriterium Minimale Summe der Fehlerquadrate

Eine Regressionsfunktion wird üblicherweise dadurch ermittelt, dass die Summe der Quadrate der Abweichungen (SQA) zu den Meßpunkten minimal sein soll. Im Fall der geteilten Regressionsfunktion (hier in die beiden Geraden links und rechts der Teilungsstelle) soll eine gemeinsame Summe SQA gesamt nach

SQA gesamt = (SQA links + SQA rechts) / n

gebildet werden, wobei die Summe noch durch die Anzahl der Meßpunkte der Zeitreihe geteilt wird. Bei Anwendung dieses Kriteriums liegen die beiden am besten an die Meßpunkte angepassten Geraden vor. Wie sich jedoch bei der Auswertung der in Tabelle 1 zusammengefassten Zeitreihen gezeigt hat, muss die minimale Fehlerquadratsumme nicht mit dem Anstiegsbeginn übereinstimmen.

Kriterium Anstiegsbeginn

Gemäß der Fragestellung „Wann beginnt der maßgebliche Anstieg einer Zeitreihe“ erscheint es logisch, ein Kriterium zu verwenden, mit dessen Hilfe auch der Anstieg ermittelt werden kann. Um das Jahr des Anstiegsbeginns feststellen zu können, wird der Anstieg der rechten Regressionsgeraden

yr = a0r + a1r x

mit y als Meßgröße (Sonnenstunden, Temperatur) und x als Jahr der Messung, berechnet. Der Faktor a1r stellt den Anstieg der rechten Regressionsgeraden dar. Dieses Kriterium ist von den drei Möglichkeiten jenes, dass die Fragestellung beantwortet.

Beispiel: Zeitreihe Frankfurt /Main

Die in Bild 1 abgebildete Zeitreihe wird nach den drei o.g. Kriterien untersucht. Die Messung erstreckt sich über den Zeitraum 1950 bis 2022. Die Zeitreihe umfasst 73 Meßwerte.

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Bild 4 Sprung der Anzahl der jährlichen Sonnenstunden

Als Startpunkt der fortschreitenden Regression wird der Meßwert des Jahres 1954 gewählt. Die linke Regressionsgerade wird aus den Werten 1950 bis 1954 berechnet. Die rechte Regressionsgerade beginnt 1954 und endet 2022. Im zweiten Schritt enthält die linke Gerade die Werte von 1950 bis 1955, die rechte Gerade die Werte 1955 bis 2022 usw. In den folgenden Bildern sind die Ergebnisse der Berechnungen nach den drei o.g. Kriterien dargestellt.

Bild 4 zeigt den Sprungverlauf an der Trenn- bzw. Berührungsstelle der beiden Regressionsgeraden. Es gibt Sprünge in Richtung Vergrößerung der Anzahl der Sonnenstunden oder der Verminderung von deren Anzahl. Der maximale Sprung bezüglich der Erhöhung der Anzahl fällt auf das Jahr 1988. An den Rändern des Verlaufs treten Einschwingerscheinungen auf, da die Regressionsfunktionen an Anfang und Ende der Zeitreihe sehr kurz sind. Das gilt auch für die Darstellung in Bild 5 und Bild 6.

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Bild 5 Verlauf der Summe der Fehlerquadrate SQA ges

Etwas ungewöhnlich ist für die Station Frankfurt/Main der Verlauf der Summe der Fehlerquadrate SQA gesamt nach Bild 5. Das Minimum liegt hier bei 2012. In der Regel liegt dieses bei den größten Sprüngen – entweder in der positiven oder auch in der negativen Richtung.

In Bild 6 sind die beiden Anstiegsfunktionen, also die Werte des Anstiegs der linken und rechten Regressionsgeraden dargestellt. Von Interesse ist der Anstieg a1r der rechten Regressionsgeraden. Dieser sagt aus, wann der Anstieg der betrachteten Größe, hier der Anzahl der Sonnenstunden, beginnt. Wie in Bild 6 ersichtlich ist, steigt die Anzahl der jährlichen Sonnenstunden ab dem Jahr 2002 steil an. Ab 1988 beginnt eine Abweichung der bis dahin fast parallel zur Zeitachse verlaufenden Anstiegsfunktion. Der Anstiegsbeginn wird nach diesem Bild mit dem Jahr 2002 festgelegt.

Vergleicht man die Anstiegsfunktion mit der Sprungfunktion ist ersichtlich, dass auch für 2002 ein größerer Sprung vorliegt, der jedoch nicht das Maximum darstellt.

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Bild 6 Verläufe des Anstiegs der linken und rechten Regressionsgeraden

In Bild 7 sind die Regressionsgeraden mit den Teilungspunkten 1988 und 2002 zusammen mit dem Konfidenzintervall der 2002 beginnenden Geraden dargestellt.

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Bild 7 Vergleich der Regressionsgeraden mit den Teilungspunkten 1988 und 2002

Naturgemäß ist der Anstieg der 2002 beginnenden Geraden steiler. Allerdings liegt auch die 1988 beginnende Gerade im Konfidenzintervall, so daß kein signifikanter Unterschied besteht.

Zusammenfassung

Ausgehend von Artikeln zur Temperaturentwicklung in Deutschland, die das Jahr 1988 als Beginn des Temperaturanstiegs festlegen, aber keine belastbaren Kriterien dafür angeben, wird hier der Versuch unternommen, Kriterien für den Startpunkt zu formulieren. Es erscheint logisch, für die Beurteilung des Anstiegs diesen auch zu berechnen und nicht über den Behelf der Abweichung zweier Geraden in einem Punkt (Sprung) den Beginn des Anstiegs festzulegen. Das Beispiel Frankfurt/Main belegt das deutlich.

In Teil II wird die Auswertung der verfügbaren Zeitreihen der DWD-Stationen bezüglich Sonnenstunden und Temperatur vorgestellt.

Teil II Auswertung Bundesländer

Nachdem in Teil I die Methoden beschrieben wurden, beinhaltet Teil II die Auswertung der verfügbaren Zeitreihen für das Verhalten der Sonnenstunden und der Temperatur. Es wurden bezüglich der Temperatur nur die Stationen berücksichtigt, für die auch Zeitreihen der gemessenen Sonnenstunden vorliegen, um einen Vergleich zu ermöglichen (einige Temperaturzeitreihen wurden allerdings zusätzlich aufgenommen). In Tabelle 1 ist die Anzahl der Zeitreihen zusammengestellt, die von den Meßstationen der Bundesländer für den hier genannten Zweck auswertbar sind. Als auswertbar sind solche Zeitreihen zu werten, die eine genügend große Anzahl von Meßwerten (ca. größer. 40) und deutlich über das Jahr 2000 reichen. Meist also bis 2022.

Bundesland Sonnen- Temperatur
stunden
Baden-Württemberg 24 31
Bayern 33 19
Brandenburg 9 14
Bremen/Hamburg 3 4
Hessen 16 12
Mecklenburg-Vorpommern 5 13
Niedersachsen 15 14
Nordrhein-Westfalen 11 11
Rheinland-Pfalz 8 14
Saarland 2 2
Sachsen 5 14
Sachsen-Anhalt 7 7
Schleswig-Holstein 8 7
Thüringen 8 9
Summe 154 171

Tabelle 1 Anzahl der untersuchten Zeitreihen in den Bundesländern

Die älteste Zeitreihe für Temperaturmessung liegt von der Station Hohenpeißenberg (Bayern) vor und beginnt 1781. Die Aufzeichnung der Sonnenstunden begann 1921 an der Station des Fichtelbergs (Sachsen). In Bild 8 und Bild 9 sind die Häufigkeiten für Sprung, Anstiegsbeginn und Summe der Fehlerquadrate dargestellt. Die Zeitachse ist in diesen Bildern abgeschnitten, da vor 1980 sehr wenige Werte ermittelt wurden Eine Ausnahme bildet die minimale Fehlerquadratsumme. Hier wurden von 1946 bis 1980 60 Werte für die Zeitreihen der Sonnenstunden gezählt. Die Fehlerquadratsumme soll jedoch hier nicht weiter betrachtet werden.

Sonnenstunden

Bei den Sonnenstunden ist das Jahr 2002 dasjenige, bei dem der Anstieg am häufigsten begann (114 Werte), das sind 74 % der untersuchten Zeitreihen. Auch der maximale positive Sprung trat hier mit 42 % am häufigsten auf. Nach 2002 folgt das Jahr 1988, bei dem ebenfalls eine Anhäufung der Werte vorliegt.

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Bild 8 Häufigkeiten von Sprung, Anstiegsbeginn und Summe der Fehlerquadrate für die Anzahl der Sonnenstunden

Temperatur

Bei den Temperaturmessungen ragt das Jahr 1987 heraus. In diesem Jahr wurden der maximale positive Sprung 104-mal (61 %) und die minimale Fehlerquadratsumme 91-mal (52 %) ermittelt. Der Beginn des Anstiegs mit acht Werten spielt in diesem Jahr keine Rolle. Um auf der Zeitachse eine sinnvolle Darstellung zu ermöglichen, wurde diese wie bei der Darstellung der Sonnenstunden vor 1980 abgeschnitten. In den Jahren davor liegen nur sehr wenige Werte für Sprung und Anstiegsbeginn vor (max. 6 Werte). Eine Ausnahme bildet die minimale Fehlerquadratsumme. Hier wurden von 1946 bis 1980   60 Werte für die Messung der Sonnenstunden gezählt.

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Bild 9 Häufigkeiten von Sprung, Anstiegsbeginn und Summe der Fehlerquadrate für die Temperaturentwicklung

In Bild 10 sind die Häufigkeiten des Anstiegsbeginns von Sonnenstunden und Temperatur gemeinsam dargestellt. Das Jahr 2022 ragt beim Verhalten der Sonnenstunden mit 114 Werten deutlich aus der Verteilung heraus. Nun wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass dies auch für das Verhalten der Temperatur zutrifft. Bei dieser Größe verteilt sich jedoch der Anstiegsbeginn auf die Jahre zwischen 1985 und 2003. 1997 ist das Jahr, wo 55 Werte für den beginnenden Anstieg vorliegen.

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Bild 10 Häufigkeiten des Anstiegsbeginns von Sonnenstunden und Temperatur

Zusammenfassung

Angeregt durch Diskussionen zu Artikeln über den Verlauf von Wetterdaten wurden hier drei Kriterien für die Festlegung des Anstiegsbeginns einer Zeitreihe untersucht. Wenn die Frage nach dem Beginn des Anstiegs gestellt ist, ist es logisch, diesen auch, sofern möglich, zu untersuchen. Als Methode ist eine fortschreitende Regressionsanalyse verwendet worden. Dabei wird die Zeitreihe an jedem Meßpunkt (abgesehen von der Start- und Endgeraden) in zwei Regressionsgeraden unterteilt und Anstieg, Sprung und Fehlerquadratsumme beider Geraden ermittelt. Somit erhält man eine Funktion dieser Größen über der gesamten Zeitachse. Die Beurteilung der Größen ist somit für die gesamte Zeitreihe möglich.

Wird das Kriterium des beginnenden Anstiegs angewendet (was aus der Logik folgt), zeigt sich, dass der Anstieg der gemessenen Sonnenstunden deutlich 2002 beginnt. Für den Anstieg der Zeitreihen der Temperatur bildet sich möglicherweise eine glockenförmige Verteilung (eventuell sogar Normalverteilung) um 1997 heraus. Um dieses zu bestätigen, sind jedoch mehr Zeitreihen zu untersuchen.

Verweise

[1] Der Sommer wird in Deutschland erst seit 1988 wärmer!

https://eike-klima-energie.eu/2024/09/11/der-sommer-wird-in-deutschland-erst-seit-1988-waermer/

DWD Wetterstationen Tageswerte

https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/observations_germany/climate/daily/kl/historical/

Voge, K.

Entwicklung der Anzahl der Sonnenstunden

https://eike-klima-energie.eu/2024/10/15/entwicklung-der-anzahl-der-sonnenstunden/

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