von AR Göhring

Daß bestimmte biologische Reize gern dazu gebraucht werden, um Produkte anzupreisen, ist weder neu noch besonders anrüchig. Aber Panikmache zu nutzen, um irgend etwas zu verscherbeln, ist nicht nur moralisch verwerflich.

Eckart von Hirschhausens Katastrophenkolumne im Drogeriemagazin alverde ist seit einiger Zeit bekannt. Tod und Elend, wohin der Medien-&Politarzt in der Natur schaut – was aber niemals an Industrieanlagen mitten im Wald liegt (Windmühlen…), sondern stets an in Spuren vorhandenen atmosphärischen Verdauungsgasen und ähnlichem.

Der Wettbewerber von Roßmann will da nicht nachstehen und kündigt nun auch das Waldsterben 2.0 in seinem Centaur an. Was natürlich nicht an Windkraft-Industrieanlagen zwischen den Bäumen liegt,….. Sie wissen schon.

Im aktuellen Heft sieht man den Senior-Chef Dirk Roßmann, der Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg recht ähnlich sieht, und seinen Sohn auf dem Titel. Im Doppelinterview geht’s um Familienbande, Werte, Zusammenhalt, also perfekte Themen im Umfeld von Werbung für Duschgel, Gesichtscreme und Sonnenschutz. Was hingegen erstaunt, ist die Weltuntergangsrhetorik in den „journalistischen“ Texten des Heftes.

Da darf ein beamteter Förster aus Schaumburg von „extremen Waldschäden der letzten Jahre“ und vom Waldspaziergang als „Besuch auf einer Intensivstation“ fantasieren. Sie wissen schon: Der Mann spricht natürlich nicht von Industrieanlagen zwischen den Bäumen…

Politisch korrekt über angeblich zerstörte Natur klagen ist bei Förstern, Bauern, Waldbesitzern oder Fischern nicht unüblich, da man heuer leicht an Subventionen aus dem Steuertopf gelangen kann. Der Trick klappt sogar bei Landwirten vom anderen Ende der Welt: Ein peruanischer Bauer klagt mit Unterstützung der Klima-NGO Germanwatch seit Jahren gegen das RWE, da ein angeblich CO2-bedingt schmelzender Andengletscher sein Haus und sein Dorf bedrohe.

Was er eigentlich meint, sagt er nicht, und das nennt man Framing – irgendeine Behauptung wird den Lesern unkonkret, dafür ununterbrochen eingehämmert. Im Fließtext neben dem Försterinterview steht immerhin etwas von heftigen Stürmen und von Schädlingsbefall im Wald bei Bückeberg. „Extremwetter“ würde ein Klimaforscher oder Quantitätsjournalist nun sagen, das vom „Klimakollaps“ herrühre, um den immer weniger glaubhaften Begriff „Erderwärmung“ zu vermeiden.

Etwas Realität und Wahrhaftigkeit findet man aber trotzdem noch im Artikel: Der geschädigte Bückeberg-Wald war gar nicht so natürlich, sondern eher eine alte Fichtenplantage. Daß Monokulturen anfälliger für alles Mögliche sind, hat aber rein gar nichts mit der Industrie zu tun, und ist schon bei der Anpflanzung klar. Um das Problem zu lösen, hat der Seniorchef von Roßmann nun ein Aufforstungsprogramm gestartet, mit dem er für jeden Mitarbeiter seiner Drogeriemärkte Eichen und andere heimische Bäume pflanzen will, insgesamt 34.000. Das ist doch prima, kein echter Grüner von echten Nicht-Regierungsorganisationen hat auch nur zaghafte Kritik vorzubringen. Wald ist gut!

Das Klimagetöse drumherum ist aber überflüssig, vor allem in Kundenmagazinen. Die Hefte sind ja gratis und eigentlich nichts anderes als die aufgedrängten Reklameblätter, die so manchen Briefkasten im Urlaub schnell verstopfen. Wahrscheinlich denkt die Roßmann-Redaktion (sofern es sie gibt, und die ganzen Kundenhefte nicht zentral von Auftrags-Büros gestaltet werden), daß die Kundinnen (die Produktreklamen richten sich fast nur an Frauen) ohne einen redaktionellen Teil mit Öko-, Gender- und Diversity-Themen die Hefte als Briefkastenreklame erkennen – und liegen lassen. Vielleicht hat die Redaktion damit sogar recht – Spiegel, Stern und Bild machen seit jeher Kasse mit deprimierenden Weltuntergangsthemen.

Interessant wäre es, einmal ein paar Spiegel-Ausgaben, oder auch Centaur und alverde, ohne jede Weltanschauung und Panikmache zu schreiben, um zu vergleichen, ob die sachlichen Texte vielleicht besser ankämen. Nicht vergessen: Ehemalige Demokratie-Sturmgeschütze wie der Spiegel oder bürgerliche Institutionen wie die Frankfurter Allgemeine verlieren seit 20 Jahren massiv an Lesern und damit Einnahmen.

Das läßt sich nicht mit „Technik-Strukturwandel“ wegdiskutieren. Internet oder Papier – guter Journalismus wird immer nachgefragt. Dennoch würde ein Experiment wie das oben angedachte kaum in Erwägung gezogen werden, noch würden die Ergebnisse umgesetzt, sollte sich zeigen, daß Ideologiefreiheit beim Käufer ankäme.

Aus irgendeinem Grund, den die universitäre Wissenschaft noch nicht herausgefunden hat (oder herausfinden will), betrachten sich Journalisten und Redakteure heuer mehrheitlich nicht mehr als halb-konstitutionelles Kontrollorgan und Wirklichkeits-Erforscher, sondern eher als fürstliche Herolde oder Zeitgeist-Verkünder. Das Phänomen könnte mit unserer Stammesgeschichte zu tun haben, etwa mit C.G.Jungs „Archaetypen“, also evolvierten Persönlichkeitstypen, die wichtige gesellschaftliche Aufgaben erfüll(t)en. Tja, oder schlicht mit Faulheit – es ist viel einfacher, etwas Leichtes zu studieren und dann mit dem Strom zu schwimmen.

Einen weiteren Grund für zeitgeistige Schlagseite benennt der Wald-Artikel in Centaur selbst, denn der erwähnte Intensivstation-Förster arbeitet mit ClimatePartner und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald SDW zusammen, um den Roßmann-Wald auf dem Bückeberg aufzuforsten. Nie gehört? ClimatePartner ist eine junge Firma, die seit 2015 durch EU-Gesetzgebung erzwungene Dienstleistungen erfolgreich für diverse Hersteller anbietet (vorher dümpelte sie vor sich hin).

Die SDW hingegen ist schon über 70 Jahre alt und wird heute von Spenden&Sponsoren finanziert – und natürlich von der Bundesregierung, wie es sich für eine Nichtregierungs-Organisation gehört. Die Aufforstungsaktion von Roßmann erinnert daher frappierend an die Stiftung Plant-for-the-Planet des Club-of-Rome-Mitglieds Frithjof Finkbeiner, der um 2010 seinem kleinen Sohn Felix durch TV-Talkshows ziehen ließ, um für seine Baumpflanzaktionen zu werben, die das Klima retten sollten.

Seitdem hat man aber nicht mehr viel davon gehört, und es ist fraglich, ob die Umweltstiftung nennenswerte Zahlen an Bäumen für den Planeten gepflanzt hat, oder nur ein paar Setzlinge vor laufenden Kameras. Selbst wenn, wäre es auch nicht wirklich relevant, da unser Planet seit 40 Jahren von ganz allein rund 30 Prozent grüner geworden ist. Wußten Sie das? Wenn nicht – sollen Sie auch nicht.

Da der Roßmann-Seniorchef selber hinter der Aufforstungsaktion steht und gerne darüber redet, und da das Gebiet auf den Bückeberg begrenzt ist, ist im vorliegenden Fall tatsächlich davon auszugehen, daß trotz gewisser nutzloser Steuergeldflüsse für die NGOs viele Bäume gepflanzt werden. Soll er für Werbezwecke ruhig erwähnen, wenn andere Firmen hübsche Frauen auf Reifenstapel setzen. Das Ganze aber mit Panikmache zu garnieren, um das Pflanzen von Bäumen als Rettung einer sowieso ergrünenden Welt hinzustellen, ist unhygienisch. Wenn man bedenkt, daß dank der gerade stattfindenden Preisexplosion und der „Grünflation“ selbst Doppelverdienerhaushalte ihren Urlaub knicken können und sich auf heftige Energiekosten-Nacherhebungen gefaßt machen müssen, könnten die Kundinnen von Roßmann und anderer Drogeriemärkte allmählich allergisch auf solche Weltretter-Artikel reagieren.

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