Stefan Kämpfe

Im ersten Teil lernten wir die Merkmale, das Häufigkeitsverhalten und die möglichen Ursachen für die Häufung der Unbestimmten (XX) Wetterlagen kennen. Doch auch die massive Windenergienutzung könnte hierbei eine gewisse Rolle spielen. Sie ist quasi Täter und Opfer zugleich. Einerseits entzieht sie der Atmosphäre kinetische Energie und fördert so möglicherweise besonders in bestimmten, labilen Situationen das Tendieren der Atmosphäre zur Unbestimmtheit. Andererseits fehlt ihr dann bei diesen Lagen der Wind – ein Teufelskreis. Wer Windräder sät, wird also keinen Sturm, sondern Flaute ernten.

Teil 2: Unbestimmte (XX) Wetterlagen, Windverhalten und Windenergienutzung

Zunächst ist zu klären, ob zwischen der zunehmenden Windenergienutzung und der Häufung der XX-Lagen auch ein positiver Zusammenhang besteht. Dieser wäre, wie alle Korrelationen generell, kein Beweis, aber zumindest ein Indiz. Sachliche Argumente, wie die Windenergienutzung die Atmosphäre beeinflusst, gibt es genug; Näheres hier und hier. Seit im Jahre 1988 die ersten 137 Windenergieanlagen (WEA) in Betrieb gingen, hat sich ihre Anzahl um das mehr als Zweihundertfache erhöht; auch Größe und Leistung der einzelnen Anlage nahmen merklich zu. Der Einfachheit halber wurde hier nur die Anzahl der WEA zur Häufigkeitsentwicklung der XX-Lagen in Relation gesetzt:

Abbildung 16: Mit dem stark wachsenden Ausbau der Windenergie, hier dargestellt als 1/500 der am Jahresende vorhandenen Windenergieanlagen in Deutschland, nahm auch die Zahl der XX-Lagen tendenziell zu.

Auch hierbei zeigten sich erhebliche jahreszeitliche Unterschiede: Im Herbst war dieser positive Zusammenhang besonders eng; im Winter sehr gering, im Frühling fehlte er fast gänzlich. Auch wenn von überwiegend natürlichen Ursachen für die Häufigkeitsentwicklung der XX-Lagen auszugehen ist (siehe Teil 1), so könnte der massive Windkraftausbau trotzdem eine gewisse Rolle spielen. Alarmierender ist für die Windindustrie die in den letzten 3 Jahrzehnten abnehmende Windgeschwindigkeit in Deutschland, für welche die XX-Lagen wesentlich mitverantwortlich sind.

Abbildung 17: Tendenziell fallende Windgeschwindigkeit im Jahresmittel (Beaufort-Mittel aus 25 Norddeutschen Stationen) bei Häufigkeitszunahme der XX-Lagen. Der negative Zusammenhang zwischen beiden ist signifikant. Zur besseren Veranschaulichung in einer Grafik wurde die Häufigkeit der XX-Lagen in Indexwerte umgerechnet.

Ein Extrembeispiel für die fehlende Leistung der Windenergie lieferte jüngst der an XX-Lagen reiche März 2022 (13 Tage):

Abbildung 18: Verlauf der deutschen Stromerzeugung nach Energieträgern im März 2022. Von den benötigten 50 bis 70 GW (Last, schwarze Linie) konnten die über 30.000 Windräder oft nur lächerliche 0,3 bis 15 GW beisteuern; meist deutlich unter 10 GW (hell blau-grünliche Fläche); nur an wenigen Tagen 20 bis 30 GW. Die ausnahmsweise extrem fleißige Märzsonne stand nur für eine kurze Mittagszeit zur Verfügung; nicht aber in den laststarken Morgen- und Abendstunden; nachts sowieso gar nicht (keine Grundlastfähigkeit). Summa summarum leisteten Braun- und Steinkohle, Kernenergie und das politisch momentan sehr unbeliebte Erdgas stets 30 bis 90% der Stromproduktion! Biomasse (grün) und Wasserkraft (dunkelblau) sind praktisch nicht mehr ausbaufähig. Und zum Monatsende schwächelte dann auch die Märzensonne. Deutschland, einst ein zuverlässiger Stromexporteur, wird zunehmend von Stromimporten abhängig (weiße Flächen unter der schwarzen Lastlinie) und muss seine Überschüsse (gelbe Spitzen über der Lastlinie) meist billig verschleudern. Zur Beachtung: Es handelt sich nur um die Stromproduktion; bei der Primärenergie (Heizen, Verkehr, Industrie) schnitten die „Erneuerbaren“ noch viel, viel schlechter ab. Bildquelle energy-charts.info, ergänzt.

Näheres zur Energiewende aus meteorologischer Sicht hier. Auch in der zweiten Aprilhälfte sowie in der ersten Maidekade mangelte es an Wind; von den etwa 63 Gigawatt (GW) installierter Leistung wurden zeitweise nur 0,5 bis 1 GW geliefert, also teilweise nicht mal 1% der Nennleistung! Um sich das noch besser vorstellen zu können: Ein Auto mit ausgewiesenen 100 PS brächte bloß noch knapp 1 PS – das würde vermutlich nicht einmal reichen, mit vier normalgewichtigen Insassen eine sanfte Steigung zu bewältigen. Nun könnte man aber einwenden, dass bei XX-Lagen ja lokale Windsysteme in die Bresche springen und Windstrom liefern. Das wollen wir uns zum Abschluss einmal näher ansehen. Näheres zur Entstehung der Lokalwinde hier oder bei Wikipedia. Schon der Begriff „lokal“ verdeutlicht: Ganz Deutschland kann man damit sowieso nicht versorgen; denn auf hoher See (Off-Shore) sowie im Norddeutschen Binnen-Tiefland fehlen diese bei antizyklonalen XX-Lagen besonders ausgeprägten Windsysteme. Seewinde reichen an den Küsten sowie an großen Seen selten weiter als 10 bis 50 Kilometer landeinwärts; der Berg-Talwind hat in seiner größten Form, der Gebirgsausgleichsströmung, zwar Reichweiten von 50 bis 70, selten 100 Km, gemessen vom Gebirgskamm; er ist aber nur in mittleren Entfernungen von etwa 20 bis 40 Km optimal ausgeprägt. Bevor wir uns zwei sehr ernüchternde Beispiele des Verhaltens der Windgeschwindigkeit bei typischen XX-Lagen ansehen, werfen wir einen Blick auf die Leistungskennlinie einer Windkraftanlage (WKA). Diese liefert nämlich bei sehr schwacher Windgeschwindigkeit unterhalb von etwa 3 bis 2,5 m/s, was zirka dem Tempo eines langsamen Radlers entspricht, überhaupt keinen Strom; und die (volle) Nennleistung erreicht sie erst bei etwa 12 bis 13 m/s (ungefähr 40 Km/h, zirka die Geschwindigkeit des fließenden Stadtverkehrs). Sehr viel lässt sich an diesen Gegebenheiten auch nicht mehr optimieren.

Abbildung 19: Leistungskennlinie einer großen Windturbine. Erst ab 2,5 bis 3 m/s Windgeschwindigkeit überhaupt Stromerzeugung, welche dann bis zur Nennleistung, die bei etwa 12 bis 14 m/s erreicht wird, mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit wächst („kubisches Gesetz“). Bildquelle

Am 2. Mai herrschten in ganz Deutschland schwach Luftdruckgegensätze mit meist reichlich Sonnenschein bei der Unbestimmten Wetterlage XXAAT. Die in für die Gebirgsausgleichsströmung in optimaler Entfernung liegende DWD-Station Erfurt/Weimar zeigte folgenden Tagesgang der Windgeschwindigkeit:

Abbildung 20: Stundenwerte der Windgeschwindigkeit in Erfurt/Weimar am 2. Mai 2022. Die Minima am Morgen und Abend sowie das mittägliche Maximum sind deutlich erkennbar. Aber selbst Letzteres war viel zu schwach für eine optimale Windstromproduktion. Der rote Querbalken markiert die sehr optimistisch angenommene Mindestwindgeschwindigkeit von 2,5 m/s zur Windstromerzeugung.

Die DWD-Station in Boltenhagen an der Ostsee (Westmecklenburg) unterlag am selben Tage dem Land-Seewind-System:

Abbildung 21: Stundenwerte der Windgeschwindigkeit in Boltenhagen am 2. Mai 2022. Die Minima am Morgen und Abend sowie das mittägliche Maximum sind erkennbar. Aber für einen Küstenstandort ist das ein ernüchterndes Ergebnis hinsichtlich der Windausbeute.

Auch wenn es sich dabei nicht um Windmessungen in Nabenhöhe handelt (dort sind die Windgeschwindigkeiten meist merklich höher), so zeigt doch ein Blick auf die deutsche Stromproduktion bis zum 10. Mai 2022, wie gering die Windstromausbeute deutschlandweit ausfiel.

Abbildung 22: Verlauf der deutschen Stromerzeugung nach Energieträgern vom 1. bis zum 10. Mai 2022. Darstellung wie in Abb. 18. Man achte vor allem auf die weißen Flächen unter der schwarzen Lastlinie – sie zeigen Stromimporte an. Eine lange Serie vorwiegend Unbestimmter (XX) Wetterlagen ließen die Windenergie bis zum 9. Mai regelrecht verkümmern; die vorherrschenden Lokalwinde ermöglichten oft nur kärgliche 0,5 bis 5% Windstromanteil im deutschen Strom-Mix. Bildquelle energy-charts.info, ergänzt.

Selbst bei einer Verzehnfachung (!) der Anlagenzahl, bei welcher dann auf fast jedem Quadratkilometer Deutschlands eine Anlage stehen müsste, würde Windenergie bei solchen Wetterlagen kaum die Hälfte des deutschen Strombedarfs decken – vom Primärenergiebedarf ganz zu schweigen. Und im Winter fällt das mittägliche Windmaximum bei vielen XX-Lagen fast völlig aus.

Abbildung 23: Stundenwerte der Windgeschwindigkeit in Erfurt/Weimar am 13. Februar 2021. Es war praktisch überhaupt keine Windstromproduktion möglich – zu einer Zeit, wo Energie wegen Kälte und Dunkelheit besonders nachgefragt wird. Jener Winter 2020/21 erwies sich wegen vieler zirkulationsarmer Wetterlagen als enorm windschwach; Näheres dazu hier.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken