Andrea Andromidas

Anfang Dezember ließ Friedrich Merz bei Maischberger die Katze aus dem Sack. Er sagte, dass er in einer künftigen Koalition mit der Union einen Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht ausschließen wolle, was nichts anderes heißt, als dass er in der Energiepolitik die Marschrichtung beibehalten werde. Auch das auf die Neuwahlen ausgerichtete BDI-Papier „ Eine neue Agenda für Wachstum“ besteht darauf, sich weiterhin auf den Aufbau der sogenannten erneuerbaren Energietechnik zu konzentrieren und die ganze Bandbreite einschließlich Wasserstoffstrategie und Kohlenstoffspeicherung durchzuziehen. Sie alle, die gesamte SPD, die FDP, die CDU unter Friedrich Merz, die Grünen aber auch der BDI durchblicken nicht, dass die eigentliche Tragödie der Energiewende in den physikalischen Eigenschaften dieser wetterabhängigen Technik steckt und nicht in irgendwelchen Details des Managements. Eine generelle Besserung wird erst dann eintreten, und nur dann, wenn man den Irrsinn dieses Weges erkennt und sich zur Umkehr entschließt. Wir werden hier zeigen, dass die Strategie der „Soft-Energie“ vor Jahrzehnten ausgedacht wurde, um Industrienationen über diesen Weg schrittweise in ein postindustrielles Zeitalter zu zwingen. Statt diese unwissenschaftlichen Vorschläge abzuwehren, akzeptierte man sie nicht nur, sondern machte sie in Deutschland sogar zum Programm.

Im Jahr 1976 durfte der junge Amery Lovins als damals britischer Repräsentant der Organisation „Friends of the Earth“ einen Artikel in der namhaften amerikanischen Zeitung „ Foreign Affairs“ plazieren, der dazu dienen sollte, kontroverse Diskussionen über die zukünftige Energiepolitik des Westens zu provozieren.1)

Der Kern der Frage lautete:

Soll der Westen den Weg der Soft-Energie oder den Weg der Hard-Energie wählen?

Wie heute jeder weiß, versteht man unter Soft-Energie die sogenannten erneuerbaren Techniken wie Windräder und Photovoltaik und unter Hard-Energie alle Arten der Kerntechnik und alles, was mit der Verwendung fossiler Energieträger zu tun hat wie Öl, Gas und Kohle.

Die Argumentation von Amery Lovins ging so:

Der Weg harter Energietechniken führe in den Faschismus, denn es müsse wegen der Größe der Anlagen zwangsläufig ein militärisch-industrieller Überwachungs-Apparat entstehen. Durch die Endlichkeit der Ressourcen entstehe der Kampf um den Zugang zu selbigen und die damit verbundene Gefahr von Kriegen, einschließlich der Verbreitung von Atomwaffen.

Der Weg weicher Energietechniken dagegen sei viel effizienter, eröffne ganz neue sozio-kulturelle Perspektiven, sorge für Energieunabhängigkeit und verringere damit die Gefahr von Kriegen und die Verbreitung von Atomwaffen.

Der Slogan für die Achtziger, für wilde Demonstrationen in Brokdorf und Aktionen gegen die Wachstumsgesellschaft war also geboren und begleitete die politische Diskussion an vielen Schnittstellen:

Kernenergie = Atomwaffen = Faschismus.

Man muss sich erinnern, dass die Stimmung 1976 sowohl in Amerika als auch in Europa eine im Vergleich zu heute ganz andere war. Es gab genügend Ingenieure und vor allem auch Leute in maßgeblichen Institutionen und auch in den Parteien, die diese Soft-Energie-Visionen als totalen Irrsinn identifizierten. Es galt damals noch als selbstverständlich, dass das wachsende Energiebedürfnis einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft durch neue Energiequellen höherer Energiedichten zu decken sei, also den Weg der „Hard-Energy“ benötige. Der Ingenieur Peter Penczynsky widmete dieser Überzeugung ein ganzes Buch 2), nachdem er an Strategie-Diskussionen im Auftrag der Siemens-AG teilgenommen hatte, die zeitgleich auch im IASSA-Institut in Laxenburg stattfanden. 3). Die Phantastereien jenes Amery Lovins und seines Freundes Dennis Meadows vom Club of Rome entlarvte er als Plan für eine radikale gesellschaftliche Systemveränderung. Für eine Industriegesellschaft sei die „weiche Technik“ ganz unbrauchbar, denn sie könne

  • erstens den Energiebedarf nicht decken
  • sei zweitens die kapitalintensivste Technik überhaupt
  • und könne wegen der eingeplanten Energieknappheit auch nicht dem Frieden dienen.

Mit Scharfsinn beschrieb er den Charakter der ganzen Unternehmung und die zu erwartenden Konsequenzen:

„Das Gedankengut des >Soft<-Energieweges entspringt dem soziopolitischen Bereich…. die Einbeziehung des Energiesektors als wichtigen Teil unserer Gesellschaft soll diesen Weg des sozialen Wandels technologisch vorbereiten und gangbar machen helfen. Der Bewertungsschwerpunkt der Energietechnologien liegt deshalb bei nicht-wirtschaftlichen Faktoren. Die Stoßrichtung ist eindeutig gegen die Kernenergie gerichtet…….. Unter technisch-wirtschaftlichen Aspekten erscheint das Konzept des >soft energy path< nicht lebensfähig. Das technische Potential der >Soft<- Technologien ist nicht in der Lage, mit der quantitativen und qualitativen Entwicklung der Menschheit Schritt zu halten und den voraussehbaren Energiebedarf bei einer katastrophenfreien Entwicklung zu decken. Hier muss erst der von den >Soft<-Exponenten angestrebte tiefgreifende soziale Wandel stattfinden, sodass drastische Änderungen von Wertvorstellungen angestrebt werden. Dazu müssen der Übergang zu ländlichen Siedlungsstrukturen, starke Reduktion des Bevölkerungswachstums und Einbußen im materiellen Wohlstand von dem Großteil der Bevölkerung freiwillig akzeptiert werden.“

Lovins und Co waren aber nur das Sprachrohr für einflussreichere Kreise. Als Jimmy Carter 1977 als 39. Präsident der USA ins Weiße Haus einzog, hatte der Rockefeller Brothers Fund den Bericht über die noch „ unerledigte Aufgabe“ bereits auf seinen Tisch gelegt. In dem Sonder-Bericht „ The Unfinished Agenda“ 4) wird unmissverständlich erklärt, dass es jetzt darum gehe, eine Gesellschaft des Überflusses in eine Gesellschaft des Mangels zu transformieren und dass die Energiestrategie darin eine besondere Rolle spiele. Darin wird auch beschrieben, dass der Entwicklungspfad, der die USA zur bedeutenden Industrienation gemacht habe, nun leider für die meisten anderen ( besonders die Entwicklungsländer) nicht mehr zu verantworten sei, weil der Planet das nicht aushalte.

Zitat:

„Es ist daher dringend erforderlich, dass die USA ihre einzigartige Führungsverantwortung sowohl beim Übergang als auch bei der Transformation anerkennen und ihre Ressourcen und ihr Wissen nutzen, um Beispiele dafür zu liefern, wie in einer Gesellschaft der Knappheit die Lebensqualität erhalten bleiben kann. 5)S.155 ebenda

Gerade mal drei Monate im Amt, erklärte Präsident Carter in einer Fernsehansprache vom 18.April 1977 seinen erstaunten Landsleuten, dass die Öl- und Gasvorräte, mit denen die USA überwiegend ihre Energieversorgung sichern, leider zur Neige gingen. Er appellierte daran, weniger Strom zu verbrauchen, die Häuser besser zu isolieren und sparsamere Autos zu fahren. Zwei Tage später im Kongress forderte er die vollständige Umstellung der Energieversorgung des Landes auf erneuerbare Energien wie Wind und Sonne.6)(siehe auch Anmerkung)

Danach kam mit Unterbrechungen eine sagenhafte Propaganda- Maschine sowohl in den USA als auch in Europa ins Rollen, die größtenteils von milliardenschweren Stiftungen gespeist wurde. Repräsentanten wie Al Gore, Klaus Töpfer und viele andere setzten bei Klimakonferenzen immer neue Höhepunkte, um das Gespenst der Klimaapokalypse glaubhaft zu machen. In Europa wurde die Bundesrepublik zum Musterschüler. Nachdem der Bundestag unter einer schwarz-gelben Regierung am 30.Juni 2011 mit großer Mehrheit den Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 beschloss, waren die Weichen für eine endgültige Entscheidung scheinbar schon gestellt. Jedenfalls fühlte man sich in der 2014 gegründeten regierungseigenen Denkfabrik AGORA ganz frei, die eigentliche Absicht der Soft-Energie- Strategie ohne Umschweife zu beschreiben.

In zwei Schriften von Dr. Gerd Rosenkranz aus dem Jahr 2017 „ Dezentralität in der Energiewende“ wird auch für Physik-Unkundige erklärt, warum der massive Ausbau der sogenannten erneuerbaren Technik schrittweise zu einer postindustriellen Gesellschaft führen muss.7)

Er verkündet darin, dass die Weichen für ein neues Sonnenzeitalter bereits gestellt seien und dass mit der Entscheidung für den Gebrauch „verdünnter Techniken“ ein physikalischer Treiber da sei, der trotz aller Debatten seine Arbeit leisten und bestimmte gesellschaftliche Veränderungen vorantreiben wird.

Es lohnt sich, zu zitieren:

„Seit der Einführung von Dampfmaschine und Verbrennungsmotor bediente sich die Menschheit für ihre Energieversorgung in immer größerem Umfang weniger Grundstoffe, die alle eines verbindet: Sie zeichnen sich aus durch hohe oder höchste Energiedichten. Dies gilt für die Stromversorgung ebenso wie für den Verkehr oder die Bereitstellung von Raum- und Industriewärme…..“ so…“ ruht das Energiesystem des Industriezeitalters fast vollständig auf der Verbrennung der fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Erdgas (hohe Energiedichte) und seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts auch …auf den spaltbaren Metallen Uran und Plutonium (höchste Energiedichte ). Die aus diesen Elementen in Kernkraftwerken umgesetzte Atomkernenergie übertrifft die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe genutzte Energiedichte um Größenordnungen. Die fossilen Brennstoffe ihrerseits verfügen über um Größenordnungen höhere Energiedichten als die natürliche Sonnenstrahlung oder der Wind. Die Transformation des Energiesystems weg von fossilen und nuklearen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien bedeutet vor diesem Hintergrund auch den Übergang zu einem Energiessystem mit im Vergleich zur hergebrachten Energieversorgung geringen Energiedichten. Natürliche Sonnenstrahlung, in der auch der Wind seinen Ursprung hat, trifft von jeher verdünnt auf die Erde……………. Sonnenenergie und die aus ihr abgeleitete Windenergie kann beziehungsweise muss mehr oder weniger flächendeckend eingesammelt werden , um den fast überall weiter wachsenden Energiebedarf einer ebenfalls weiter wachsenden Menschheit zu decken. Oder sie muss in abgelegenen Gebieten gewonnen und dann über große Entfernungen in die Zentren des Energieeinsatzes, also zu den Menschen, transportiert werden….“ 8)S.17

Der „physikalische Treiber“ schafft also gleich mehrere Probleme, die unsere Wirtschaft wie Sand im Getriebe belasten und die Gesellschaftsveränderung automatisch nach sich ziehen:

1. Das Management der Wetterabhängigkeit als permanente Herausforderung

  1. Das Einsammeln der verdünnten Energie
  2. Der gigantische Flächenbedarf
  3. Die Unbezahlbarkeit des Ganzen.

Das Gerede von mehr Effizienz, Energieunabhängigkeit und Kriegsvermeidung war von Anfang an eine beabsichtigte Lüge, die aber bei allgemein abnehmendem Bildungsniveau auch bei Abgeordneten und selbst Leuten vom Fach zunehmend akzeptiert wurde.

Die Frage muss am Ende trotzdem gestellt werden:

Warum lässt sich diese Gesellschaft immer weiter in einen Zustand treiben, der einen ständig wachsenden Aufwand benötigt, um die Wirtschaft überhaupt am Laufen zu halten und zuletzt im Kollaps enden muss?

In der Antike hätte man hieraus den Stoff für eine Tragödie genommen.

Besserung wird erst dann eintreten, und nur dann, wenn man den Irrsinn dieses Weges erkennt und sich zur Umkehr entschließt.

  1. Oktoberausgabe 1976 https://www.foreignaffairs.com/articles/united-states/1976-10-01/energy-strategy-road-not-taken, 1982 gründet er das Rocky Mountain Institute
  2. Peter Penczynski,

2.überarbeitete Auflage 1978, „Welche Energiestrategie können wir wählen?“

Erschienen bei Siemens-Aktiengesellschaft, Abt. Verlag

3) International Institute for Applied Systems Analysis, Laxenburg

4) The unfinished Agenda, A Task Force Report sponsored by the Rockefeller Brothers Fund.

http://www.geraldbarney.com/Rockefeller_Brothers_Fund/Unfinished.pdf

5) ebenda

6) https://www.presidency.ucsb.edu/documents/address-the-nation-energy

Anmerkung: Es werden sich viele fragen, warum ausgerechnet in den USA die politische

Idee zur Schaffung einer Mangelgesellschaft in den Vordergrund trat. Es entspricht der

britischen Vorstellung eines Bertrand Russel, dass eine Weltregierung nur unter

malthusianischen Bedingungen möglich sei und impliziert, dass die Entstehung weiterer

Industrienationen verhindert werden müsse.

7) Dr. Gerd Rosenkranz „Energiewende und Dezentralität“ vom 24.2.2017 und „Dezentralität in

der Energiewende vom 28.2.2017

8) ebenda S.17

9) Grafik

 

 

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