Schon wieder ein neuer Kampfbegriff, der durch jede Talkshow geistert. Keiner der eingeladenen „Expert*Innen“ weiß genaues, aber alle dreschen aufeinander ein.
Von Dr. Dieter Humpich
Die Definition
Im weitesten Sinne sind Synthetische Kraftstoffe alle nicht aus Erdöl oder Kondensaten der Erdgasförderung gewonnene Treibstoffe. In diesen Rohstoffen sind Benzin, Diesel oder Kerosin bereits vorhanden. Sie müssen nur noch von den anderen Komponenten abgetrennt werden (Destillation). Sie sind ein „Naturprodukt“. Anschließend findet nur noch eine Veredelung (z. B. Entschwefelung, Zusatz von Stabilisatoren etc.) statt. Logisch, daß diese Gewinnung die geringste Energie verbraucht. Gleichzeitig haben die drei einen unschlagbaren Heizwert bezogen auf ihr Volumen (kWh/l). Kämen sie nicht so reichhaltig in der Natur vor, man müßte sie glatt erfinden. Man sollte im Zusammenhang mit Kraftstoffen nie vergessen, daß jedes Fahrzeug nicht nur seinen Antrieb (Motor, Turbine) mitnehmen muß, sondern auch die gesamte benötigte Energie (einzige Ausnahme ist die elektrische Eisenbahn). Mit anderen Worten: Bei allen Fahrzeugen ist das spezifische Volumen des Energieträgers der entscheidende Konstruktions- und Betriebsfaktor.
Die Klassiker
Die Synthese von Benzin und Diesel ist über hundert Jahre Stand der Technik. Schon die Nationalsozialisten haben ihren Krieg mangels Ölvorkommen mit „verflüssigter“ Kohle geführt. Südafrika hat aus gleichen Gründen großtechnisch Benzin aus Kohle hergestellt. Heute kann man an vielen Tankstellen Diesel aus Erdgas kaufen.
All diesen Fällen ist das Fischer-Tropsch Verfahren gemeinsam. Bei ihm wird durch eine Verbrennung eines Kohlenstoffs (Kohle, Erdgas usw.) in einer Atmosphäre aus Sauerstoff und Wasserdampf ein Synthesegas erzeugt. Dies besteht aus CO (Kohlenmonoxid) und Wasserstoff. Die Energie zur Zerlegung des Wassers muß durch die Verbrennung eines Teils des Kohlenstoffs erzeugt werden.
Man kann als „Kohlenstoffquelle“ auch Holz, Biogas, Müll etc. einsetzen. Dann mutiert der Prozess zu einem „Bio-Treibstoff-Verfahren“.
Biokraftstoffe
Eine große Mode im grünen Milieu der letzten Jahrzehnte, waren die Biokraftstoffe. Nachdem die Umweltschäden der Raps- und Maisplantagen nicht länger zu verheimlichen sind, ist die Euphorie verflogen. Auch das Verfeuern von Getreide ist seit dem Ukraine-Krieg mehr denn je in Kritik geraten. Ist es vertretbar, die Nachfrage nach Getreide ohne jede Not, künstlich in die Höhe zu treiben, während immer mehr Menschen sich nicht mehr satt essen können? Das Märchen vom „klimaneutralen Biosprit“ war bestenfalls ein gigantisches Agrar-Förderprogramm. Wohlgemerkt, nicht für den „Kleinbauern“, sondern für die Agrarindustrie (Saatgut, Dünger, Pestizide etc.) und die neue Gattung der Schlangenölverkäufer.
Bioethanol
Ist die industrielle Anwendung der jahrtausendealten Herstellung von Alkohol aus Zucker mittels Hefe. Ist der Ausgangspunkt Stärke aus Getreide, muß diese erst enzymatisch in Zucker umgewandelt werden. Will man nicht mit Nahrungsmitteln in Konkurrenz treten, kann man auch cellulosehaltige Stoffe (z.B. Stroh, Holzabfälle usw.) verwenden. Diese müssen allerdings mit Säuren und Enzymen aufgeschlossen werden, was sehr teuer ist. Für den Vertrieb wird dieser Alkohol dem Benzin beigemischt (5% bis 85%). Im Jahr 2021 wurden weltweit insgesamt etwa 125 Millionen Kubikmeter Ethanol produziert, von denen über 100 Millionen Kubikmeter als Kraftstoff verwendet wurden.
Biodiesel
Biodiesel (Fettsäuremethylester) kommt dem Dieselkraftstoff aus Mineralöl sehr nahe und kann deshalb auch in beliebigem Anteil zugemischt werden. Er wird durch Umesterung pflanzlicher und tierischer Fette und Öle mit einwertigen Alkoholen (Methanol oder Ethanol) gewonnen. Die Europäische Union verbrauchte im Jahr 2010 insgesamt über 11 Millionen Tonnen Biodiesel.
VFAs
Es ist eine gelbliche, übel riechende Flüssigkeit. Die Flüssigkeit besteht aus kurzen, kettenartigen Molekülen, die als flüchtige Fettsäuren (VFAs) bezeichnet werden. Sie entstehen beim Verrotten von Lebensmittelabfällen. In einem Prozess, werden die VFAs verdampft und dann durch ein Bett aus murmelgroßen Pellets aus Zirkoniumoxid geleitet, die die VFAs zu längeren Ketten, den sogenannten Ketonen, vereinen. Durch diese Umwandlung entsteht eine süß riechende, klare Flüssigkeit. In einem weiteren Reaktor werden die Ketone über Platinpellets geleitet, die sie miteinander verbinden und Sauerstoffatome abstreifen, wodurch Kerosin entsteht.
United Airlines orderte 2021 bereits 5,7 Milliarden Liter „nachhaltigen Flugzeugtreibstoff“ (SAF).
„e-fuels“
Das neueste Wieselwort aller Schlangenölverkäufer ist e-fuels – mit e, wie elektrisch. Unsere Medien geraten bei allen Anglizismen mit „e“ regelrecht in Verzückung: e-learning, e-mobility, e-cash usw. Hört sich alles so richtig nach Zukunft an. „Vorangehen“ möchte wieder einmal unser Siemens-Kombinat und wirbt mit dem Slogan: „E-Fuels Einfach.Genial. CO2 neutral“. Damit dürfte die Infantilisierung des deutschen Ingenieurs als angelernter Grünling vollendet sein. Wer die ganze Einfalt ermessen will, sollte unbedingt „Häufige Fragen“ auf der Seite www.e-fuels.de aufrufen. Aber Vorsicht, für jeden, der Grundkenntnisse in Thermodynamik und Betriebswirtschaft hat, ist das echt starker Tobak.
Wenn man Kohlenwasserstoffe – wie Benzin, Diesel oder Kerosin – in einer Chemiefabrik nachbauen will, braucht man Kohlenstoff und Wasserstoff in großen Mengen und geeigneter Form. Will man „klimaneutral“ sein, verwendet man natürlich nur „Grünen Wasserstoff“ und als Kohlenstoffquelle CO2 – möglichst aus der Luft. Abstruser geht es nicht mehr.
Man sollte nie vergessen, daß e-fuels verfahrenstechnisch hergestellte Chemikalien sind. Im Gegensatz zu konventionellen Kraftstoffen. Diese sind ein Geschenk der Natur. Je komplexer die e-fuels sind (viele Atome in jedem Molekül), um so größer ist der apparative Aufwand (Investitionen), und um so größer der erforderliche Energieeinsatz (Betriebskosten). Damit sinkt der Wirkungsgrad als Verhältnis des Heizwerts Hi des e-fuels zu dem notwendigen Energieaufwand bei der Produktion. So beträgt er bei Ammoniak (NH3) noch rund 55%, während er bei synthetischem Diesel (FTD) nur noch etwa 40% beträgt. Will man damit etwas antreiben (Verkehr, Stromerzeugung bei Dunkelflaute etc.), muß man diesen Wirkungsgrad noch mit dem Wirkungsgrad der Umwandlung (z. B. Dieselmotor ≈45%) multiplizieren.
Unter dem größten Druck steht ohne Zweifel die internationale Luftfahrt. Aus Gewichts- und Volumengründen gibt es faktisch keine Alternative (Batterien, H2, Kernreaktor etc.) zu Kerosin. Was wäre, wenn man nur diesen einen Verkehrssektor „klimaneutral“ machen wollte? Um den bereits 2019 verbrauchten Treibstoff künstlich herstellen zu können, bräuchte man nur für diesen einen Sektor, die 3,7 fache Anzahl aller Kernkraftwerke weltweit oder die dreifache Menge aller weltweit installierten Windkraft- und Solaranlagen. Wer wird sich wohl durchsetzen: Frau Herrmann (Wirtschaftskorrespondentin der taz) und Anhänger, die lapidar sagen, „fliegen geht gar nicht mehr“ oder die Masse der Touristen?
e-Wasserstoff (H2)
Wasserstoff ist die „Grundchemikalie“ für die Herstellung aller e-fuels. Sie soll durch Elektrolyse als „Grüner Wasserstoff“ hergestellt werden. Für die Produktion werden 0,27 kg/kWh oder rund 9 Liter Wasser pro kg Wasserstoff benötigt. Ein echtes Problem auf dem offenen Meer oder in der Wüste. Wasserstoff könnte auch direkt als Kraftstoff verwendet werden. Um die Kosten (bis Zapfanlage, aber ohne Steuern etc.) anschaulich zu machen, werden im Weiteren alle Kosten in € pro l Diesel Äquivalent angegeben (€/lDÄ). Der Leser hat damit einen unmittelbaren Vergleich mit seinen realen Erfahrungen. Preisbasis ist das Jahr 2020. e-Wasserstoff hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,39 €/ Liter Diesel.
e-Ammoniak (NH3)
Aus dem Stickstoff der Luft und dem vorher erzeugten „Grünen Wasserstoff“ kann man mit dem Haber-Bosch-Verfahren Ammoniak herstellen. Ammoniak kann man als Kraftstoff in z. B. Dieselmotoren nutzen (Container-Schiffe). Ammoniak ist allerdings giftig und bei Umgebungsbedingungen ein Gas. e-Ammoniak hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,05 €/ Liter Diesel.
e-Methan (CH4)
„Erdgas“ kann ebenfalls aus CO2 und Wasserstoff hergestellt werden. Beispielsweise durch die Sabatier-Reaktion bei 400 °C und 30 bar Druck unter Verwendung von Katalysatoren aus Nickel und Ruthen. Allein Temperatur und Druck erfordern erhebliche Energie. Mit dem e-Methan kann man dann Fahrzeuge betreiben oder gar seine Wohnung heizen. Man muß nur über das nötige Kleingeld verfügen. e-Methan hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,38 €/ Liter Diesel. (Für Menschen, die demnächst so heizen müssen, Diesel entspricht in etwa Heizöl bzw. 1 m3 Erdgas)
e-Methanol (CH3 OH)
„Methylalkohol“ ist eine Grundchemikalie, von der über 60 Millionen Tonnen jährlich produziert werden. Es ist Ausgangsstoff für zahlreiche Chemikalien, kann aber auch als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Nachteil ist der gegenüber Benzin nur rund halb so große Heizwert – man braucht doppelt so große Tanks. Methanol ist giftig. e-Methanol hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,21 €/ Liter Diesel.
e-Benzin aus e-Methanol
Mobil hat ein Verfahren entwickelt, bei dem mittels Zeolith-Katalysator bei etwa 400 °C und hohem Druck „Benzin“ aus Methanol hergestellt werden kann. Bei dieser Synthese entsteht etwa 70–80% Rohbenzin und diverse andere Kohlenwasserstoffe. e-Benzin hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,50 €/ Liter Diesel
Durch geringe Modifikation kann man mit diesem Verfahren auch Kerosin und Diesel produzieren. Es gibt zahlreiche Anlagen zur Veredelung von Kohle und Gas weltweit. Die Verfahren sind als „Mitteldestillate aus Methanol“ bekannt. Das entstehende Stoffgemisch kann in konventionellen Raffinerien zu Benzin, Diesel usw. weiterverarbeitet werden. e-Kerosin hätte ein (€/lDÄ) entsprechend 2,46 €/ Liter Diesel.
e-Kraftstoffe mittels Fischer-Tropsch
Das Fischer-Tropsch-Verfahren (FT) stellt aus Synthesegas (CO + H) Kraftstoffe her. Es ist ein weltweit großtechnisch erprobtes Verfahren. Wenn man CO2 und „Grünen Wasserstoff“ verwendet, erhält man definitionsgemäß e-Kraftstoffe. e-Kraftstoffe über FT hätten ein (€/lDÄ) entsprechend 2,80 €/ Liter Diesel.
Nachwort
Wer bis hier durchgehalten hat, dem sollte langsam dämmern, daß es bei dem Disput zwischen FDP und Grünen um viel mehr, als die Frage „rein elektrisch“ oder „technologieoffen“ Autofahren geht. Jedem denkenden Menschen ist klar, daß es bis 2035 nie und nimmer nicht, zu einer voll elektrifizierten PKW und LKW Welt kommen wird. Dafür fehlt es an allem: Zu teure Fahrzeuge für die breite Masse, keine ausreichenden Ladestationen, kein entsprechend leistungsfähiges Stromnetz und keine notwendigen Kraftwerke. Das e-Auto ist der Einstieg in kein Auto. Deshalb wird auch 2035 der Verbrennungsmotor marktbeherrschend bleiben – zumindest in den Weiten von Afrika, Russland und selbst auf dem amerikanischen Kontinent. Aber es wird ohne Verbrenner keine deutsche Autoindustrie mehr geben. Sie wird nach dem gleichen Öko-Muster zerstört sein, wie heute schon die Kerntechnik. Wie einst der Exportschlager Kernkraftwerke, wird auch der Exportschlager PKW und LKW aus Deutschland, Geschichte sein. Was natürlich den Rest der Welt nicht davon abhalten wird, weiter zu machen, wie bisher. Es wird sich zeigen, ob Deutschland beim dritten Versuch des „Aufbau des Sozialismus“ diesmal erfolgreich sein wird. Nach dem Nationalsozialismus, dem Real Existierenden Sozialismus Moskauer Prägung nun der Steinzeitkommunismus à la Mao und Pol Pot?
Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors hier
Die Produktion von 1 Liter E-Fuels aus CO2 und H2 benötigt ca. 27 kWh elektrische Energie.
Ein E-Fuels-PKW verbraucht 6-7 L auf 100 km, gesamt 160-170 kWh für 100 km.
(Helmholtz-Institut Ulm)
160-170 kWh = ca. 800 km beim E-Auto, das ca. 8-fache an Strecke.
Der Klassiker, die Kohleverflüssigung, ist bereits vor den den Nationalsozialisten in Leuna (1927) realisiert worden. Die Aussage, dass jene mit „verflüssigter Kohle, Krieg geführt haben, bedarf jedoch einer Qualifizierung. Die synthetische Erzeugung von Treib- und Schmierstoffen umfasste rund 50 % des gesamten Bedarfs. Die andere Hälfte lieferten hauptsächlich Rumäniens Raffinerien in Form von flüssigen Kohlenwasserstoffen (Fahrbenzin, Diesel, Schmieröl) direkt an die Front. Ferner ging rumänisches Benzin nach Österreich (Raffinerie Moosbierbaum), das dort unter anderem zu Flugbenzin veredelt worden war. Das Verfahren von Fischer-Tropsch eignete sich jedoch vorzüglich zur Gewinnung von Paraffinen und Dieselkraftstoff. Das Benzin fand aufgrund der sehr niedrigen Oktanzahl damals kaum Verwendung. Das wesentliche Verfahren zur synthetischen Treibstofferzeugung bildete die Kohlehydrierung der IG Farben, das auf dem Patent von Bergius beruhte.
Der Knackpunkt ist der Wasserstoff, ob grün, ob blau oder sonstwas: Er muss erst gemacht werden. Am besten wie die Altvorderen: Die haben Eisenschrott in Salzsäure geworfen, sodass in heftiger Reaktion Wasserstoff abgaselte, „in statu nascendi“. Den nahmen sie dann, füllten Pansen damit, den sie wiederum in Kuhhäute einnähten und sodann in ihrem Zeppelin verstauen – bis der schwebte. Näheres im „Zeppelin-Museum“ zu Friedrichshafen am schönen Bodensee. So konnten sie alte Kanonen aus WW I los werden und wir Heutigen könnten so unsere Industrie nutzbringend verschrotten. El. Strom brauchen wir DAZU nicht, oder? Auch: https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/umwelt/strenge-emissionsgrenzwerte-die-loesung-heisst-methanol/ auf der Grundlage https://www.researchgate.net/figure/The-George-Olah-Renewable-CO2-to-Methanol-Plant-of-Carbon-Recycling-International-CRI_fig3_324846670
Elektrisch betriebene Wärmepumpen sind Unsinn, mechanisch betriebene ideal, mit einer Windmühle, einem Wasserrad am nahe gelegene Bach, mit https://de.wikipedia.org/wiki/Direktmethanolbrennstoffzelle und einem Verbrenner vor Ort. Usw.
Super Idee, vor allem weil Salzsäure ja überall herumliegt und nicht erzeugt werden muss.
In der Umwelterklärung 2022 der BAYERNOIL Raffineriegesellschaft mbH steht, dass die da im Jahr 2.759 t Salzsäure bei der Rohölverarbeitung brauchen.
Danke für den informativen Artikel!