Der Ausblick auf den Hochwinter 2020 macht zunächst wenig Hoffnung auf eine häufigere Präsenz von Schnee und Kälte bis ins Flachland. Es sind aber die seit Februar 2018 immer wieder über längere Zeiträume auftretenden Zirkulationsstörungen und die geringe Sonnenaktivität, welche dem Winter 2019/20 noch vage Chancen geben, sich seinen Namen zu verdienen. Eine Bewertung der ursprünglichen, bis Ende November vorliegenden Winterprognosen erfolgt dann im März.

Ein Blick auf die Entwicklung der NAO (Nordatlantische Oszillation, ein Maß für das Luftdruckgefälle zwischen Azoren und Island) zeigt, dass sich im Dezember 2019 meist positive NAO- Werte einstellten, was mildes Westwetter in Mitteleuropa begünstigt und uns das alljährliche „Weihnachtstauwetter“ beschert hat:

Abb. 1: Seit Anfang Dezember 2019 herrschten bislang meist positive NAO-Werte, was ein erhöhtes Luftdruckgefälle zwischen den Azoren und Island bedeutet. Die daraus resultierenden Westwinde halten die Kälte von Mitteleuropa fern. Quelle: NOAA (Wetterdienst der USA)

Bauern- Regeln werden zwar oft als altmodisch belächelt; doch oftmals haben sie einen wahren Kern. Sie stellen oft (unbewusst) auf die Erhaltungsneigung der großräumigen Zirkulation ab, welche kurz nach der Wintersonnenwende besonders ausgeprägt ist. Die beiden Regeln „Dezember wechselhaft und lind, der ganze Winter bleibt ein Kind“ und „War bis Dreikönigstag kein (richtiger) Winter, so folgt (meist) keiner mehr dahinter“ machen wenig Hoffnung auf Winterwetter, zumal auch fast alle Modelle eine sehr milde Witterung in den Monaten Januar und Februar erwarten, freilich mit großer Unsicherheit:

Abb. 2a und 2b: Momentan sieht das wichtigste experimentelle Langfristmodell, das CFSv2 des US- Wetterdienstes NOAA, einen zu milden Januar (oben) und einen sehr milden Februar vorher. Zur Beachtung: Diese Prognosen sind experimenteller Art und keinesfalls stets zutreffend; doch momentan erwarten auch die Institute NASA, DWD, MeteoSchweiz und UKMO, einen mehr oder weniger zu milden Hochwinter 2020.

Nun ist es nicht so, dass wegen der angeblichen Klimaerwärmung keine großen Kaltluftmassen mehr im Nordwinter entstehen. Im Herbst 2019 wuchs die von Eis bedeckte Meeresoberfläche in der Arktis recht stark, aber die kälteste Luft sammelte sich, wie in den bei uns milden Vorwintern üblich, über Nordostkanada und Grönland, nicht über Nordskandinavien/Nordwestrussland, was eine erste, wichtige Voraussetzung für einen Kaltwinter in Deutschland wäre. Anfang Januar 2020 soll sich diese ungünstige Lage gar noch verschärfen:

Abb. 3: Ensemble-Prognose für den 4. Januar 2020. Man erkennt den markanten, troposphärischen Kältepol über Nordkanada/Grönland (violette Farbe). Tiefer Luftdruck über dem Nordmeer und hoher über dem westlichen Mittelmeerraum sorgt für eine milde Westströmung über Deutschland. Quelle der Abbildung: wetterzentrale.de

Ein anderes, freilich ebenfalls nur experimentelles Prognoseverfahren basiert auf so genannten Analogfällen, das sind Jahre mit ähnlicher Luftdruckverteilung wie 2019 in den Vormonaten des zu prognostizierenden Winters. Eine solche fand sich in den Jahren 1910, 1915, 1931, 1934, 1941, 1952, 1953, 1963, 1966, 1980, 1990, 2002, 2004, 2013 und 2015. Berechnet man daraus die mittlere Luftdruckverteilung für Januar und Februar, so zeigt sich folgendes Bild:

Abb. 4a und 4b: Mögliche, aus den Analog-Fällen berechnete Abweichungen des Boden-Luftdrucks (umgerechnet auf Meeresspiegelhöhe) vom Langjährigen Mittel in hPa im Januar (oben, 4a) und im Februar. Rot bedeutet übernormalen, blau unternormalen Luftdruck. Man erkennt im Januar ein riesiges Gebiet übernormaler Abweichungen über fast ganz Mittel-, Südwest- und vor allem Nordwesteuropa, besonders westlich von Irland. Eine solche Verteilung begünstigt das Auftreten von Hochdruckgebieten zwischen den Azoren, Spanien, Mittel- und Nordwesteuropa; keine guten Voraussetzungen für längere, sehr kalte Witterungsphasen. Im Februar stünden die Chancen auf zumindest zeitweilige Kaltluftzufuhr aus Nord bis Nordost etwas besser. Quelle beider Abbildungen: LARS THIEME

Wenn, wie auch 2019, im Jahresmittel ein deutlich zu hohes Geopotential über Deutschland herrschte, so erhöht das die Wahrscheinlichkeit für einen eher milden Januar:

Abb. 5: Je höher die 500-hPa-Fläche über Deutschland im Vorjahr (Jahresmittel) lag, desto milder fällt tendenziell der folgende Januar in Deutschland aus; dies traf sehr gut auf die sehr milden Januare 1983, 1990, 2007 und 2008 zu. Freilich gilt aufgrund der hohen Streuung: Keine Regel ohne Ausnahme! So folgte dem recht niedrigen Geopotential 1974 ein extrem milder Januar 1975, und der Januar 1954 fiel trotz eines vorangehenden, relativ hohen Geopotentials deutlich zu kalt aus.

Die QBO wechselt aller Voraussicht nach bald auch in den untersten Stratosphären-Schichten zur Ostwindphase, was, ähnlich wie 2018, die Zonalzirkulation schwächen könnte. Unterstützt wird diese unsichere Vermutung von der sehr geringen Sonnenaktivität. Doch nur, wenn der Wechsel nicht zu spät erfolgt, könnte er noch einen kalten Spätwinter auslösen.

Fazit: Eindeutige, verlässliche Anzeichen für einen länger kalten Hochwinter 2020 in Deutschland fehlen. Es bleibt vorwiegend mild bis sehr mild. Kurze winterliche Episoden oder ein zu kalter Februar sind noch nicht völlig ausgeschlossen, aber momentan wenig wahrscheinlich. Nur mit ganz viel Glück könnte sich also ab Ende Januar noch eine Umstellung hin zu sehr kalter Witterung vollziehen; letztmalig erlebten wir Ähnliches im Winter 2017/18. Allerdings deuten die meisten Vorzeichen auf einen relativ zeitigen Frühling hin.

Zusammengestellt von Stefan Kämpfe, unabhängiger Klimaforscher, am 25.12. 2019

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