Dieses Jahr ist das Lamento wegen der «sterbenden» Gletscher besonders laut. Doch spektakuläre Holzfunde über der heutigen Waldgrenze zeigen, dass früher Bäume wuchsen, wo heute noch immer Eis ist. Die Gletscher waren in den letzten Jahrtausenden mehrmals kürzer als heute.
Von Peter Panther
Gletscher haben eine Persönlichkeit. Das muss man zumindest annehmen, wenn man die zahlreichen Zeitungsartikel zum Rückgang des Eises in den Alpen liest. Wegen der «Rekordschmelze» würden die Eisriesen «leiden» oder gar «sterben», heisst es hier. Der Klimawandel bedeute ein «Todesurteil» für sie. Dieses Jahr sei der Rückgang der Gletscher besonders stark.
Die Eismassen haben in den letzten Jahren in der Tat deutlich abgenommen. Daran ist ziemlich sicher die Erderwärmung in den Alpen um ca. zwei Grad Celsius seit 1850 schuld. Einen so starken Gletscherschwund wie in der Gegenwart habe es noch nie gegeben, hört man allenthalben.
Rückgang des Eises um die Hälfte seit 1931
Eine Studie der ETH Zürich und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz (WSL) hat solchen Klagen kürzlich Vorschub geleistet: Ein Team von Glaziologen analysierte aufgrund von 21’700 historischen Bildaufnahmen den Rückgang der Gletscher in den Schweizer Alpen. Ihre Abschätzung ergab, dass zwischen 1931 und 2016 rund die Hälfte des Eises verschwunden ist. Flächenmässig sind die Gletscher sogar um zwei Drittel zurückgegangen. Die Studie erschien im Fachblatt «The Cryosphere».
Doch ist der Rückgang des Eises wirklich einzigartig, wie immer wieder suggeriert wird? Gar nicht zu dieser angeblichen Einmaligkeit passen Holzfunde beim Morteratschgletscher in Graubünden, der für seinen besonders starken Rückgang bekannt ist. Im Lauf der letzten Jahre kamen hier mehrmals Stücke von Lärchenstämmen zum Vorschein, die bisher im Eis verborgen gewesen waren – auf einer Höhe von 2150 Metern über dem Meer, wo eigentlich kein Baum wächst.
Über 10’000 Jahre alte Lärchen
Christian Schlüchter, Geologe an der Universität Bern, liess das Alter der Holzstücke bestimmen. Das geschah mittels einer radiometrischen Datierung des Kohlenstoff-Isotops C14, das im Holz enthalten ist, sowie einer Begutachtung der Jahresringe. Und siehe da: Das Holz ist über 10’000 Jahre alt. Das grösste Stück, ein Stamm mit einem Teil des Wurzelstocks, stammt von einem Baum, der vor 10’800 Jahren zu wachsen begann und stattliche 337 Jahre alt wurde.
Schlüchters Abklärungen ergaben weiter, dass die beim Morteratschgletscher gefundenen Holzstücke wohl nur einige Dutzend Meter weit transportiert worden sind. Der mutmassliche Standort der ehemaligen Bäume ist heute noch immer mit Eis bedeckt. Es gab früher also einen Baumbestand auf einer Höhe, wo heute nichts wächst.
Die letzte Eiszeit ging in den Alpen vor 11’700 Jahren zu Ende. Damals erstreckten sich die Gletscher zum Teil bis ins Schweizer Mittelland. Der Holzfund beim Morteratschgletscher zeigt, dass sich das Eis in den 900 Jahren nach der Eiszeit rasant zurückgebildet haben muss – bis auf einen Stand, der geringer ist als heute. Gemäss der Schätzung von Christian Schlüchter lagen die Temperaturen in jener Warmzeit vermutlich um 1,2 bis 1,6 Grad höher als heute.
Holzfunde in den Alpen deuten auf ein Dutzend Warmperioden
Der Fund beim Morteratschgletscher ist alles andere als ein Einzelfall. Forscher wie Schlüchter oder der Glaziologe Gernot Patzelt von der Universität Innsbruck haben im ganzen Alpenraum Holzfunde auf Höhen über der heutigen Baumgrenze dokumentiert. Es gibt solche Funde etwa im Wallis, im Berner Oberland, in Graubünden und in den Österreicher Alpen. Pikant: Das entsprechende Holz ist zum Teil über 10’000 Jahre alt, zum Teil aber auch nur 8000 oder 4000 Jahre.
Bereits 2006 wiesen Schlüchter und andere Forscher anhand von 143 Holz- und Torffunden über der heutigen Baumgrenze nach, dass es seit der letzten Eiszeit sogar zwölf Perioden gab, in denen die Gletscher in den Alpen eine geringere Ausdehnung hatten als 2005. Die Phasen, in denen sie kleiner als 2005 waren, dauerten insgesamt sogar länger als die Phasen mit grösseren Gletschern.
Auch in Skandinavien war die Ausdehnung von Eisfeldern in den letzten paar tausend Jahren vermutlich oft geringer als heute. Letztes Jahr wurde auf dem Eisfeld Digervarden in der norwegischen Gebirgsregion Reinheimen ein Ski aus Holz gefunden, der gemäss Datierung 1300 Jahre alt ist. Zum Vorschein gekommen ist er wegen der Eisschmelze.
Eismumie «Ötzi» deutet auf eisfreie Bergübergänge vor 5000 Jahren
In anderen Gegenden Norwegens stiess man in der Nähe von Gletschern auf Schuhe, Kleidungsstücke, Werkzeuge, Hufeisen und Pfeile, mit einem Alter von bis zu 6000 Jahren. Die Funde deuten auf Reiserouten, die nur wegen einer geringen Eisbedeckung begangen werden konnten.
In dieses Bild passt die Entdeckung des Eismumie «Ötzi» im Grenzgebiet zwischen Italien und Österreich im Jahr 1991. Die Mumie ist über 5000 Jahre alt und ein Hinweis, dass die Menschen in der Jungsteinzeit Bergübergänge benutzten, die heute noch immer vereist sind.
Natürlich kann man anhand der Länge von Gletschern nicht eins-zu-eins auf die Temperaturen in früheren Jahrtausenden schliessen. Auch Niederschläge haben einen starken Einfluss auf das Gletscherwachstum. Dennoch: Es muss in Europa seit der letzten Eiszeit mehrere Phasen gegeben haben, in denen es – zurückhaltend gesagt – mindestens so warm war wie heute. Klar ist jedenfalls, dass der gegenwärtige Eisschwund alles andere als einzigartig ist.
Studie ETH/WSL, 2022:
https://tc.copernicus.org/articles/16/3249/2022/
Studie Joerin, Schlüchter et al., 2006:
https://journals.sagepub.com/doi/10.1191/0959683606hl964rp
Bei Baumfunden unter zurückweichenden Gletschern kommt es auf die Baumgrenze zum Zeitpunkt des Baumwuchses an. Bei typischen Gletschern befindet sich die Baumgrenze tiefer als das Gletscherende.
Der Aletschgletscher ist insofern eine Ausnahme, als er ein riesiges Nährgebiet hat, welches sich in einem rel. schmalen Auslauf zwängen muß. Daher ist der Nachschub so groß daß die Zunge wesentlich tiefer herabgeht als es der Baumgrenztemperatur entspricht. Daher gibt es in einem Übergangsbereich am oberen Rand der Moräne einen Lärchenwald.
Das steht aber nicht im Widerspruch zur Erkenntnis, daß in Gegenden wo so eine Situation nicht der Fall ist, man aufgrund von Baumfunden unter zurückweichenden Gletschern Rückschlüsse auf frühere Klimazustände ziehen kann. Dabei geht es nämlich nur um Funde im direkten Gletscherstrom und nicht um solche, seitlich oben an der Moräne, wo gar kein Gletscher ist.
Also z. B. für die Funde direkt unter der österr. Pasterze kann man Rückschlüsse auf das Klima zur Zeit des Baumwuchses ziehen.
https://kaernten.orf.at/v2/news/stories/2718069
Ceterum censeo, Gletscher entstehen nicht durch Kälte, sondern durch Niederschläge. Wenn es von denen zu wenig gibt, schmelzen die Gebirgs-Gletscher. Draussen im Weltall würden solche bei -270°C verdunsten.
Die beiden Aquator-nahen beinah 6000 Meter hohen Berge Cotopaxi in Ecuador und Kilimandscharo in Tansania demonstrieren den Zusammenhang. Am Kilimandscharo gibt es nur noch sehr wenig Schnee, am Cotopaxi reicht dieser beinahe bis auf 5000 Meter hinab.
Und nicht vergessen, vor ca. 10’000 Jahren ging die letzte Eis-Zeit zu Ende. Warum? Weil die Höhlen-Bewohner aufgehört hatten, Klima-Abgaben zu bezahlen. Wir sollten es ihnen nachmachen (<-kleiner Scherz!)
Die bahnbrechende Erklärung für das säkulare Kommen und Gehen von Gletschern liefert die Theorie der Milankovic-Zyklen.
Gehen Sie doch einfach einmal zum Morteratschgletscher:
Oberhalb dem heutigen (2019) Gletscherungenende wachsen nicht nur Bäume, das ist schon ein (lichter) Wald. Bäume stehen da bis über 2300m.
Einfach mal in die Dinge sich einlesen, bevor man darüber schreibt würde helfen.
MfG Ketterer
Herr Ketterer, ich hätte das auch nicht gewußt, deshalb meine Frage, woher wissen Sie, dass dort gleich ein ganzer Wald mit alten Bäumen oberhalt des Gletschers steht. Die müßten dann bereits vor 100 Jahren von klein auf gewachsen sein. Waren Sie selbst dort? Auf Bildern im Internet sehe ich keinen Wald. Eine Verschiebung der Baumgrenze nach oben (Info aus Wikipedia) heißt doch zunächst mal nur, dass in der Gegenwart weiter oben kleine Bäumchen sich halten und wachsen können. So wie Sie sich übereilig ausdrücken, zweifeln Sie an, dass unter dem Eis jahrtausendalte Bäume zum Vorschein kommen.
Herr Kowatsch, was bringt sie zu dieser Aussage :
Ich habe großen Respekt vor den Arbeiten von Patzelt, Nicolussi und nicht zuletzt auch von Schlüchter über die fossilen Hölzer und Torfe aus Gletschervorfeldern. Nur wenn in diesem Zusammenhang gesagt wird, die heutige Baumgrenze (am Morteratschgletscher) sei unter 2150m und jedermann kann sehen, dass im Morteratsch-Tal die Waldgrenze bei ca. 2300m liegt, dann erhebe ich Widerspruch. Diese liegt somit oberhalb (höher) als das Gletscherzungenende.
Den BS, das zur jüngeren Dryas die Gletscher im Mittelland lagen ist Ihnen wohl auch nicht aufgefallen.
Auch Ötzis Tisenjoch war im Sommer eisfrei. Alles grobe Schnitzer in Peter Panthers Bericht.
Gehen Sie doch selbst einmal zum Morteratschgletscher und steigen Sie auf die 2860ervSeitenmoräne, dann sehen Sie den Wald.
MfG Ketterer
Solle heißen 1860er Seitenmoräne
Der Moratschgletscher kommt von 4000 m Höhe. Wie schnell bewegt es sich und wir lange waren die Bäume im Eis. Was sagen die Baumringe, wie alt die Bäume waren?
2300 m is eher unteres Ende. Da sind die Bäume nicht lange im Eis.
Haben sie da genauere Informationen?
Prof. Schlüchter gibt genauere Informationen.
Diese zeigen, dass Ihre Mutmaßungen zum größten Teil falsch sind.
MfG Ketterer
Fragen sind also Mutmassungen?
Sind sie sicher, das sie fachlich argumentieren?
Das Alter von den Bauemen ist im Artikel angegeben:
Wenn die Geschwindigkeit vom Gletscher bekannt ist, kann man dann sagen wo der Baum herkam oder in welcher Hoehe er gewachsen ist?
Nein,
Der Baum lag wohl in der Grundmoräne.
MfG Ketterer
Sorry Link hatte vergessen, den Link zu posten:
http://www.srf.ch/news/panorama/aus-dem-gletschereis-wie-uraltes-holz-geschichten-erzaehlt
Danke fuer den Link,
An welcher Stelle wollen sie jetzt also argumentieren? An der Baumgrenze oder an der Dynamik der Gletscher, die z.B. dieser Baumfund dokumentiert?
Im Hauptartikel ging es um das Letztere.
Welche Dynamik?
Die wonach laut P. Panther die Gletscher sich aus dem Mittelland bis in höhere Lagen als heute (die ich Nicht in Frage stellte) zurück gezogen haben sollen?
Der Artikel enthält 4 grobe Schitzer, von denen 2 fundamentale Falschaussagen sind.
Da lohnt sich eine Diskussion erst, wenn diese Fehler korrigiert wurden.
MfG Ketterer
Fragen sie Herrn Schlüchter oder den Schreiberling von dem Artikel, den sie verlinkt haben. Ich habe daraus zitiert und meine eigene Meinung dazu.
Leider war ich zur jüngeren Dryas nicht in Mittelland, um mir Gletscher anzusehen.
Haben sie an der Stelle wissenschaftliche Ausarbeitungen, die ihre Position unterstuetzen?
Um Fehler aufzudecken, brauchen sie die entsprechenden Fakten.
Das mit der Baumgrenze sieht also so aus, das dieser Gletscher ueber der Baumgrenze beginnt aber die Gletscherzunge unterhalb der Baumgrenze liegt. Es ist weiterhin so, das der Gletschen einen Baum bedeckt hat, der in dem Gebiet einmal ohne Eis gewachsen ist.
Zumindestens hier sollten sie verstehen, was mit der Dynamik gemeint sein koennte.
Herr Schulz, wenn Sie die Dynamik der Gletscher diskutieren wollen, gerne, nur nicht unter dem Eindruck von P. Panthers ‚Blendwerk‘ (Gletscher vor 11 700 Jahren im Mittelland).
Bleiben wir beim Morteratschgletscher. Schlüchters Baumfund war auf ca. 2100 m Höhe im Gletschervorfeld. Laut Schlüchter wurde der Baum nicht sehr weit transportiert. Damit wäre eine Höhenlage von 2250m des Ursprungstandortes wohl eher an der Obergrenze.
Am Ende der ‚großen‘ Eiszeit (Kaltzeit), der jüngeren Dryas (11 700 Jahre vor heute) war der Morteratsch-Gletscher bis Ponteresina zurück gezogen [1] (ca 1750 m Seehöhe).
Daraus ergibt sich eine Rückzugsrate von knapp 60m Höhenanstieg des Gletscherzungenendes je 100 Jahre. Das ist schon sehr beachtlich.
Und wie sieht es nach der ‚Kleinen Eiszeit‘ aus?
Gletscheterminus heute bei ca. 2130m Seehöhe. Vor 160 Jahren lag das Gletscher Ende bei 1902 m [2] das macht ca. 230m Anstieg in 160 Jahren. Das macht über 140m ‚Anstieg‘ der Gletscherzunge pro 100 Jahren. Folglich ist beim Morteratschgletscher die Dynamik seit dem Ende der kleinen Eiszeit (auch mit den zwischenzeitlichen Gletschervorstößen) deutlich ausgeprägter als in den ersten 900 Jahren des Holozän.
Ja sicher 160 Jahre verglichen mit 900 Jahren ist ein Unterschied. Nur diese kurze Überschlagsrechnung zeigt, wie daneben die von P. Panther vorgebrachten These sind.
Quellen:
[1] Burga, C. A. & Corrodi, D (2011)
Primärsukzessionsprozesse, Bodenbildung, Tourismus und
Naturschutz am Beispiel der Gletschervorfelder von Morte-
ratsch und Aletsch (Graubünden/ Wallis, Schweiz)
In: Ber. d. Reinh.-Tüxen-Ges. 23, 103-118.
[2] Nicolussi et al. (2022) The glacier advance at the onset of the Little Ice Age in the Alps: New evidence from Mont Miné and Morteratsch glaciers.
The Holocene 32(7) S. 624–638.
Aha, damals (zum Ende der Würmeiszeit, also der Dryas, zu einer Zeit als der Morteratsch-Gletscher gerade mal bis Ponteresina reichte, welche Gletscher waren da im Schweizer Mittelland?
OMG
MfG Ketterer
Und die wärmeren Sommer sind eindeutig Folge der längeren Sonnenscheindauer, während die Winter nicht wärmer wurden – wo versteckt sich nur das anthropogene CO2?? Und weil die Baumgrenzen im Holozän oftmals höher lagen als heute, daraus ist zu schließen: Wir sind zweifelsfrei wieder auf dem Weg in die Eiszeit wie alle Hunderttausend Jahre zuvor! Wenn Technik und Fortschritt von unserer grünen Politik nicht völlig ruiniert werden und wir mit dem Unsinn aufhören, Kälte als das neuzeitliche grüne Klima-Ideal anzusehen, dann werden unserer Nachfahren besser denn je gerüstet sein, um die bevorstehende, lange Vereisungsperiode zu überleben. So oder so, unsere Nachkommen werden auf unsere grünen Klima-Irren nicht gut zu sprechen sein.