Robert Bryce

Die Sonne besteht hauptsächlich aus Wasserstoff. Aber es gibt nichts Neues unter der Sonne, und das gilt auch für Wasserstoff.

Der Verweis auf das Alte Testament – „was geschehen ist, wird wieder geschehen; es gibt nichts Neues unter der Sonne“ – ist hier angebracht, denn der Hype um Wasserstoff scheint fast so alt zu sein wie die Bibel selbst.

Am 10. Juni 1975, während des 94. Kongresses, hielt das Repräsentantenhaus die erste von zwei „investigativen Anhörungen zum Thema Wasserstoff ab – Thema: seine Produktion, Nutzung und möglichen Auswirkungen auf unsere Energiewirtschaft der Zukunft“. Die Anhörung wurde von Mike McCormack geleitet, einem Demokraten aus dem Bundesstaat Washington. Er behauptete, Wasserstoff „hat das Potenzial, in unserem Energiesystem die gleiche Rolle zu spielen wie heute die Elektrizität“.

1996 erklärte die Chicago Sun-Times: „Die ersten Schritte in Richtung dessen, was Befürworter als Wasserstoffwirtschaft bezeichnen, sind getan.“ Im Jahr 2003 veröffentlichte Jeremy Rifkin, ein „Wirtschafts- und Sozialtheoretiker“, das Buch The Hydrogen Economy: The Creation of the Worldwide Energy Web and the Redistribution of Power on Earth“. In diesem Buch behauptete Rifkin, dass „die Globalisierung das Endstadium der Ära der fossilen Brennstoffe darstellt“. Die „Hinwendung zu Wasserstoff ist ein Versprechen für eine sicherere Welt“, behauptete er.

Präsident George W. Bush übernahm den Hype um Wasserstoff. In seiner Rede zur Lage der Nation 2003 sagte er: „Mit einem neuen nationalen Engagement werden unsere Wissenschaftler und Ingenieure die Hindernisse überwinden“, um wasserstoffbetriebene Autos „vom Labor in den Ausstellungsraum zu bringen, so dass das erste Auto, das von einem heute geborenen Kind gefahren wird, mit Wasserstoff angetrieben werden könnte, und zwar umweltfreundlich.“ Wenige Monate nach dieser Rede kündigte seine Regierung eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union zur „Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft“ an, einschließlich der „für die Massenproduktion von sicheren und erschwinglichen, mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Fahrzeugen erforderlichen Technologien“. Das Weiße Haus behauptete in einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2003, dass diese Bemühungen „Amerikas Energiesicherheit verbessern würden, indem sie den Bedarf an Ölimporten erheblich reduzieren“.

Die Geschichte des Hypes ist wichtig, weil wir in ahistorischen Zeiten leben. Oder, wie der Autor Jeff Minick im Jahr 2022 erklärte, werden wir vom „Präsentismus“ geplagt. Der Präsentismus, schrieb Minick, ist der Grund, warum so viele junge Leute die Kardashians kennen, aber nicht wissen, wie wichtig Abraham Lincoln war oder warum wir im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben.

Der Präsentismus erklärt auch, warum die New York Times am 30. April einen Artikel mit der Überschrift „Hydrogen Offers Germany a Chance to Take a Lead in Green Energy“ (Wasserstoff bietet Deutschland die Chance, eine führende Rolle bei grüner Energie zu übernehmen) veröffentlichte, der die lange Geschichte des Scheiterns von Wasserstoff in Bezug auf die Prognosen ignoriert. Aber der Vorwurf des Präsentismus kann nicht die Nichtigkeit des Artikels erklären, der sich auf diese Worthülse stützt:

Das Konzept des Wasserstoffs als erneuerbare Energiequelle gibt es schon seit Jahren, aber erst in den letzten zehn Jahren hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass er fossile Brennstoffe für den Antrieb der Schwerindustrie ersetzen kann, was zu verstärkten Investitionen und Fortschritten in der Technologie geführt hat. (Hervorhebung [vom Autor] hinzugefügt.)

Die Idee des Wasserstoffs mag sich durchsetzen (oder auch nicht), aber Wasserstoff ist keine „Energiequelle“, sondern ein Energieträger. Wasserstoff als Energie-„Quelle“ zu bezeichnen ist so, als würde man Stormy Daniels eine „Schauspielerin“ nennen.

Wasserstoff ist im Universum reichlich vorhanden. Aber er ist keine Energiequelle. Stattdessen muss er, wie Elektrizität und Benzin, hergestellt werden. Die gängigsten Methoden sind die Wasserspaltung durch Elektrolyse oder die Dampf-Methan-Reformierung, bei der mit Hochdruckdampf Wasserstoff aus Methan erzeugt wird.

In dem Times-Artikel von Stanley Reed und Melissa Eddy, die in die deutsche Stadt Duisburg reisten, um eine Fabrik zu besuchen, die Elektrolyseure herstellt, finden sich noch weitere Aussagen, die die Stirn runzeln lassen. „Wenn die Geräte auf breiter Front eingesetzt werden“, schreiben sie, „könnten sie dazu beitragen, die Schwerindustrie wie die Stahlerzeugung in Deutschland und anderswo zu sanieren.“ Nun, ja, wenn sie „weit verbreitet“ sind. Aber trotz jahrzehntelanger überschwänglicher Vorhersagen von Rifkin und anderen haben sich Elektrolyseure nicht durchgesetzt, weil die Herstellung und Verwendung von Wasserstoff in großem Maßstab – wie mein Freund Steve Brick es ausdrückt – „eine thermodynamische Obszönität“ ist.

Das Cover von Rifkins Buch aus dem Jahr 2003.

Reed und Eddy ignorieren die Energieintensität der Wasserstoffherstellung und bieten lediglich an, dass der Elektrolyseur „mit Hilfe von Elektrizität Wasser spaltet“ und „Wasserstoff erzeugt, ein kohlenstofffreies Gas, das zum Antrieb von Mühlen wie der in Duisburg beitragen könnte.“ Das ist richtig. Aber wie viel Strom wird benötigt? Und woher soll die deutsche Industrie, die schon jetzt unter den hohen Gas- und Strompreisen leidet, den Saft nehmen? Und zu welchen Kosten? Diese Fragen werden nicht beantwortet.

Um es klar zu sagen: Viele andere Medien machen einen Hype um Wasserstoff. Und der Hype wird durch die fetten staatlichen Subventionen noch verstärkt. Reed und Eddy erklären, dass die deutsche Regierung etwa 14,2 Milliarden Dollar „für Investitionen in etwa zwei Dutzend Projekte zur Entwicklung von Wasserstoff“ bereitgestellt hat. Hier in den USA bietet die 45V-Steuergutschrift im Rahmen des Inflation Reduction Act lukrative Subventionen für die Wasserstoffproduktion. Die großen Unternehmen stehen Schlange, um diese Subventionen zu erhalten. Im Februar warnte der Energieriese Exxon Mobil, dass er ein geplantes Wasserstoffprojekt in seiner Raffinerie in Baytown, Texas, möglicherweise stornieren würde, je nachdem, wie das Finanzministerium die Regeln für „sauberen“ Wasserstoff im IRA auslegt.

Ungeachtet von Steuergutschriften und Subventionen ist die Herstellung und Verwendung von Wasserstoff ein Prozess mit hoher Entropie und hohen Kosten. Ein Freund aus der Ölraffineriebranche sagte mir letztes Jahr: „Wenn man Benzin für 6 Dollar pro Gallone mag, wird man Wasserstoff für 14 bis 20 Dollar pro Gallone lieben.“

Was Bricks Satz von der „thermodynamischen Obszönität“ angeht, so sind die Zahlen – auf die ich gleich eingehen werde – leicht zu verstehen. Die Herstellung von Wasserstoff ist, gemessen an der Energie, wahnsinnig teuer. Man braucht etwa drei Energieeinheiten in Form von Strom, um zwei Einheiten Wasserstoff zu erzeugen. Mit anderen Worten: Die Wasserstoffwirtschaft erfordert Unmengen von Elektrizität (eine hochwertige Energieform), um ein winziges Molekül herzustellen, das schwer zu handhaben, schwer zu speichern und teuer in der Anwendung ist.

Eine der größten Herausforderungen bei der Handhabung und Lagerung des Gases ist das Problem der Wasserstoff-Versprödung“, das auftreten kann, wenn Metalle dem Wasserstoff ausgesetzt werden. Das bedeutet, dass wir für den Transport und die Lagerung des Gases keine bestehenden Gasleitungen oder Tanks verwenden können. Was die Verwendung des Gases angeht, so kann es zwar mit Erdgas gemischt und in Turbinen oder Kolbenmotoren eingesetzt werden. Am besten lässt es sich jedoch in einer Brennstoffzelle nutzen. Und woher sollen diese Geräte kommen? Ich bin alt genug, um Sozialhilfe zu beziehen. Ich berichte seit fast vier Jahrzehnten über den Energiesektor, und in all dieser Zeit habe ich genau drei Brennstoffzellen gesehen.

Wie viel würde die Wasserstoffwirtschaft kosten? Bloomberg NEF schätzt, dass die Produktion von „grünem“ Wasserstoff im Jahr 2020, um 25 % des weltweiten Energiebedarfs zu decken, „mehr Strom als die Welt derzeit aus allen Quellen erzeugt und eine Investition von 11 Billionen Dollar in Produktion und Speicherung“ erfordern würde.

Die obszöne Thermodynamik von Wasserstoff lässt sich anhand einer Ankündigung von Constellation Energy aus dem vergangenen Jahr nachvollziehen. Laut einem Artikel in Nuclear NewsWire vom 10. März 2023 ist ein neues Projekt zur Herstellung von Wasserstoff im Kernkraftwerk Nine Mile Point in New York „Teil eines Projekts mit einer Kostenteilung von 14,5 Millionen Dollar zwischen Constellation und dem Energieministerium“. Von dieser Summe kamen 5,8 Millionen Dollar vom DOE [= Department of Energy; Energieministerium]. In dem Artikel wird erklärt, dass der Elektrolyseur der Anlage „mit 1,25 Megawatt kohlenstofffreier Energie pro Stunde“ 560 Kilogramm sauberen Wasserstoff pro Tag erzeugen wird.

Die Rechnung ist einfach. Die Anlage verbraucht 30 Megawattstunden Strom, um 560 kg Wasserstoff pro Tag zu produzieren. Eine MWh Strom entspricht 3.600 Megajoule Energie, und ein kg Wasserstoff enthält etwa 130 MJ Energie. Daher verbraucht Nine Mile Point 108.000 MJ Strom, um 72.800 MJ Wasserstoff zu produzieren, oder 1,5 MJ Strom für 1 MJ Wasserstoff.

Ein solch lausiger ERoEI (Energy Returned of Energiy Invested = Erntefaktor) sollte Wasserstoff sofort von ernsthaften energiepolitischen Diskussionen disqualifizieren. Aber das ist natürlich nicht geschehen. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass der ERoEI noch schlechter ist, als ich oben angegeben habe, weil der Wasserstoff nach seiner Herstellung gespeichert und in einen anderen Energieumwandler zur Erzeugung von Strom oder Wärme eingespeist werden muss. Bei diesem Prozess geht noch mehr Energie verloren.

Zum Schluss noch ein wenig Geschichte. Im Jahr 2004 veröffentlichten der National Research Council und die National Academy of Engineering einen 267-seitigen Bericht mit dem Titel „The Hydrogen Economy: Opportunities, Costs, Barriers, and R&D Needs“. Im Schlussteil des Berichts heißt es: „Die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien über den Zwischenschritt der Stromerzeugung, einer hochwertigen Energiequelle, erfordert weitere Durchbrüche, um wettbewerbsfähig zu sein.“ Weiter heißt es:

Auf dem Weg zur Verwirklichung der Vision der Wasserstoffwirtschaft gibt es große Hürden; der Weg wird weder einfach noch geradlinig sein. Viele Feststellungen des Ausschusses gelten für die gesamte Wasserstoffwirtschaft: Das Wasserstoffsystem muss wettbewerbsfähig sein, es muss sicher und für den Verbraucher attraktiv sein, und es sollte vorzugsweise Vorteile im Hinblick auf die Energiesicherheit und die CO₂-Emissionen bieten. Speziell für den Verkehrssektor sind dramatische Fortschritte bei der Entwicklung von Brennstoffzellen, Speichergeräten und Verteilungssystemen besonders wichtig. Ein breiter Erfolg ist nicht sicher.

Der Erfolg der Wasserstoffwirtschaft auf breiter Front war 2004 nicht sicher, und er ist es auch jetzt nicht. Oder, um es mit kirchlichen Worten zu sagen: Es gibt nichts Neues unter der Wasserstoff-Sonne.

Link: https://wattsupwiththat.com/2024/05/12/the-h-stands-for-hype/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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