Der verantwortliche SPON-Redakteur Stefan Schultz hat in seinem Beitrag (hier) immerhin begriffen, dass Wind und Sonnenstrom den Launen der Natur gehorchen müssen und daher zu oft ausbleiben. Das war es dann aber auch schon. Seine logisch klingende, aber leider unrealistische Schlussfolgerung besteht darin, dass der notwendige Ersatzstrom durch geeignete Lieferverträge mit Stromlieferanten garantiert werden könne. Er drückt dies so aus: „Das fundamentale Prinzip der deutschen Stromversorgung lautet: Jeder Kunde hat einen Lieferanten, und dieser muss liefern – egal, was kommt. So steht es in der Stromnetzzugangsverordnung“. Weiter folgert er: „Überwacht wird diese Pflicht über einen sogenannten Bilanzkreis, ähnlich einem Bankkonto. Liefert der Verantwortliche für den Bilanzkreis zu wenig Strom, rutscht sein Konto ins Minus. Dann gibt der Netzbetreiber Kredit: sogenannte Regelenergie. Spätestens nach einer Viertelstunde muss der Anbieter sein Konto wieder ausgleichen. Dazu kann er die Elektrizität selbst produzieren oder irgendwo einkaufen. Ein Versorger kann also so viele Kraftwerke abschalten, wie er will – solange er am Markt genug Strom kaufen kann. Sollten viele Kraftwerke abgeschaltet werden, würde Strom teuer. Die verbleibenden Kraftwerke würden wieder profitabel.

Dunnerlittchen, nun hat uns einer die ultimative Lösung verraten. Nur schade, dass die Wirklichkeit diesen sachlich absurden Vorstellungen beim besten Willen nicht folgen kann. Freilich darf man fairerweise von einem Redakteur, dessen akademischer Hintergrund das Studium der „Medienkultur“, Politik und britischen Literatur ist (hier), nicht mehr erwarten. Man kann aber vom SPON einfordern, dass er fachfremde und nicht einmal einer ordentlichen Recherche kundige Mitarbeiter keine Artikel schreiben lässt, die sie fachlich überfordern. So nämlich blamieren sich SPON und Redakteur gleichermaßen. Der Autor hätte lieber von Herrn S. Schultz etwas über die na sagen wir mal Metaphysik Hamlets unter Berücksichtigung der "politischen Medienkultur" im 17. Jahrhundert erfahren. Mit einem Bericht über die Energiewendeproblematik lag er etwas daneben – um es höflich auszudrücken.

Tatsächlich ist das Problem des Ersatzstroms nicht wirtschaftlicher sondern weit überwiegend technischer Natur. Dieses Faktum, das sich jedem Einsichtigen schon nach kurzer Recherche erschließt, ist Herrn S. Schultz entgangen. Die sich aus Naturgesetzen und technischen Regeln ergebenden Probleme der Energiewende lassen sich dummerweise weder mit Verträgen noch mit politischen Zwangsmaßnahmen lösen. Kurz, Herr S. Schultz hätte sich vielleicht doch besser vorher informiert. Danach hätte er als der Medienkultur kundiger Kopf das Verfassen seines Artikels vermutlich unterlassen.

Eine gute Quelle der Information ist beispielsweise die deutsche physikalische Gesellschaft (DPG) in „physik konkret“ (hier). Dort ist nachfolgend zu lesen (hier), verfasst von Prof. Konrad Kleinknecht, einem ehemaligen Vorstandsmitglied der DPG und Beauftragten der DPG für „Energie“:

————- Beginn des Beitrags von K. Kleinknecht (DPG) ——————–

Speicherung der elektrischen Energie

Elektrischer Strom muss in dem Augenblick verwendet werden, in dem er erzeugt wird. Es gibt einen Bedarf, der rund um die Uhr benötigt wird (Grundlast), einen regelmäßig auftretenden zeitlich variablen Bedarf (Mittellast) und einen plötzlich nachgefragten Spitzenbedarf. Die Grundlast wird derzeit durch Braunkohle- und Kernkraftwerke abgedeckt, die Mittellast durch Steinkohlekraftwerke und die Spitzenlast durch schnell steuerbare Gaskraftwerke.

Neue fluktuierende Stromquellen

Durch die neuen Stromquellen Windkraft und Photovoltaik (PV) ändern sich die Verhältnisse. Die Abbildung rechts zeigt stellvertretend den zeitlichen Verlauf der Einspeisung von Solar- und Windstrom für den März 2012. Die erbrachte Leistung fluktuiert sowohl täglich als auch saisonal. Windkraftwerke lieferten im Jahr 2012 ihre volle Nennleistung nur während durchschnittlich 4,6 Stunden am Tag und Photovoltaik-Solarzellen während 2,3 Stunden am Tag. Andererseits muss der Strom aus diesen Quellen wegen des EEG-Gesetzes prioritär abgenommen werden. Die konventionellen Kraftwerke müssen heruntergefahren werden, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst, und anschließend wieder hochgefahren werden. Das verringert ihre Effizienz und Rentabilität. Da die Erzeugung des Stroms aus Wind-und Solarenergie nicht mit dem zeitlichen Verlauf des Bedarfs übereinstimmt, wäre es sinnvoll, die überschüssige elektrische Energie wenigstens für die Dauer eines Tages zu speichern.
Die elektrische Energie aus Windkraft betrug im Jahr 2012 ca. 50.000 GWh, die aus Photovoltaik ca. 24.000 GWh [1]. An einem Tag fallen also durchschnittlich 137 GWh Windenergie und 66 GWh Solarenergie an. Wenn diese Energie zum Zeitpunkt der Erzeugung nicht gebraucht werden kann, muss sie gespeichert werden, oder die Anlagen müssen abgeschaltet werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Überschuss an die Nachbarländer zu verschenken oder dafür sogar eine Gebühr zu bezahlen.

Speicherung der elektrischen Energie aus Solar- und Windkraftanlagen

Elektrischer Strom kann mit hoher Effizienz zurzeit nur in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden. Die Speicherkapazität aller Anlagen in Sachsen, Bayern und im Schwarzwald beträgt 40 GWh [2], reicht also nur aus, um ein Fünftel des Tagesertrags aus Wind und Sonne zu speichern. Dieses Szenario setzt voraus, dass die nötigen neuen Übertragungsleitungen von Nord nach Süd schon gebaut sind, um die Energie der Windkraftanlagen im Norden zu den Speichern im Süden zu bringen. Dies wird einige Jahre Bauzeit erfordern. Der Ausbau der Speicher im Süden hätte also höchste Priorität, stößt allerdings z. B. beim Ausbau des Schluchseekraftwerks bei Atdorf auf den Widerstand der Anwohner.

Als alternative zukünftige Speichermöglichkeit wird die Elektrolyse von Wasser und die Umwandlung des erzeugten Wasserstoffs zu Methan sowie dessen Verbrennung in einem Gaskraftwerk diskutiert. Diese Methode („power-to-gas-to-power“) erlaubt die Speicherung des Methangases im existierenden Rohrleitungssystem, ist allerdings sehr ineffizient; nur ein Drittel der eingesetzten Windkraftenergie steht am Ende als Elektrizität wieder zur Verfügung [3]. Die technische Umsetzung steckt noch in den Kinderschuhen, der Wirkungsgrad der Elektrolyse ist bei fluktuierendem Stromangebot geringer als bei konstantem Strom [4]. Das erzeugte Methan ist zur Zeit wesentlich teurer als das russische Erdgas oder das Flüssiggas aus Katar. Andere Alternativen wie etwa Druckluftspeicher haben nicht die benötigte Kapazität [3].

Eine Entlastung der Netze könnte erreicht werden, wenn alle Besitzer von PV-Anlagen auf ihrem Dach den um die Mittagszeit anfallenden Solarstrom in einigen Batterien im Haus speichern und am Abend zum Betrieb ihrer Hausgeräte benutzen würden. Wenn zwei Millionen Haushalte mit PV-Anlage jeweils Batterien mit 5 kWh Kapazität installieren, würde dies einen lokalen Speicher von 10 GWh bilden. Als weitere Möglichkeit wird die Speicherung in den Batterien zukünftiger Elektromobile diskutiert. Falls in zehn Jahren eine Million solcher Fahrzeuge existieren würde, könnte in ihren Batterien eine Energie von 20 GWh gespeichert werden. Das wären etwa zehn Prozent der an einem Tag anfallenden Wind-und Solarenergie, falls alle Elektromobile um die Mittagszeit aufgeladen würden. In Wirklichkeit werden sie nachts aufgeladen, wenn keine Sonne scheint. Für die nächsten zehn Jahre wird diese Speichermöglichkeit also keine Rolle spielen.

Fazit

Für die nächsten zehn Jahre wird es keine Möglichkeit geben, relevante Mengen elektrischer Energie effizient zu speichern. Es bleibt bei der fluktuierenden Einspeisung der Wind-und Solarenergie nur die Möglichkeit, fossile Kraftwerke als regelbare Schattenkraftwerke zu betreiben, die bei überschüssiger Energie aus Wind-oder Solarkraft heruntergefahren werden und bei deren Ausfall als Reserve zur Verfügung stehen. Diese unregelmäßige Betriebsweise der fossilen Kraftwerke ist allerdings ineffizient und unwirtschaftlich. Auch kann die Leistung dieser Kraftwerke nicht beliebig stark und schnell geändert werden.

Quellen

[1] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.

[2] H. Gasser, Arbeitskreis Energie des DPG Tagungsbands 2012, S. 128

[3] M. Sterner, M. Jentsch, U. Holzhammer, Gutachten für Greenpeace, Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES Kassel), Feb. 2011

[4] F. Schüth, MPI für Kohleforschung (Mülheim), FAZ, 13. März 2013, Seite N2

[5] G. Bergolte 2013

———- Ende des Beitrags von K. Kleinknecht (DPG) —————————

Es ist nicht zuviel verlangt und einem SPON-Redakteur zuzumuten, zu recherchieren, d.h. beispielsweise die hier zitierte, gut informierende DPG zu lesen. Ferner sich zu bemühen, technische Inhalte zu verstehen und dann dem Leser zu vermitteln. Herr Schultz hätte sich natürlich auch auf der EIKE Website bestens informieren können, z.B. über die ihm wohl etwas näher liegenden wirtschaftlichen Aspekte des alternativen „Zappelstroms“ (hier, hier, hier, hier). Dann wäre ihm die simple Erleuchtung gekommen, dass der Nachteil fluktuierender Stromeinspeisung ohne unzumutbar hohe Kosten TECHNISCH-NATURGESETZMÄßIG-GRUNDSÄTZLICH nicht zu beseitigen ist.

Der oft von sachunkundigen Zeitgenossen zu vernehmende gute Glaube "wir brauchen nur noch mehr Windstrom, dann wird die Energiewende schon klappen" ist absurd falsch. Wir können so viel Windstrom produzieren, wie wir wollen (an windreichen Tagen ist es bereits jetzt schon viel zu viel, der Strom muss dann gegen Aufpreis ins Ausland verschenkt werden), so steht doch fest: beliebig und unvorhersehbar fluktuierender Strom ist unbrauchbar und für die Stabilität der Stromnetze fatal. Die Beseitigung dieses Nachteils führt unabdingbar zu extremen Kosten. An der Hauptversorgung mit kostengünstigen Grundlastkraftwerken, die stetigen, regelbaren Strom liefern (Kohle und Uran, in anderen Ländern auch Schiefergas – Putins Gas ist für Grundlastkraftwerke zu teuer) geht kein Weg vorbei. Dem Autor tut es ja für jeden gutgläubigen grünen Traumtänzer leid, aber so ist nun einmal die Realität. Windräder und Photovoltaik sind volkswirtschaftlich kostspieliger Unsinn, ganz besonders hierzulande. In Wüsten mag dies ein wenig anders aussehen. Noch ist Deutschland keine Wüste, wenn es aber mit der Energiewende so weitergeht, wird es eine werden – eine industrielle. Das Problem der deutschen Energiewende ist nur mit der Rückkehr zum Zustand quo ante behebbar. Kompletten Nonsense abzustellen, war schon immer die beste Lösung. Ein kleiner Tipp für noch immer nicht überzeugte Leser und insbesondere für Herrn S. Schultz: wer außer uns in der Welt macht die Energiewende noch mit? Woran mag das wohl liegen?

Der Mythos des SPON vom "nicht möglichen" Blackout

Wir wären ja alle heilfroh, wenn der drohende Black Out ein Mythos wäre. Leider ist das platte Gegenteil der Fall. Je mehr fluktuierender Wind- und Sonnenstrom ins bundesdeutsche Netz per Oktroi (EEG) gelangt, umso technisch schwieriger wird dessen unabdingbare Stabilitätsausregelung vermittels schnell reagierender Schattenkraftwerke (meist Gas). Das Netz wird zunehmend instabil und bricht früher oder später zusammen, wenn es wie bisher mit der zunehmenden Eispeisung von Wind- und Sonnenstrom so weitergeht und immer mehr Grundlastkraftwerke wegfallen (hier, hier, hier).

Zum Blackout (hier). Der Autor hatte nach einem Hochschul Fachvortrag die Gelegenheit mit einschlägigen Experten zu sprechen, die zum kritischen Zeitpunkt konkret mit dem Stabilitätsproblem befasst waren. Deutschland ist nach Schilderung dieser und aller weiteren dem Autor bekannten Fachleute im vorletzten Winter haarscharf an der Katastrophe vorbeigeschlittert. Über die Folgen informiert die nicht gerade als ruhige Nachtlektüre geeignete Drucksache des deutschen Bundestages (hier). Man darf bei einem mehrtägigen Black Out zuverlässig von Tausenden Toten, Plünderungen und weiteren wenig ersprießlichen Ereignissen ausgehen. Erst ist der Druck in der Wasserleitung, dann das Wasser selber weg, Handy und Telefon sind tot, niemand befreit Sie aus einem steckengebliebenen Fahrstuhl mit eng aneinandergedrückten Passagieren ….. Wenn man auch noch an materiellen Schadensschätzungen interessiert ist, dann (hier).

Ein nettes Schlusswort

Lieber SPON, wir alle schätzen SPIEGEL bzw. SPON als informative, oft erfrischend freche und meist bemüht objektiv berichtenden Medien – keine Selbstverständlichkeit in der heutigen deutschen Journalistenlandschaft. So wie in dem hier kritisierten Beitrag geht es aber gar nicht. Der ist kurioser sachlicher Unsinn, nichts weiter. Und an den SPON Redakteur: Lieber Herr Schultz, wir empfehlen Ihnen, in Zukunft erst einmal sorgfältig zu recherchieren und dabei die Fakten nicht dem grünen Glauben zu opfern. Wir empfehlen Ihnen auch, nur über Themen zu schreiben, in denen Sie fachlich einigermaßen sattelfest sind. Wir sind sicher, in diesem Fall Ihre Beiträge schätzen zu lernen.

Zum Autor:

Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke ist Diplom-Physiker mit langjähriger Berufserfahrung in Forschung, Lehre und Industrie. Er hat das Sachbuch "Energie und Klima: Chancen, Risiken, Mythen", expert-Verlag, verfasst sowie über Klimathemen in den letzten Jahren mehrere Forschungsarbeiten in begutachteten Fachjournalen zs. mit Koautoren veröffentlich. Informationen zu Buch und Publikationen sind in der EIKE-Webseite (hier) einseh- und herunterladbar.

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