Abwehrschirm und Entlastungspakete sollen angeblich den Wohlstand der Bürger erhalten. Sie zielen jedoch darauf ab, die elitäre ökologische Klimapolitik vor einer Rebellion der Bürger zu schützen. 

von Alexander Horn

Die immer weiter explodierenden Gas- und Strompreise zwingen die Bundesregierung, nach bisher drei insgesamt etwa 100 Milliarden Euro schweren Entlastungspaketen nun nachzulegen, um die Bürger vor steigenden Energiepreisen abzuschirmen. Auf die Belastung der Bürger und Unternehmen durch die ursprünglich vorgesehene Gasumlage wird verzichtet. Stattdessen kommt nun ein 200 Milliarden Euro schwerer „Abwehrschirm“ zur Subventionierung und Senkung von Gas- und Strompreisen, was jedoch noch längst nicht das letzte Wort sein dürfte.

Denn in ihrem aktuellen Herbstgutachten prognostizieren führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute einen weiteren herben Preisanstieg bei Gas und Strom. Anders als beim Öl seien die Anstiege der Großhandelspreise für Gas und Strom noch längst nicht bei den Verbrauchern angekommen. Die Energieversorger decken sich langfristig ein, so dass sie das Gros der heute an ihre Kunden gelieferten Energiemengen zu den Preisen beziehen, die noch im vergangenen Jahr am Terminmarkt erwartet wurden. Beim Gas erwarten die Institute das Spitzenniveau der Verbraucherpreise daher erst für den Zeitraum Mitte 2023 bis Mitte 2024. Dann sollen die Gaspreise für Verbraucher viermal so hoch wie Anfang 2021 sein. Beim Strom soll das Preisniveau dann in etwa beim Zweieinhalbfachen liegen.

Die Folgen des Energiemangels sind verheerend, denn er treibt die allgemeine Verbraucherpreisinflation weit stärker an als die durch die Corona-Krise ausgelösten Lieferkettenprobleme. Die Unternehmen sind auch langfristig nicht in der Lage, die steigenden Energiepreise durch Einsparungen und kostensenkende Produktivitätsverbesserungen auszugleichen und müssen versuchen, diese über ihre Wertschöpfungsketten an die Verbraucher zu überwälzen. Schon jetzt hat die von knapper Energie und steigenden Energiepreisen getriebene Inflation einen Kaufkraftverlust und damit einen spürbaren Wohlstandseinbruch verursacht. Der Prognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zufolge werden die Reallöhne bis Ende nächsten Jahres um bis zu 15 Prozent sinken. Die Deutschen müssten sich zudem auf einen „permanenten Wohlstandsverlust“ einstellen, da es nicht gelingen werde, diese Reallohnverluste zu einem späteren Zeitpunkt durch Lohn- und Gehaltssteigerungen oberhalb des Verbraucherpreisanstiegs wieder auszugleichen.

Entlastungspakete ungeeignet

„Die Preise müssen runter“, betont Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dafür werde die Bundesregierung alles tun. Das gewaltige 200-Milliarden-Entlastungspaket solle dazu beitragen, dass Rentner, Familien, Handwerksbetriebe und Industrie die hohen Rechnungen bezahlen könnten. Es gehe darum, als „starke und robuste Volkswirtschaft diese Zeit zu bestehen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Mit den 200 Milliarden solle der „Angriff von Russland, von Putins Regime, auf unsere Volkswirtschaft“ abgewehrt werden. Finanzminister Christian Lindner sprach von einem „Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit“.

 

Alle bisherigen Entlastungspakete sind jedoch völlig ungeeignet, die prognostizierten Wohlstandsverluste zu verhindern. Sie setzen nicht bei den Ursachen des akuten, wie auch des sich bereits seit Jahrzehnten in Deutschland vollziehenden Energiepreisanstiegs an. Die Subventionierung aus dem Bundeshaushalt macht die hohen Energiepreise lediglich erträglicher, indem die Belastungen der Bürger zum Teil in die Zukunft verschoben werden. Mit dem Steuergeld der Bürger wird heute subventioniert, was später durch Steuereinnahmen wieder ausgeglichen werden muss. Und die Subventionen sind endlich. Denn auf lange Sicht lässt sich auch in Deutschland der Staatshaushalt nicht um hunderte Milliarden oder gar Billionen Euro ausweiten. Sobald die Entlastungsmaßnahmen zurückgefahren werden und obendrein die Schulden zurückgezahlt werden müssen, wird der schöne Schein dieser Wohlstandsrettung verblassen. Spätestens dann setzt sich das real gestiegene Energiepreisniveau in den Verbraucherpreisen fest.

Ursachen ignorieren

Trotz der immer akuter werdenden Krise ist die Bundesregierung – wie auch die Opposition aus CDU/CSU und Linken – nicht bereit, die Ursachen für den akuten Gas- und allgemeinen Energiemangel und den daraus folgenden Preisanstieg anzugehen. Sogar pragmatische Lösungen, die eine sofortige Verbesserung der Versorgung mit billiger Energie ermöglichen könnten, werden ausgeschlagen oder nur in limitiertem Umfang genutzt: Stillgelegte oder in der Reserve befindliche Kohle-, Öl- und Atomkraftwerke werden nicht im möglichen Umfang aktiviert, Genehmigungsverfahren zur Reaktivierung bereits stillgelegter Kraftwerke nicht beschleunigt oder wegen Emissionsschutzauflagen nicht erteilt und Betriebsgenehmigungen für stillzulegende Kraftwerke, wie beispielsweise die noch am Netz befindlichen drei Atomkraftwerke, nicht verlängert.

Fossile Rohstoffe wie heimische Kohle, Öl und in gewissem Umfang auch Kernbrennstoffe sind reichlich und wegen vorhandener Lieferketten zu vergleichsweise günstigen Preisen verfügbar. Obwohl diese das fehlende Erdgas in erheblichem Umfang substituieren könnten, setzt die Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, um das Anzapfen dieser Energiequellen zu vermeiden. So nimmt sie billigend in Kauf, dass nicht nur die Gaspreise noch weit stärker als bisher steigen werden, sondern auch die Strompreise. Denn um den volatilen Strom aus Windkraft und Photovoltaik bedarfsgerecht auszugleichen, wird in großem Stil Erdgas benötigt. Dieses ließe sich jedoch ersetzen, wenn die verfügbaren grundlastfähigen Kohle-, Öl- und Atomkraftwerke die Abhängigkeit von Wind- und Solarstrom reduzieren würden. So aber wird sich die Knappheit beim Gas und beim Strom weiter verschärfen.

 

Die akute Mangelversorgung vor allem mit Erdgas wird über Jahre bestehen bleiben, da die Versorgungsinfrastruktur in Deutschland und Europa sowie in den potenziellen Lieferländern erst aufgebaut werden muss und die damit verbundenen Kosten die Gaspreise auf Dauer hochhalten werden. Trotzdem hat die Bundesregierung noch keinerlei Aktivitäten gestartet, die die Energieversorgung verbessern könnten. So haben wechselnde Bundesregierungen dafür gesorgt, dass die Gasförderung mittels Fracking-Technologie hierzulande verboten ist, obwohl Deutschland über große Schiefergasvorkommen verfügt. Der Ausstieg aus der Kernenergie wurde über alle Parteigrenzen hinweg praktisch einstimmig vom Deutschen Bundestag beschlossen und moderne Technologien, die die Abscheidung und Lagerung des bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen freiwerdenden CO2 ermöglichen und deren „klimaneutrale“ Nutzung erlauben würden, sind in Deutschland ebenfalls verboten. Ganz im Gegenteil hat sich die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, in der Nordsee weder Öl noch Gas zu fördern – und trotz der akuten Energiekrise nichts zur Revision dieser Beschlüsse unternommen. Ganz im Gegenteil werden diese immer wieder sogar noch als zielführend verteidigt.

Klimapolitik retten

Die Reaktion der Bundesregierung auf die Energiekrise besteht im Wesentlichen darin, mit Hilfe von Entlastungspaketen das Steuergeld der Bürger neu zu verteilen, um damit die hohen Energiepreise zu subventionieren. Da die Bürger letztlich doch die Zeche zahlen, lässt sich der Wohlstandsverlust auf diesem Weg nicht abwenden. Aber darum geht es letztlich auch nicht. Die Entlastungsmaßnahmen sollen die akuten Wohlstandsverluste mit viel Geld erträglich gestalten, indem man sie zum Teil in die Zukunft verschiebt. Es geht darum, den Geldregen so einzusetzen, dass die von den Eliten getragene ökologische Klimapolitik vor rebellierenden Bürgern geschützt werden kann. Nicht zu Unrecht wird befürchtet, dass sie aufbegehren könnten, sofern klar wird, dass die ökologische Klimapolitik die wohlstandssenkenden Effekte ursächlich hervorbringt, für die der Ukraine-Krieg nur der Auslöser ist.

Die ökologische Klimapolitik zielt darauf ab, den Energiebedarf Deutschlands spätestens bis zum Jahr 2045 ausschließlich durch erneuerbare Energien zu decken. Windkraft und Sonnenergie sollen die zukünftigen Standbeine der Energieversorgung bilden. Um dies zu erreichen, müssten diese erheblich ausgebaut werden, denn sie decken bisher erst etwa fünf Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Diese erneuerbaren Energien stehen jedoch, selbst wenn die von der Bundesregierung geplanten gigantischen Ausbauprogramme realisiert werden, in Deutschland – aber auch weltweit – nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Daher müssen drastische Einsparungen beim Energieverbrauch erreicht werden.

Dieser Energiemangel verkehrt die Wohlstandsentwicklung der Menschheit jedoch in sein Gegenteil. Denn der steigende Wohlstand beruht darauf, dass es immer wieder gelungen ist, ergiebigere Energiequellen nutzbar zu machen und durch die Nutzung von Maschinen die menschliche Arbeitskraft in zunehmendem Maß zu ersetzen. Während die Menschen vor langer Zeit auf die ausschließliche Nutzung von eigener Muskelkraft angewiesen waren, haben andere natürliche Energiequellen diese Funktion der Arbeitsverrichtung übernommen. So hat die kontinuierliche Steigerung des Pro-Kopf Energieverbrauchs zu einer gigantischen Steigerung der menschlichen Arbeitsproduktivität beigetragen und den Wohlstand im gleichen Umfang vergrößert.

 

Die im Rahmen der ökologischen Klimapolitik vorgesehene sukzessive Verdrängung von Gas, Öl und Kohle sowie von Kernenergie führt ebenso wie das schockartige Ende der russischen Gaslieferungen zu einem steigenden Energiepreisniveau. Denn Wind- und Solarstrom ist um ein Vielfaches teurer als Strom aus konventionellen Energieträgern, wenn dieser entsprechend den Bedürfnissen moderner Industriegesellschaften bedarfsgerecht verfügbar gemacht wird. Das zeigt sich an der Entwicklung der Strompreise in Deutschland. Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung lag im letzten Jahr bei erst 42,4 Prozent. Windkraft steuerte lediglich 21,5 Prozent bei, Photovoltaik nur 8,7 Prozent. Obwohl der Beitrag von Wind- und Solarstrom zur Stromversorgung in Deutschland bisher also nur etwa ein Drittel beträgt, hat dessen Subventionierung dazu geführt, dass sich die Verbraucherstrompreise in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt haben.

Die Strompreise werden weiter drastisch steigen, denn mit steigendem Anteil der Erneuerbaren müssen gigantische Stromspeicher aufgebaut werden. Gleichzeitig wird man, um das Erdgas zu ersetzen, zunehmend auf die Verbrennung von ‚grünem‘ Wasserstoff aus erneuerbaren Energien angewiesen sein, um mit Hilfe von Gaskraftwerken die Phasen zu überbrücken, in denen Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Bis heute ist die Erzeugung dieses Wasserstoffs nicht zu wettbewerblichen Bedingungen möglich. Daher wird das vergleichsweise billige Erdgas in immer größerem Umfang beim Umbau der Energieversorgung auf Erneuerbare benötigt, um deren Volatilität und begrenzte Verfügbarkeit durch Gaskraftwerke zu kompensieren. Damit sich die Erneuerbaren langfristig gegenüber den konventionellen Energieträgern durchsetzen können, befördert die Politik gezielt den Preisanstieg bei der Verwendung fossiler Rohstoffe und von Kernenergie. Sie hebt Abgaben und CO2-Steuern an und durch Regulierung werden die Investitionen in diese Energien behindert.

Elitenkonsens bewahren

Um der wachsenden Kritik an den exorbitant steigenden und seit einigen Jahren weltweit höchsten Strompreisen in Deutschland vorzubeugen, hatte man sich bereits vor dem Ukraine-Krieg darauf geeinigt, die ausufernde EEG-Umlage zur Subventionierung der Erneuerbaren nicht mehr auf die Stromkosten aufzuschlagen. Die Umlage, die die Stromkunden bis Mitte dieses Jahres mit etwa 30 Milliarden Euro jährlich belastet hat, wird seit dem 1. Juli dieses Jahres komplett über den Bundeshaushalt – und damit letztlich von den Steuerzahlern – gezahlt. Nun ist das Bundeswirtschaftsministerium dabei, auch die Netzentgelte für Ausbau und Stabilisierung der Stromnetze, die bisher von den Verbrauchern gezahlt wurden, in den Bundeshaushalt zu übernehmen. Der Bund will nun allein für das Jahr 2023 erstmals 13 Milliarden zuschießen, denn „die Netzentgelte drohten sich zu verdreifachen“, so Habeck. Das unter anderem, weil die Stabilisierung der Netze wegen des steigenden Anteils an volatilem erneuerbaren Strom inzwischen 2,3 Milliarden jährlich kostet.

Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise hat das Potenzial, die ökologische Energiepolitik, deren Prämissen ein sinkender Pro-Kopf-Energieverbrauch und die ausschließliche Umstellung auf nur begrenzt verfügbare erneuerbare Energien sind, zu demaskieren. In dieser Krise lässt sich im Zeitraffertempo erkennen, welche sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen Energiemangel und ein auf Dauer steigendes Energiepreisniveau mit sich bringen. Eine Umkehr dieser Klimapolitik ist von den etablierten Parteien dennoch nicht zu erwarten, denn dies würde den hierüber in den letzten Jahrzehnten erzielten Elitenkonsens in Frage stellen. Der resultierende Glaubwürdigkeits- und Autoritätsverlust gegenüber den Bürgern könnte ein politisches Erdbeben mit kaum absehbaren politischen Folgen nach sich ziehen. Aus Sicht der Eliten gilt es also, dieses Szenario mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern.

Mehr von Alexander Horn lesen Sie in seinem aktuellen Buch „Die Zombiewirtschaft – Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind“ mit Beiträgen von Michael von Prollius und Phil Mullan.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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