*Im Original lautet dieser Satz: „Victory for gas lobby as aims of €80bn EU innovation programme altered to channel money to ‚low-carbon‘ fossil fuel”
Bild rechts: Ein Gaskraftwerk als Teil des nationalen Netzwerks zur Gasverflüssigung auf der Insel Grain. Bild: Chris Ratcliffe/Getty Images
Einem geheimen Dokument zufolge, dass dem Guardian vorliegt, wird ein großer Teil der Euromilliarden an Zuwendungen, die vermeintlich für die Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien wie Solar- und Wellenenergie gedacht waren, stattdessen umgeleitet, um die Entwicklung des gut etablierten fossilen Treibstoffes zu subventionieren.
Die Nachricht stammt von der angesehenen International Energy Agency IEA, welche ein „goldenes Zeitalter für Erdgas“ mit der globalen Erschließung „unkonventioneller“ Gasquellen prophezeite (vor allem hinsichtlich Schiefergas, das mit dem ‚Fracking’ extrahiert wird), die sich bis zum Jahr 2035 verdreifachen sollen.
Der daraus resultierende Preisverfall für Gas birgt das Risiko, die Entwicklung erneuerbarer Energien in den Startlöchern zu stoppen, solange die Regierungen nicht Maßnahmen ergreifen, um die erneuerbaren Technologien wie Solar- und Wellenkraft zu unterstützen. „Die erneuerbare Energie könnte das Opfer billiger Gaspreise sein, wenn die Regierungen nicht an ihren Agenden zur Unterstützung der Erneuerbaren festhalten“, sagt der führende Ökonom an der IEA Fatih Birol.
Die Einführung von Gasenergie als Energieform mit geringem Kohlenstoffanteil in ein EU-Programm folgt einer mehr als 18 Monate dauernden intensiven Lobbyarbeit der europäischen Gasindustrie, welche versucht, sich selbst als grüne Alternative zu Kohle- und Kernkraft zu gerieren sowie billiger zu sein als erneuerbare Formen der Energie z. B. aus Wind und Sonne.
Aber grüne Gruppen warnten davor, sich auf Gas zu verlassen, weil die Energiepreise steigen würden und dies ein Scheitern des Kampfes gegen die Klimaänderung sei. Außerdem könnte das Wachstum der Industrie der Erneuerbaren grundlegend gestört werden. Gas ist ein fossiler Energieträger – aber weil bei der Verbrennung weniger Kohlendioxid entsteht als beim Verbrennen von Kohle, haben die Lobbyisten der Gasindustrie das Gas aufdringlich als Treibstoff mit niedrigem Kohlenstoffanteil als Alternative zur Kohle angepriesen.
Die Vorteile des Schwenks von Kohle zu Gas sind kurzlebig – von jedem Gaskraftwerk, das heute gebaut wird, erwartet man, dass es mindestens 25 Jahre lang in Betrieb sein würde. Das würde Jahrzehnte lange Kohlenstoffeinträge in die Atmosphäre bedeuten – während Wissenschaftler und Industrieexperten warnen, dass die globalen Emissionen bis 2020 ihren Höhepunkt erreichen müssen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimaänderung zu vermeiden. „Ein goldenes Zeitalter für Gas ist nicht notwendigerweise ein goldenes Zeitalter für das Klima“, warnte Birol.
Dem dem Guardian vorliegenden Dokument haben die Mitgliedsstaaten zugestimmt, und es bildet den Rahmen für das Programm Horizon 2020, einem 80 Milliarden Euro teuren Programm für Forschung und Innovation für die Jahre von 2014 bis 2020. 30 Milliarden davon sind der Europäischen Kommission zufolge dafür vorgesehen, „wesentliche Sorgen aller Europäer anzusprechen, wie Klimaänderung, die Entwicklung nachhaltiger Mobilitäts- und Transportmöglichkeiten, die Verbilligung erneuerbarer Energie, die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln oder die Herausforderung einer alternden Gesellschaft“.
Als Teil dieser Mission sollen im Rahmen von Horizont bis 2020 Milliarden von Euro als Förderung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte ausgegeben werden, und die Mission soll „Forschungs- und Innovationsaktivitäten unterstützen, die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen in Europa stärken sowie Vorteile für die Gesellschaft bringen“. Saubere Energie ist dem Dokument zufolge ein Schlüsselpart davon: „Die besondere Objektive liegt darin, angesichts zunehmend knapper werdender Ressourcen, zunehmendem Energiebedarf und der Klimaänderung den Übergang [transition] hin zu einem verlässlichen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen System durchzuführen.“
Aber das Originaldokument wurden von Funktionären verändert, um explizit die Förderung für Gas einzuschließen – obwohl Gas ein fossiler Energieträger und eine ausgereifte Technologie ist.
Das Dokument bezieht sich auf eine im vorigen Jahr veröffentlichte Roadmap der EU, wonach die Emissionen durch die Energieerzeugung bis 2050 um 90% gekürzt werden müssen, um die EU-Ziele zu erreichen. Hier wurde ein neuer, weiterer Satz hinzugefügt: „Die Roadmap zeigt auch, dass Gas kurz- und mittelfristig zur Änderung des Energiesystems beitragen kann“.
Weiter beinhaltet das Dokument auch das Gas als eine Energiequelle mit niedrigem CO2-fausstoß: „Um diese ambitionierten Reduktionen zu erreichen, müssen signifikante Investitionen in die Forschung, die Entwicklung, die Demonstration und das Marketing effizienter, sicherer und zuverlässiger Energietechnologien vorgenommen werden, einschließlich Gas und Service“. Die Erwähnung des Gases wurde hinzugefügt. Obwohl es unmöglich ist zu sagen, welches Mitgliedsland diese Änderung verlangt hat, sagten Insider in Brüssel, dass es der Unterstützung vieler Mitgliedsstaaten bedurft hatte.
Dieser Bezug zeigt, dass Gas nunmehr in einem offiziellen EU-Programm als eine „low-carbon“-Form von Energie angesehen wird, äquivalent zu den Erneuerbaren oder der Kernkraft – trotz seines Status’ als fossiler Energieträger.
Schließlich zeigt der letzte Absatz des Dokuments, dass das R&D-Förderprogramm, das ursprünglich nur zur Unterstützung der Erneuerbaren gedacht war, dahingehend verändert worden ist, dass explizit fossile Treibstoffe mit eingeschlossen sind. Es heißt dort: „Aktivitäten (im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms) sollten sich auf Forschung, Entwicklung und Demonstrationen in größtmöglichem Umfang konzentrieren – auf innovative Erneuerbare, effiziente und flexible Kraftwerke (einschließlich der fossiles Erdgas verbrauchenden Kraftwerke) sowie Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff.“. Der Hinweis auf fossile Treibstoffe ist eingefügt worden.
Während das Horizon 2020-Programm wahrscheinlich zur Ausgabe vieler Milliarden für R&D von 2014 bis 2020 führen wird, geht die Bedeutung dieser Änderungen Brüsseler Experten zufolge noch viel weiter. Die Änderungen zeigen, dass die Gasindustrie damit Erfolg hatte, dass Gas als ein „low-carbon“-Treibstoff angesehen wird, zumindest in einigen Bereichen der Europäischen Kommission – und dies wird wahrscheinlich katastrophal für die Industrie der Erneuerbaren sein. Auch wird es massive Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen und den Kampf gegen den Klimawandel haben.
Die Erneuerbaren konkurrieren mit Investitionen in fossile Treibstoffe wie Gas, und falls die Investoren sehen, dass Gas – mit seiner ausgereiften Technologie und geringen Risiken sowie hoher Renditen – bevorzugt wird, werden sie wahrscheinlich Investitionen in Gas gegenüber solchen in Erneuerbare den Vorzug geben.
Fiona Harvey, Umweltkorrespondentin, guardian.co.uk
Link: http://www.guardian.co.uk/environment/2012/may/29/gas-rebranded-green-energy-eu
Übersetzt von Chris Frey EIKE

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