Im September hat der Bundesrechnungshof seinen jüngsten Bericht mit dem Titel „2018 Sonderbericht – Koordination und Steuerung zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie“ (hier, PDF) veröffentlicht. Die Welt hat darüber hier berichtet [diesen Beitrag hat die GWPF ins Englische übersetzt. Wen diese Übersetzung interessiert, der schaue hier. Sie ist die Grundlage für diesen Kommentar von Dr. John Constable. Anm. d. Übers.]

Im Wesentlichen werden in dieser neuen Studie die Bedenken erneuert und ausgeweitet, die schon in einem Vorläufer-Bericht im Jahre 2016 angeklungen waren (hier, in Englisch). Darin schrieb der Bundesrechnungshof, dass das Wirtschaftsministerium (BMWi) „… keinen Überblick habe über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende“ und dass „Schlüsselfragen wie ,wie viel kostet die Energiewende für die Regierung?‘ oder ,was sollte die Energiewende für die Regierung kosten?‘ nicht gestellt, geschweige denn beantwortet worden sind“. Die Autoren fügten noch hinzu, dass dies keine triviale Angelegenheit sei.

Damit besteht das ernste Risiko, dass ein Vorantreiben der Energiewende zu einem immer kostspieligeren Unterfangen wird.

Die Welt schreibt, dass in dem neuen Report „die Kritik sogar noch massiver ist, weil ein allgemeiner Kontrollverlust festzustellen ist“. Dieser Punkt bezieht sich auf einen Kommentar aus jüngster Zeit des hervorragenden dänischen Ingenieurs Paul-Frederik Bach, welcher durch Beobachtungen bestätigt ist: „Poor Management of the ,Energiewende’”.

Bachs Auswertung jüngster Daten zeigt nicht nur, dass die Vorhersagen des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 2016 allgemein korrekt waren, sondern auch, dass die im Jahre 2018 im neuen Report angesprochenen Bedenken wohlbegründet sind. Die Kostensteigerungen scheinen tatsächlich außer Kontrolle geraten zu sein. Man betrachte beispielsweise die folgende Graphik mit einer Auswahl Management-Kosten des Stromsystems, welche Bach aus der ureigenen Dokumentation des Bundesrechnungshofes genommen hat:

Abbildung 1: Service-Kosten des Stromsystems. Quelle: BMWi, zusammengestellt von Bach [Link siehe oben]

Der sprunghafte Anstieg von 2014 bis 2015 fällt sofort ins Auge, sind doch die Kosten ruckartig von 1,1 Milliarden Euro bis 2015 auf 1,6 Milliarden Euro gestiegen mit einer weiteren Steigerung auf 1,7 Milliarden Euro 2017. Eine Referenz zu den Daten der Kosten von der Bundesnetzagentur zeigt, dass diese Kostensteigerungen im Wesentlichen zurückzuführen ist auf zunehmende Kompensationszahlungen für Windenergie, sowohl onshore als auch offshore, deren Output künstlich verringert worden ist, um die Systemstabilität zu erhalten. Kompensationszahlungen beliefen sich im Jahre 2014 auf 65 Millionen Euro, 2015 waren es bereits 277 Millionen Euro und 2016 nach einem scharfen Anstieg 467 Millionen Euro. Kompensationszahlungen für die Kürzung des Windenergie-Outputs in UK beliefen sich in jenen Jahren auf 91 und 82 Millionen Pfund. Eindeutig werden die deutschen Verbraucher schwer zur Kasse gebeten, um die Erzeugung von Windenergie zu stoppen. Die folgende Graphik zeigt Daten von 2013 bis 2016:

Abbildung 2: Kompensationszahlungen für die Begrenzung der Erzeugung durch Wind, Solar und Biomasse von 2013 bis 2016. Quelle: Graphik vom Autor erstellt mit den Zahlen der Bundesnetzagentur hier, Tab. 9.3

Aber die Ursachen sind schwierig auszumachen. Zunehmende Kapazität von Windenergie ist mit Sicherheit ein beitragender Faktor. Die Gesamt-Windkapazität in Deutschland stieg von 38,6 GW im Jahre 2014 auf 44,6 GW 2015 mit einer deutlichen Zunahme von Offshore-Windenergie, das erklärt jedoch für sich allein noch nicht die Tatsache, dass der Gesamt-Output von 57,3 TWh 2014 auf 79 TWh 2015 gestiegen ist, also eine Zunahme von 22 TWh innerhalb eines Jahres. Es stimmt zwar, dass sich diese Zunahme teilweise erklären lässt mit der größeren Energie-Produktivität der erweiterten Offshore-Windflotte, aber es scheint auch, dass allgemein Bedingungen mit mehr Wind für die Steigerung ursächlich waren. Oder anders gesagt, relativ geringe Windbedingungen unmittelbar vor dem Jahr 2015 verbargen die latenten Probleme, welche mit stärkerem Wind 2016 zutage getreten waren.

Zusammen mit anderen Faktoren, über die ich nur spekulieren kann, wie etwa Netzausfälle, geringe Nachfrage oder die Zurückhaltung benachbarter Netze, Wind-Überschüsse aufzunehmen,kam es zu einer massiven Zunahme des Volumens abgeregelten Windstromes. Im Jahre 2014 belief sich dieser auf 1,2 TWh, 2015 bereits 4,1 TWh. Zum Vergleich: in UK wurden 2014 0,66 TWh gekürzt und 2015 1,28 TWh. Solar und Biomasse wurden ebenfalls gekürzt, wie aus der eigenen Graphik der Bundesnetzagentur hervorgeht:

Abbildung 3: Beschneidung von Windenergie (Gwh), Biomasse und Solarenergie von 2009 bis 2016. Quelle: Bundesnetzagentur.

Wir können die Kosten pro MWh angenähert berechnen, indem wir die gezeigte Zahlung durch die gezeigten Volumina der Energie-Kürzungen dividieren. Daraus geht hervor, dass die Kosten pro Einheit gekürzter Windenergie ebenfalls sehr signifikant gestiegen sind, und zwar von etwas über 50 Euro pro MWh 2014 auf fast 70 Euro pro MWh 2015, um 2016 auf über 130 Euro pro MWh zu steigen.

Es ist offensichtlich, dass etwas Neues und Bedeutendes im deutschen Stromsystem im Gange ist, sicher eine Energiewende, aber nicht von der beabsichtigten Art. In der Tat, während Diskontinuitäten bei Weitem nicht so häufig in natürlichen und ökonomischen Phänomenen auftreten wie einige sensationslüsterne Journalisten das gerne hätten, gibt es hinreichende Beweise dafür zu fragen, ob Deutschland das erste Land ist, welches die Erfahrung eines stark nicht-linearen Trends hinsichtlich der Schwierigkeiten und Kosten des System-Managements bei Anwesenheit unkontrollierbarer Erneuerbarer macht.

Dann jedoch kann die Erklärung auch profaner und mehr politischer Natur sein. Es ist bekannt, dass die Schwierigkeiten Deutschlands über viele Jahre in Beziehung zu Erneuerbaren maskiert worden sind durch die Stärke der Netzverbindungen mit benachbarten Ländern, was den Export von überschüssigem Strom ermöglicht. Das ist bei den Nachbarsystemen nicht populär, und es ist eine Tatsache, dass sowohl Polen als auch die Niederlande Phasenschieber an ihren Grenzen installiert haben, um nötigenfalls deutsche Überschuss-Exporte zu blockieren. Vielleicht ist die ziemlich plötzliche Steigerung der Systemkosten zumindest teilweise erklärlich durch die Tatsache, dass diese Nachbarn jetzt Nein! sagen können, wenn es ihnen passt.

Welche Erklärung sich auch immer als richtig erweist – und es können sehr gut beide Erklärungen zutreffen – die Energiewende tritt in eine neue Phase, und zwar eine, bei der die sorglose Haltung der Bundesregierung bzgl. zukünftiger Kosten – vom Bundesrechnungshof seit einigen Jahren massiv kritisiert – für Spezialisten kein Thema mehr sein wird und in die politische Mainstream-Diskussion Eingang findet. Hat die Bundesregierung die Kontrolle über die Kosten der Energiewende verloren? Wie passend kommt da die Wiederbelebung der Grünen genau dann, wenn diese Politik immer mehr in Frage gestellt wird. Schließlich sind es die Grünen, welche ansonsten vernünftige Entscheidungsträger in die Ecke getrieben haben und welche ihre Macht innerhalb der Koalitionsregierung dazu missbraucht haben, den Deutschen übereifrige Politik bzgl. Erneuerbarer überzustülpen. Jetzt kommt allmählich die Rechnung ans Tageslicht, und die Grünen dürfen jetzt persönlich erklären, warum sie all diese unverdaulichen Maßnahmen zu höchst luxuriösen Kosten auf die Speisekarte gesetzt haben.

Link: https://www.thegwpf.com/has-the-cost-of-germanys-energiewende-entered-a-critical-phase/?

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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