Dipl.-Met. Christian Freuer

Es ist in jedem Jahr das Gleiche: Im Kalender steht am morgigen 27. Juni der „Siebenschläfer“, und der berühmten Bauernregel zufolge (der Autor staunt immer wieder, wie viele Menschen ihn als Meteorologe darauf ansprechen) soll es ja „sieben Wochen regnen“, wenn es an diesem Tag regnet.

Worum es in diesem Beitrag NICHT geht

Es geht NICHT um Sagen und Legenden wie z. B. die Geschichte vom „Siebenschläfer. Es geht auch NICHT um eine statistische Auswertung von Bauernregeln hinsichtlich des Wetterablaufes. Hierzu kann man das Grundlagen-Büchlein von Prof. Dr. Horst Malberg zu Rate ziehen („Bauernregeln aus meteorologischer Sicht“, erhältlich bei Amazon hier, siehe Bild oben). Aber auch beim DWD und vielen anderen gibt es dazu diverse Schriften, einfach googeln.

Mit diesem Beitrag soll lediglich versucht werden, einen statistisch-meteorologischen Aspekt zu erläutern, welchen der Autor bei den ansonsten zahlreichen Verweisen und Links zu diesem Thema vermisst. Zuvor jedoch sollen die drei wesentlichen Punkte zusammengefasst werden, welche man bei einer statistischen Auswertung der Gültigkeit von Bauernregeln beachten muss.

Die drei zu berücksichtigenden Faktoren bei Bauernregeln

1. Die Kalenderreform

Viele Bauernregeln nehmen Bezug auf das Wetter an einem bestimmten Tag und schließen daraus, was danach kommen könnte. Diese so genannten „Lostage“ waren meist irgendwelchen katholischen Heiligen gewidmet. Da Bauernregeln im Wesentlichen mittelalterlichen Ursprungs sind, muss bei diesen Lostagen die Verschiebung um 10 Tage durch die Kalenderreform berücksichtigt werden – wird sie aber nicht.

Bekanntlich gab es im Jahre 1582 die Kalenderreform von Papst Gregor XIII, bei dem zehn Tage einfach gestrichen wurden (was die Kirche kraft ihres Amtes so alles vermochte…). Der am 26. Juni datierte „Siebenschläfer“ gehört auch dazu. Meteorologen sind daher dazu übergegangen, von einem „kalendarischen Siebenschläfer“ (26. Juni) und einem „meteorologischen Siebenschläfer“ (5. Juli) zu sprechen.

Nun ist die Fixierung auf bestimmte „Lostage“ etwas eng gefasst. Für das Folgende soll hier mal der Zeitpunkt „Anfang Juli“ genommen werden.

2. Der geographische Ursprung von Bauernregeln

Wie oben schon erwähnt, sind Bauernregeln fast durchweg im Mittelalter entstanden. Die Bauern der damaligen Zeit wollten einfach wissen, welches Wetter hinsichtlich von Ernteerträgen zu erwarten war, und sich entsprechend vorbereiten und ggf. bevorraten. Schon Malberg wies in seinem Buch darauf hin, mit welcher Sorgfalt und Genauigkeit die Bauern der damaligen Zeit das Wetter beobachtet hatten.

Nur: Das weltweite Herumreisen in der Weltgeschichte gab es natürlich damals nicht. „Die Welt“, das war seinerzeit lediglich der eigene Acker und vielleicht die nähere Umgebung. Beobachtungen der Bauern (heute sagt man natürlich „Landwirte“, aber den Begriff gab es damals auch noch nicht) sind also immer das Ergebnis von Beobachtungen vor Ort. Will sagen, die Bauern im Allgäu glaubten also diese Regeln für das Allgäu gefunden zu haben.

Dieser geographische Bezug ist bei der heutigen Auslegung der Bauernregeln verloren gegangen, und es fragt sich, ob eine im Allgäu gefundene Bauernregel auch – sagen wir – in Ostfriesland gültig ist. Oder allgemein gesagt: Für eine Auswertung oder Anwendung von Bauernregeln müsste erst einmal der geographische Ursprung derselben eruiert werden. Das ist heute natürlich kaum noch möglich.

3. Bauernregeln und Klimawandel

Dieser Punkt ist natürlich im Buch von Malberg nicht erwähnt; dieses war im Jahre 1993 erschienen. Bekanntlich herrschte ja im Mittelalter ein deutlich wärmeres Klima als heute, weltweit und natürlich auch in Mitteleuropa – (auch wenn dieser Tatbestand seit Längerem in großem Stil von den MSM geleugnet wird). Nehmen wir einmal die Jahrhunderte um das Jahr 1000 als zentralen Zeitraum an. Viele Bauernregeln sind in dieser Zeit entstanden. Es stellt sich also als dritter Aspekt die Frage, ob die damals gefundenen Regeln auch im viel kälteren Klima von heute angewendet werden können. Diese Frage vermag der Autor nicht zu beantworten.

Bauernregeln und die Statistik von Rossby-Wellen

Die Beziehung zwischen Bauernregeln und allgemeinen meteorologischen Strömungsmustern soll im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen. Derartige Strömungsmuster lassen sich am besten durch die so genannten Rossby-Wellen beschreiben. Weil manch einer mit diesem Begriff nichts anfangen kann, soll hier als Exkurs ein kleiner Einstieg in dieses Phänomen erfolgen.

Rossby-Wellen

Die vertikale Mitte der Troposphäre wird in etwa durch die 500-hPa-Fläche dargestellt. Dabei wird die Höhe über NN festgelegt, in welcher der Luftdruck genau 500 hPa beträgt. Je wärmer die Atmosphäre ist, umso höher muss man steigen, um genau diesen Luftdruck zu erhalten. Wie in einer Landkarte mit geographischen Höhen lässt sich dies graphisch darstellen:

Abb. 1: Strömung im 500-hPa-Niveau im atlantisch-europäischen Gebiet. Die Bezifferung der Linien gibt die Höhe von 500 hPa in Dekametern an, für die Meter-Angabe muss also an die Zahlen noch eine Null angefügt werden. Beispiel: Die Angabe „572“ bedeutet, das entlang der entsprechenden Linie der Luftdruck in einer Höhe von 5720 m ü. NN genau 500 hPa beträgt. Diese Linie verläuft u. A. über die Alpen. Bildquelle: Verein Berliner Wetterkarte.

Näheres zu Rossby-Wellen gibt es hier.

Statistik der zeitlichen Änderungen eines bestimmten Rossby-Wellenmusters

Hier kommt jetzt wieder die Siebenschläfer-Regel ins Spiel. Im Prinzip sagt sie nichts weiter als dass ein bestimmtes Wellenmuster längere Zeit gehalten wird – Stichwort Erhaltensneigung. Wenn sich ein bestimmtes Muster von Rossby-Wellen einmal eingestellt hat, hält sich dieses in der Regel mehrere Wochen, manchmal länger als einen Monat. Der Wettercharakter ist dann auch mehr oder weniger der gleiche – Stichwort Witterung. (Es ist unklar, warum es von diesem Begriff kein Pendant in Englisch gibt). Auch sehr wechselhaftes Wetter über mehrere Tage oder Wochen, beispielsweise in einer Westlage, ist die gleiche Witterung. Anders gesagt: es ist dann beständig unbeständig!

Jetzt kommt eine Eigentümlichkeit der Rossbywellen-Statistik ins Spiel. Nachdem ein bestimmter Zustand längere Zeit gehalten worden ist, kommt es innerhalb weniger Tage zu einer abrupten Änderung dieses Musters. Es stellt sich ein völlig neues Muster ein – und zwar hemisphärenweit. Ganz andere Wellen liegen plötzlich in ganz anderen Positionen, um dann wieder längere Zeit stabil zu sein.

Nebenbei: In Phasen einer solchen grundlegenden Umstellung sind die numerischen Modelle häufig schon nach drei bis 4 Tagen sehr unzuverlässig.

Und nun kommt – jedenfalls nach Auffassung des Autors – eine weitere, noch größere Eigentümlichkeit der Änderungen eines Wellenmusters ins Spiel. Diese Änderungen sind nämlich zeitlich nicht gleichmäßig zufällig über das Jahr verteilt. Vielmehr gibt es Zeitpunkte, an denen häufiger derartige Änderungen erfolgen als zu anderen Zeitpunkten. Die Gründe dafür sind unbekannt, spielen im Zusammenhang mit diesem Artikel aber auch keine Rolle.

Natürlich zeigt sich wie bei jeder Statistik auch eine Streuung, aber zwei zeitliche Schwerpunkte einer solchen Änderung zeichnen sich ab: nämlich Anfang Juli und Mitte Dezember. (Die Witterung Anfang bis Mitte Dezember fasst der Autor kurz so zusammen: Anfang Dezember wird der Winter gebacken).

An dieser Stelle geht es zurück zu den Bauernregeln.

Siebenschläfer-Regel und Rossby-Wellen

Es wird wohl manch einem schon dämmern – der Zeitpunkt Anfang Juli fällt zeitlich zusammen mit dem meteorologischen Siebenschläfer. Abstrahieren wir einmal von dem einzelnen Tag und nehmen die erste Dekade im Juli. Dann lässt sich die Rossbywellen-Statistik und die Siebenschläfer-Regel in Einklang bringen:

Sollte es Anfang Juli tatsächlich zu einer grundlegenden Umstellung des Rossby-Wellen kommen (im Vergleich zum Juni), dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Wellenmuster den gesamten Hochsommer über gehalten wird. Erfolgt Anfang Juli beispielsweise ein Wechsel von warmer Witterung im Juni zu kühler und wechselhafter Witterung Anfang Juli – dann haben wir praktisch eine 1 : 1-Übersetzung der Siebenschläfer-Regel in die Rossbywellen-Statistik!

Nun lautet die Regel im Wortlaut „Siebenschläfer Regen – sieben Wochen Regen“. Schon Malberg hat in seinem Buch darauf hingewiesen, dass man Bauernregeln nur im Wortlaut übernehmen darf – nicht umgekehrt. Aus sonnigem Wetter Anfang Juli sollte man nicht auf anhaltend sonniges Wetter schließen. Legt man jedoch die Rossbywellen-Statistik zugrunde, müsste auch eine sich Anfang Juli einstellende Hochdrucklage längere Zeit halten. Und: Nach der Statistik ist das tatsächlich so! Nur konnten die Bauern der damaligen Zeit das nicht erkennen, weil es in solchen Hochdruckphasen entweder zu einer großen Dürre kam oder auch zu schweren Gewittern. Beides war einer guten Ernte nicht zuträglich.

Leider verfügt der Autor nicht über irgendwelche schriftlichen Tabellen oder Graphiken, um diese Eigenschaften von Rossby-Wellen zu belegen. Erfahrene Synoptiker werden aber aus der Erfahrung diejenige des Autors bestätigen können.

Noch etwas zur statistischen Streuung: Je weiter der Zeitpunkt einer grundlegenden Umstellung des Rossbywellen-Musters von Anfang Juli entfernt liegt (in beide Richtungen), umso größer wird die Streuung hinsichtlich der Dauer eines neuen Wellenmusters. Nach grober Schätzung des Autors aufgrund seiner über 50-jährigen Erfahrung kann jedoch, wenn die Änderung wirklich Anfang Juli stattfindet, ein Korrelationsfaktor von 0,8 oder 0,9 angenommen werden, dass die sich dann einstellende Witterung längere Zeit Bestand hat.

Gleiches gilt für Mitte Dezember. Eine gängige Bauernregel für diesen Zeitpunkt ist dem Autor nicht bekannt. Es sei aber auf den Pionier von Wetterstatistik Prof. Franz Baur verwiesen.

Aktualisierung:

Die folgende Graphik zeigt die numerischen Vorhersage für den meteorologischen Siebenschläfer des GFS-Modells. Das ist eine Vorhersage in der erweiterten Mittelfrist, die man so lange im Voraus natürlich mit Vorsicht genießen muss.

Aber: Alle Simulationen auch anderer Modelle, die so weit im Voraus rechnen, zeigen in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Übereinstimmung! Alle simulieren den Vorstoß eines breiten Langwellentroges nach Mitteleuropa; bei wetterzentrale.de kann man das auch über die nächsten Tage verfolgen. Da dies auch schon an den Vortagen ähnlich simuliert worden war, kann man diese Simulation als ziemlich sicher ansehen.

Simulation des GFS-Modells vom 26. Juni, 00 UTC für den 6. Juli 2024, 00 UTC (Bildquelle: wetterzentrale.de)

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