von Hans Hofmann-Reinecke

Prometheus hatte einst das Feuer und die Geisteskraft der Götter vom Olymp gestohlen und die Menschheit damit beglückt. Es war der Beginn der Zivilisation. Falsche Gottheiten der heutigen Zeit möchten das rückgängig machen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Die erstaunlichen Finken

Sicherlich haben Sie schon einmal von diesen Raben oder Finken gehört, die mit winzigen Werkzeugen ganz erstaunliche Dinge verrichten. Die schnappen sich einen dünnen Zweig und stochern damit in einem Loch herum, das für den Schnabel selbst zu eng wäre. Vielleicht sitzt da ja ein Wurm drin, der dumm genug ist, sich an dem Stöckchen festzuhalten. Den holt sich der Vogel dann zum Frühstück heraus.

Wieso kann der das? Hat er sich das von anderen abgeschaut? Oder ist das in seinen Erbanlagen vorprogrammiert? Es gäbe noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht saß der Kerl in seinem Nest, hatte Hunger, und sagte sich:

„Hm, so ein fetter Wurm wäre jetzt recht, so wie er sich immer im Stamm von dieser Eiche verkriecht. Aber ich komme in das verdammte Wurmloch mit meinem dicken Schnabel nicht rein. Aber, Moment mal, wenn ich ein dünnes Stöckchen fände und damit dann …“

Diesen letzteren Prozess möchte ich als „geistiges Probehandeln“ bezeichnen. Er ermöglicht uns den Zugang zu Handlungen, auf die wir niemals durch Zufall gestoßen wären. Wir wollen hier nun nicht untersuchen, welche Tiere in welchem Ausmaß zu geistigem Probehandeln in der Lage sind. Stellen wir uns diese Frage lieber im Zusammenhang mit den Menschen.

Feuer und Geist

Zweifelsohne waren unsere Brüder und Schwestern in der Steinzeit dazu in der Lage, denn das Feuermachen mit Flintstein und Zunder erforderte logisches Denken und Kreativität, also geistiges Probehandeln. Die Beherrschung von Feuer und geistigem Probehandeln ist nichts weniger, als die Basis aller Zivilisation.

In der Mythologie wird dieser Meilenstein der Schöpfungsgeschichte durch die Figur des Prometheus verkörpert, dem Helden, der Feuer und Geist vom Olymp geraubt und den irdischen Geschöpfen beschert hatte. Damit hatte er Zeus & Co. deren wichtigste Alleinstellungsmerkmale genommen, und entsprechend hart war die Strafe. Er wurde an einen Felsen gekettet, wo dem nun Wehrlosen täglich seine Leber durch einen Adler entrissen wird. Als Halbgott ist er allerdings unsterblich, und so hat sein Leiden kein Ende.

In den letzten Jahrzehnten hat sich nun eine neue Gattung von Gottheiten entwickelt, denen wir absolut nichts zu verdanken haben, die sich aber auf unsere Kosten ein Leben in Allmacht und in grenzenlosem Wohlstand gönnen. Damit das auch so bleibt, wollen sie uns die Gaben des Prometheus wieder wegnehmen. Sie erklären uns, dass der Gebrauch des Feuers zum Untergang der Welt führe, und sorgen dafür, dass jede Nutzung dieses Geschenks des Prometheus durch eine Strafzahlung – genannt CO2-Zertifikat – geahndet wird. Den Erlös teilen sie sich dann großzügig auf jährlichen Kongressen. Letztes Jahr trafen sich in Dubai immerhin 85.000 solcher Götter, um dort ihren Anteil an Almosen in Empfang zu nehmen.

Ächtet die falschen Gottheiten

Parallel zur Besteuerung des Gebrauchs von Feuer wird ein Verbot des logischen Denkens, des geistigen Probehandelns implementiert. Bei Zuwiderhandlung wird nicht etwa die kritische Argumentation des Denkers in Frage gestellt, sondern der Kritiker selbst wird aus der Gemeinschaft der selbsternannten Guten ausgest0ßen. Er wird nach Kräften benachteiligt, etwa durch willkürliche Verhaftung oder Enteignung. Umgekehrt werden Personen belohnt, deren Ziel es ist, die logischen Abläufe der Zivilisation zu sabotieren. So wird die Blockade von Straßen und Rollbahnen auf Flughäfen nicht nur ermöglicht, sondern sogar aus gewissen Quellen belohnt.

Aber nicht nur das, die Tempel die einst dem logischen Denken und geistigen Probehandeln geweiht wurden, die Hochschulen, werden zweckentfremdet. Sie dienen heute der Unterdrückung von Logik und dem Züchten einer Ideologie, welche die Herrschaft der neuen Gottheiten als alternativlos darstellt. Leistung wird durch Haltung ersetzt, Maschinenbau durch Genderkunde.

Wo nun finden wir diese neuen Gottheiten? Jedenfalls nicht auf dem Olymp! Ihre körperliche Präsenz ist sehr variabel: mal in Davos, mal in Brüssel, mal in Dubai, mal in New York. Aber ihre ideologische Präsenz ist überall – und überall zu bekämpfen.

Lassen wir uns die Gaben des Prometheus, das Feuer und die Freiheit des Geistes nicht von unwürdigen Mächten stehlen. Wir schulden denen absolut nichts, außer unserer Verachtung. Wir müssen Prometheus folgen, der die Freiheit des Denkens und das Feuer für die Menschheit in Anspruch nahm. Johann Wolfgang von Goethe legte dem zeitlosen Helden diese Worte in den Mund, denen auch die falschen Gottheiten von heute und die Letzte Generation nichts zu entgegnen haben:

So also die Worte von Prometheus an Zeus:

Wähntest du etwa,

Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehen,

Weil nicht alle Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht das mir gleich sei,

Zu leiden, zu weinen,

Zu genießen und zu freuen sich

Und dein nicht zu achten,

Wie ich!

Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken