Stefan Kämpfe

Das abgelaufene Jahr 2021 bot wettermäßig viel Gesprächsstoff. Erwähnenswert sind die Schneemassen im Januar und Februar, der kalte, oft noch weiße April, der raue Mai, ein sehr warmer Juni, das Hochwasser im Juli, ein kühler, regnerischer August und ein oft goldener, mäßig-milder Herbst.

Wie außergewöhnlich war die Witterung des Jahres 2021?

Als Wetter bezeichnet man den augenblicklichen physikalischen Zustand der Atmosphäre eines bestimmten Ortes zu einer bestimmten Zeit. Dieser physikalische Zustand lässt Ausreißer und Extremwerte zu; was als „normal“ gilt, ist fast immer Ansichts-, Glaubens- und Geschmackssache. Der heuer etwas aus der Mode gekommene Begriff der Witterung füllt die zeitliche Lücke zwischen Wetter und Klima nicht völlig; er lässt sich aber ganz gut zur Charakterisierung des Wetters über mehrere Tage, Wochen und Monate bis hin zu Jahreszeiten oder eines Jahres verwenden. Auch der Begriff des Klimas ist zeitlich unscharf; er kann gemitteltes Wetter und aufgetretene Rekordwerte eines Zeitraumes weniger Jahre, mehrerer Jahrzehnte bis hin zu Jahrhunderten umfassen; nicht selten limitiert der Beginn einer bestimmten Messreihe die zeitliche Dimension.

Sehr kurze Mittelungen leiden unter dem Problem der Zufälligkeit – man kann aus wenigen, zufällig nacheinander folgenden sehr warmen oder kalten Jahren keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die längerfristigen Verhältnisse eines Ortes ziehen! Sehr lange Mittelungen verschleiern hingegen mögliche kürzere Klimaschwankungen. Aufgrund dieser Probleme hat sich international die so genannte „CLINO-Periode“ von 30 Jahren zur Mittelung durchgesetzt.

Aber was bedeutet das nun für die Einordnung des Jahres 2021? Mit einem Deutschland-Mittel von etwa 9,2°C zählte es zwar noch zu den wärmeren seit Aufzeichnungsbeginn im Jahre 1881, schaffte es aber, anders als seine Vorgänger, nicht unter die 15 wärmsten Jahre. Es lohnt sich auch, kritisch auf den Beginn der Messreihe zu schauen! Im Jahre 1881 hatte die Industrialisierung Deutschlands mit all ihren Konsequenzen gerade Fahrt aufgenommen; eine zunehmende Luftverschmutzung verminderte die Sonnenscheindauer und wirkte ebenso kühlend wie der verheerende Vulkanausbruch des Krakatau (1883). Und gut einhundert Jahre später, 1981, war die Luftverschmutzung noch immer ein großes Umweltproblem; doch schon etwa ein Jahrzehnt später griffen die Luftreinhaltemaßnahmen – seitdem nahmen Sonnenscheindauer und Wärme merklich zu. Außerdem wuchsen seit 1881 Bevölkerung und Siedlungsdichte stark, was so genannte Wärmeinseleffekte förderte, welche nicht nur auf die Städte und Dörfer begrenzt blieben, sondern durch Entwässerung, geänderte Landnutzung und überregionale Verkehrstrassen sowie die aktuell zunehmende Nutzung der Wind- und Solarenergie auch Teile des Umlandes erwärmten; alle diese Effekte dauern an.

Abbildung 1: Die Entwicklung der Deutschland-Jahrestemperaturmittel weist drei Phasen auf: Eine deutliche Erwärmung bis etwa 1948, danach eine geringe Abkühlung bis 1987 und ab 1988 die aktuelle, starke Erwärmung. Mit Bereinigung der Wärmeinseleffekte würden die aktuellen Mittelwerte um etwa 0,4 bis 0,7 Kelvin (°C) niedriger ausfallen.

Ein Sonderfall der Wärmeinseleffekte ist der städtische Wärmeinseleffekt, welcher in der englischsprachigen Fachliteratur oft als UHI (Urban Heat Island Effect) bezeichnet wird. Im DWD-Messnetz findet sich ein schönes Beispiel dafür aus Thüringen:

Abbildung 2: In Thüringen existieren zwei nicht sehr weit voneinander entfernte, fast gleich hoch gelegene DWD-Stationen, eine ländliche im Thür. Becken (Dachwig) und eine sehr stark UHI-beeinflusste an der Jenaer Sternwarte im Stadtzentrum. Bei der ländlichen (Dachwig) fiel die seit 1991 (noch) zu beobachtende Erwärmung etwas geringer aus. Beide Stationen wurden seit 1991 nicht verlegt.

Aber wie ist das abgelaufene Jahr niederschlagsmäßig einzuordnen? Mit um die 800 mm fiel es nur unwesentlich zu feucht aus. So schlimm das Juli-Hochwasser 2021 für die Betroffenen in Westdeutschland auch war, solche Ereignisse sind keine Folge der Klimaerwärmung – es gab sie (leider) schon immer recht häufig, und es wird sie auch weiterhin geben; Näheres dazu hier.

Abbildung 3: Mit um die 800mm liegt 2021 nur etwas über dem Durchschnitt 1881 bis 2020 –markant zu nass war es also nicht. Ob der leicht zunehmende Trend (nicht signifikant) wirklich eine Folge der Klimaerwärmung ist, bleibt mehr als fraglich; solare Effekte und die AMO spielten wahrscheinlich eine deutlichere Rolle.

Kaum noch Vegetationsverfrühung?

Seit gut 30 Jahren beobachtet der Verfasser die Vegetationsentwicklung in Weimar. Die landläufige Meinung, alles blühe und reife immer früher, gilt jedoch nicht uneingeschränkt, denn alle wichtigen phänologischen Jahreszeiten zeigen seit 1990 momentan keinen oder nur einen geringen, nicht signifikanten Verfrühungstrend:

Abbildung 4: Keine wesentlichen (signifikanten) Trends bei der Vegetationsentwicklung in Weimar seit 1990. Man beachte, dass fallende Trends (Hasel) Verfrühung, steigende (Wildstachelbeere) Verspätung bedeuten – doch wegen der großen Streuung der Einzelwerte sind sie nicht signifikant. Alle Beobachtungen erfolgten stets an denselben Standorten.

Die meiste Verfrühung fand also bis etwa zum „Klimasprung“ (um 1988) statt – danach scheint die Erwärmung weitgehend ausgereizt.

Die Sonne bringt es an Tag- mehr Sonnenschein bedeutet mehr Wärme

Einen wesentlichen Einfluss auf die Lufttemperaturen, besonders im Sommerhalbjahr, hat die Sonnenscheindauer, welche in Deutschland zuverlässig flächendeckend erst seit 1951 registriert wird. Aber auch im Jahresmittel wirkt eine höhere Sonnenscheindauer merklich erwärmend:

Abbildung 5: Mehr Sonnenschein bedeutet mehr Wärme. In den letzten 31 nahm vor allem die Sonnenscheindauer merklich zu; sie war die Hauptursache der Erwärmung. Weil sich Lufttemperatur- und Besonnungswerte stark unterscheiden, wurden sie zwecks besserer Darstellbarkeit in einer Grafik in Indexwerte umgerechnet; die zwei sonnigsten Jahreswerte sind markiert.

Über die Auslöser der stärkeren Besonnung und Bestrahlung lässt sich nur mutmaßen. Neben geänderten Großwetterlagenhäufigkeiten, einer geänderten Landnutzung (weniger Verdunstung durch mehr Versiegelungen der Böden und Meliorationsmaßnahmen) kommen auch die Sonnenaktivität selbst, Änderungen bei den Wolkenarten durch den Luftverkehr und ab Ende der 1980er Jahre die erfolgreichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung (Filter, Katalysatoren) in Betracht.

2021 – zirkulations- und windschwach?

Seitdem vor gut 20 Jahren die umfassende Nutzung der Windenergie in Europa begann, deutet sich eine merkliche Abnahme der Windgeschwindigkeiten an. Das kann Zufall oder auch eine Folge zu vieler, bremsend wirkender Windkraftanlagen sein; auf jeden Fall wurden in den letzten Jahren Klagen der Windkraftindustrie über mangelhafte Erträge lauter. Dieser Trend setzte sich auch 2021 fort.

Abbildung 6: Sinkende Windgeschwindigkeiten im Zeitraum 1992 bis 2021. Da es (leider) kein DWD-Flächenmittel für die Windgeschwindigkeit gibt, wurde dieses aus den Daten von 25 Stationen in Nord- und Mitteldeutschland berechnet. Die Werte für 2021 lagen (leider nur in Beaufort) bis November vor und wurden durch eine optimistische Dezember-Schätzung ergänzt.

Jahr 2022 – ebenfalls kühler ?

Ein etwas kühleres Jahr bedeutet noch längst keine Trendwende bei der Entwicklung unseres Klimas, doch verlief der Winter (Juni bis August) auf der Südhalbkugel ungewöhnlich kalt, und seit einigen Wochen häufen sich Berichte über frühe und teils strenge Kälte mit gebietsweisen Schneemassen von Schottland über Lappland, Sibirien, Alaska und Kanada bis nach Nordafrika, dem Nahen Osten und Indien. So sollte man auch den zum Jahreswechsel in Mittel-und Westeuropa sehr milden Winter noch nicht völlig abschreiben, zumal das arktische Meereis diesmal ungewöhnlich rasch im Herbst/Frühwinter gewachsen ist. Weiteres, starkes Meereiswachstum könnte einen zu kalten Frühling in Mitteleuropa begünstigen. Auch die Sonnenaktivität bleibt weiter recht gering. Näheres wird sich aber vielleicht schon im weiteren Verlauf dieses Winters zeigen; denn einem zu warmen Januar folgt tendenziell ein zu warmer Jahresrest – die sehr hohen Jahreswerte von 2018 bis 2020 werden aber vermutlich nun nicht mehr erreicht. Erfahrungsgemäß beginnen längere Abkühlungsphasen im Polargebiet und in den subpolaren Breiten; erst später greifen sie dann dauerhaft auf die mittleren Breiten über, so dass Deutschland vielleicht erst im weiteren Verlauf der 2020er Jahre stärker betroffen sein wird.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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