Der umstrittene Grenzwert für Stickstoffdioxid NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft soll um 10 µg/m3 überschritten werden dürfen. Das meldete die Augsburger Allgemeine in einer exklusiven Geschichte aus Brüssel.
Wie die Redaktion aus Kreisen der Kommission erfuhr, darf in Deutschland der Grenzwert bis auf 50 µg/m3 überschritten werden. Das hat offenbar die Kommission entschieden. Dieser Grenzwert für den Jahresmittelwert an NO2 gilt seit 2010, dessen Überschreitung ist die Ursache für drohende Fahrverbote in vielen Städten, wie sie der umstrittene Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.« einklagt. Allerdings wird dieser Grenzwert immer seltener überschritten, wie Daten des Umweltbundesamtes anzeigen.
Diese unerwartete Rückendeckung für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kommt überraschend. Denn noch vor kurzem hat EU-Umweltkommissar Karmenu Vella kategorisch nur Verschärfungen der Grenzwerte in den Raum gestellt. Scheuer dagegen fordert seit langem höhere Grenzwerte.
Das würde für viele Städte bedeuten, dass sie keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen müssten. München hat bereits entschieden, dass es keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der Stadt geben wird. Sie seien »unverhältnismäßig«, begründete die Stadt und bezog sich damit auf die zweite Bedingung, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Dieselfahrverbotsurteil vor etwa einem Jahr ausgesprochen hatte: Fahrverbote müssten auch »verhältnismäßig« sein.
Allerdings hat diese Bedingung bisher fast keine Stadt geprüft. Das Umweltreferat befürchtet, dass sich bei einer Sperrung etwa des verkehrsreichen mittleren Ringes die Autofahrer andere Routen durch anliegende Wohngebiete suchen.
Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem es aufgrund von Überschreitungen von Grenzwerten Fahrverbote geben soll. In anderen Ländern stehen die Messstationen in der Regel nicht so, dass deutlich höhere Anteile an NO2 gemessen werden.
Auf ein interessantes Ergebnis ist TE Leser Martin S. gestoßen. Der pensionierte Ingenieur hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Messstellen der EU ohne Deutschland noch einmal rechnerisch unter die Lupe zu nehmen, die 2016 über 49 µg/m³ liegen.
Er hat in seiner Untersuchung die Abstände der Stationen zur Fahrbahn und Gebäuden summiert. Sein Ergebnis: In Baden-Württemberg stehen die Messstationen im Schnitt weniger als die Hälfte der restlichen EU näher an der Fahrbahn. Nischeninstallationen wie am Stuttgarter Neckartor gibt es EU-weit nicht.
Die Untersuchung ist hier abrufbar.
Ein Beispiel, wie man es »richtig« macht, liefert Malta, die Heimat des EU-Umweltkommissars Vella. Der strengt gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren an. Die Station steht am unverbauten Hafen, an dem meist ein frischer Wind weht und registriert – o Wunder – keine Überschreitungen der Grenzwerte. Es wundert nicht wirklich, dass gegen Malta keine Vertragsverletzungsverfahren laufen.
Offen sind derzeit die Hintergründe zu der Brüsseler Entscheidung. Nimmt die Kommission jetzt tausende mehr vorzeitige Tote in Kauf oder hat der aufkeimende Aufstand der Dieselfahrer in vielen Städten dazu geführt? Immerhin sind in diesem Jahr Europawahlen und da machen sich solche massiven Schläge gegen die Bürger schlecht.
Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier
Im Beitrag wird behauptet: „Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem es aufgrund von Überschreitungen von Grenzwerten Fahrverbote geben soll“. Das ist zumindest in bezug auf Frakreich nicht richtig, siehe z.B.
https://www.tourenfahrer.de/artikel/fahrverbote-in-frankreich/
Französische Politiker sind jedoch weniger ideologisch verblendet als manche andere, denn dort werden die Fahrverbote für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß nur temporär bei der Überschreitung von Grenzwerten verhängt und die Verbote jeweils einige Tage vor dem ersten Geltungstag veröffentlicht.
Natürlich Wahlkampfhilfe. Die merken auch langsam das der politische Gegenwind stärker wird. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn man den ganzen Quatsch noch näher unter die Lupe nimmt.
Wir kennen ja das Juncker Titat:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“