Zunächst mag es verwundern, wenn ausgewiesene Spezialisten der Kernkraft ein Buch schreiben, in dessen Titel etwas unfachmännisch von „Atomenergie“ die Rede ist. Die umgangssprachliche Bezeichnung zeigt, dass es im Inhalt um mehr als die Kernkraft geht und dass ein breiterer Leserkreis angesprochen werden soll.
Von Frank Hennig
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Gesamtbild der weltweit einmaligen deutschen Energiewende zu zeichnen. Manfred Haferburg malt ein großes Bild
vieler wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge, Klaus-Dieter Humpich gibt breite Informationen, die einen auf den neuesten Stand der Zukunftsenergie Kernkraft bringt.
Im ersten Teil gibt es Wissen zur Funktionsweise unseres Stromsystems bis hin zu Störungen und zum Blackout. Die große Antriebswelle aus der Anfangszeit der Industrialisierung ist das Sinnbild der Energie liefernden Kraftwerke, die abgehenden Transmissionsriemen spielen die Rolle der Verbraucher mit ihrem wechselnden Bedarf, wenn diese „den Riemen auf die Orgel werfen“ oder das Gegenteil tun.
Im Rückblick beschreibt Manfred Haferburg die ihn prägenden Ereignisse als Oberschichtleiter im Kernkraftwerk Greifswald zu Zeiten der Versorgungskrise zum Jahreswechsel 1978/79. Er beschreibt die dramatischen Ereignisse im Stromnetz der DDR nach dem Schneesturm und wie sein Kernkraftwerk zum letzten Stabilitätsanker im Netz wurde, weil die Energiestrategie aus Mangel an Devisen alles auf die feuchte und damit frostempfindliche heimische Braunkohle setzte.
Im Grunde war diese Winterkatastrophe ein befristeter, unabsichtlicher Kohleausstieg. Den wollen wir nun bald endgültig, ohne dass wie damals Kernkraftwerke dahinterstehen. Heute setzen wir alles auf Wind und Sonne und wundern uns über neue alte Abhängigkeiten von den Naturkräften und auch vom Ausland. Haferburg bleibt nicht beim Thema Energie, sondern zieht den Rahmen weiter. Das ist nötig, um die Ursachen des sich anbahnenden Desasters zu verstehen.
Er thematisiert die Zusammensetzung der Ethikkommission zur Legitimierung des Atomausstiegs und der Kohlekommission zur Legitimierung des Kohleausstiegs und das Fehlen von Naturwissenschaftlern, Netz- und Kraftwerksbetreibern in diesen Gremien. Fachlich ahnungslose SED-Funktionäre damals und bildungsschwache Politiker heute waren und sind ein Problem. Manche können als abgeschlossenes Studium nur jenes einer Speisekarte vorweisen.
Es geht auch um Mauern, die von damals und die heute errichtete Gesinnungsmauer, landläufig Brandmauer genannt. Der Energiewende-Jubeljournalismus wird thematisiert, der oft mit Potemkinschen Energiewende-Dörfern einhergeht. Die vermeintliche Klimaweltrettung von deutschem Boden aus wird entzaubert, krasse Fehlentwicklungen wie das Gebäudeenergiegesetz werden benannt. Mit Unsummen an Gebäudeinvestitionen soll eine Emissionsmenge eingespart werden, die durch den Weiterbetrieb der zuletzt abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke deutlich übertroffen worden wäre.
Natürlich geht es um fehlende Speicher und horrende Kosten, um religiös interpretierte Klimapolitik. Die CO2-Bepreisung wird als wohlstandsvernichtender Faktor benannt, ohne jegliche Wirkung „aufs Klima“. Aber ein Kurswechsel ist unter den herrschenden politischen Verhältnissen kaum möglich, weil dann Fehler eingestanden werden müssten.
Letztendlich ist das Klimaargument vorgeschoben. Die spezifische CO2-Emission der Stromproduktion beträgt in Deutschland 396 Gramm pro Kilowattstunde, in Frankreich 41. Würde es tatsächlich um die Senkung der Emissionen gehen, wäre man bei der Kernkraft geblieben, hätte diese perspektivisch sogar ausgebaut und, wie vom IPCC empfohlen die CO2-Abscheidung weiterentwickelt. Stattdessen wurden topgepflegte Kernkraftwerke zerstört, um den Profiteuren der Energiewende die Einnahmen zu sichern.
Das Framing, wir bräuchten mehr „Erneuerbare“, ist die tägliche Gebetsmühle. Wo gibt es das meiste Geld pro Quadratmeter bei Kauf oder Pacht? Nicht in den Zentren der Großstädte, sondern im Norden auf dem platten Land. Mehrere hunderttausend Euro Pachteinnahmen pro Jahr winken Landwirten, wenn sie ihr Land mit Wind- oder PV-Anlagen zustellen lassen. Sie können die mühsame Arbeit auf dem Acker einstellen und in den neu angeschafften Pool steigen.
Natürlich schreibt Kernkraftwerksexperte Haferburg, der hunderte Anlagen von innen gesehen hat, ausführlich über die Geschichte des deutschen Atomausstiegs. Dieser ist international ohne Beispiel und erst recht ohne Nachahmer. Die Tragödie von Fukushima wird beschrieben, die vor allem in einem extrem starken Seebeben mit folgendem Tsunami bestand. Der GAU durch Kernschmelze in drei Blöcken des Kernkraftwerks war durch eine unzureichende Anlagenauslegung begünstigt und wäre so in Europa nicht möglich gewesen. Und schließlich – man kann es nicht oft genug sagen – war das wegfliegende Dach des Reaktorgebäudes nicht die Folge einer kernphysikalischen Explosion, sondern einer Verpuffung nach Ansammlung von Wasserstoff. Am Ende hat der Tsunami mehr deutsche als japanische Kernkraftwerke zerstört, weil politische Erwägungen zum Machterhalt den möglichst schnellen deutschen Atomausstieg opportun erscheinen ließen.
Um ein vernichtendes Urteil zur Energiewende zu fällen, braucht man kein Windkraftgegner, Kohlefreund oder „Rechter“ zu sein. Es reicht, den betreffenden Bericht des Bundesrechnungshofes zu lesen, der insbesondere ein trübes Bild der künftigen Versorgungssicherheit zeichnet. Haferburg liefert auch den Blick von außen und die Erklärung zu den Phasenschiebertransformatoren an den Grenzen, den elektrischen Stacheldraht, den unsere Nachbarn gegen die deutsche Strominvasion gezogen haben, die ihre Netze zum Schwanken bringt und auch negative Strompreise durch deutsche Dumpingenergie.
Mehr als 20.000 Mitarbeiter in Ministerien schaffen sich immer mehr existenzberechtigende Bürokratie, dennoch werden jährlich 800 Millionen Euro für Beratungsleistungen ausgegeben. Dass die Kosten der Energiewende aus dem Ruder laufen, bestreitet niemand mehr. Wir brauchen zwei Energiesysteme für eine Versorgungsaufgabe, weil das neue System auf Zufallsenergie basiert. Gerade dieses soll uns aber die Zukunft sichern über eine grüne Wasserstoffwirtschaft, die es noch nirgendwo auf der Welt gibt und die die Kosten weiter explodieren lässt. Haferburgs Ausflug in die neue Wasserstoffwelt schafft Ernüchterung.
Das alles führt zum Fazit, dass die deutsche Energiewende ein politischer GAU ist, ein Experiment, vor allem eines an Menschen. Haferburg entzaubert die Argumente der Energiewende-Jubler in den Redaktionsstuben, er beklagt fehlende Bildung und benennt Tölpel und Einfaltspinsel als solche.
Man kann es vielleicht zu pessimistisch finden, denn die verführte Jugend von heute klebt überwiegend nicht auf der Straße, sondern scheint sich traditioneller Werte zu besinnen, wie die Wahlergebnisse im Osten und die Shell-Jugendstudie zeigen. Dennoch wird die eine oder andere grimmige Formulierung fachlich kundigen Lesern gut gefallen und Zustimmung finden, die Energiewendebegeisterten werden das Buch ohnehin nicht zur Hand nehmen. In jedem Fall sind die Ausführungen nachvollziehbar, frei von allzu tiefen technischen Details und allgemein verständlich.
Der zweite Teil des Buches, verfasst von Klaus-Dieter Humpich, bringt zunächst Grundsätzliches zur Energienutzung. Er erläutert, warum bisher die Kohle der König war. Obwohl auch früher schon der Wind keine Rechnung schickte, verdrängten Dampfschiffe die Segler, obwohl die Kohle bezahlt werden musste. Er weist dem Wärmesektor als dem größten Energienachfrager die Bedeutung zu, die er verdient, er beleuchtet die Alternativen und befreit die Geothermie von unbegründeten Sympathien. Und natürlich gibt auch er ausführliche Informationen zur Kernkraftnutzung, auch für die Fernwärme, inklusive der Brennstoffgewinnung und Wiederaufbereitung.
Verschiedenen Strahlungsarten und deren Wirkungen werden erklärt, dies steht einer oft medial irrational verbreiteten Angst entgegen. Der neueste Stand der kernenergetischen Entwicklung (mit Ausnahme der Fusion) ist beschrieben, ebenso wie die Reaktorbauarten bis hin zu künftigen Mikroreaktoren.
Ein ausführliches Nachwort von Professor Elsfeld zieht den Rahmen weiter bis hin zu energiephilosophischen Betrachtungen und der Forderung nach freier Wissenschaft.
Fazit: Ein gelungenes Buch, viele Zusammenhänge sind stringent und nachvollziehbar dargestellt. Wer einen Überblick über das Stadium unserer Energiepolitik haben will und dazu aktuelle Informationen zum Stand der internationalen kerntechnischen Entwicklung, ist hier bestens bedient. Kernenergie ist Zukunfts- und damit Freiheitsenergie. Wer zudem schon heute wissen will, warum die deutschnationale „Energiewende“ scheitern wird, sollte es lesen.
Manfred Haferburg / Klaus-Dieter Humpich, Atomenergie – jetzt aber richtig. Mit einem Nachwort von Michael Esfeld. AchGut Edition, Neuausgabe, Paperback, 240 Seiten, 24,00 €
Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier
So gut wie das Buch sein mag, heute gibt es wichtigere Ereignisse. In den USA ist erstmal Klimakirche für zumindest 4 Jahre abrupt beendet, und in Deutschland die Herrschaft der Grünen über alles zumindest kastriert.
Es gibt auch schöne Tage!
Sicher ein gelungenes Buch das man weiter empfehlen kann und möchte.
Vor allem im Bereich der Menschen, die nur den grünen Teufel Atom aus den grünen MSM kennen und von Alternativen noch nie etwas gehört haben.
Allerdings kann ein Buch noch so gelungen sein, es nur als gedruckte Version an zu bieten schränkt den geringen Kreis der Menschen, die heute überhaupt noch lesen, ganz gewaltig ein.
Ich würde mir viele Bücher, vorgestellt von EIKE, TE und anderen alternativen Medien gern kaufen.
Leider scheitert es daran, dass es keine digitalen Versionen der Bücher gibt.
Und an dieser Stelle ist die rein gedruckte Version für mich wieder ein NoGo.
Grau ist alle Theorie – aber entscheidend ist auf dem Platz. Diese Fußballweisheit ist auch für die Energiepolitik unumgänglich. Heute ändert sich plötzlich die Welt und jeder kennt den Grund. Da möchte ich gerne die aktuellste Info von Dr. Martens auf seinen tkp.at Blog mitteilen, die zunächst überhaupt nicht zum Kernenergiethema hier passt. Aber dann doch wieder! Die Konservativen im kanadischen Alberta haben jetzt beschlossen, das CO2 wäre doch kein Schadstoff, sondern ein Quellstoff des Lebens. Ich „befürchte“ sehr, es werden sich in Nordamerika jetzt noch mehr Konservative melden, die es (überraschend?! -grins) ähnlich sehen. Ich zitiere Martens: „Es gibt nämlich nur drei Dinge die fundamental für alles Leben auf der Erde sind: Sonne, CO2 und Wasser. Sonne und Wasser ist wohl selbst für Politiker und Klimaexperten einsichtig, CO2 benötigt offenbar Erklärung“. Die weitere Ausführungen darf ich mir bei EIKE – gottlob – sparen, will aber sagen: der Geist ist aus der Flasche. Die Nachfrage auf grüne Märchenstunden und apokalyptische Fantasien in der Klimakirche könnte einbrechen. Sogar Deutschland ist nicht mehr frei davon, sich Gedanken über die friedliche Nutzung der Atomenergie zu machen. Man munkelt der Merz fantasiert bereits über abgeschaltete AKWs, die auf Regeneration warten. Und wieder einmal heißt es, nichts ist überflüssiger als der Schnee von gestern. Frischer Schnee ist heute gefallen. Er war in keinem Klimamodell des ÖRR vorgesehen.