von Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

Am 6. Und 7. Mai 2024 fielen Lesern des ZDF-Teletext folgende Meldungen auf:

6.5.2024: „Baerbock in Fidschi; „Die Klimakrise spült den Menschen hier buchstäblich den Boden unter den Füßen weg“, sagte Baerbock in Fidschi. Die Klimakrise sei die „größte Bedrohung“ für die Sicherheit in den pazifischen Inselstaaten…“

7.5.2024: „Es sind Orte wie diese Küstendörfer im Pazifik, die uns zeigen, mit welcher Brutalität die Klimakrise zuschlägt“, sagte sie. Hier zeige sich, dass den Inselstaaten „das Wasser im wahrsten  Sinne des Wortes bis zum Hals steht“.

Stimmt das oder sind die Aussagen von Frau Baerbock sachlicher Unsinn? Nun ist, um es höflich auszudrücken, Frau Baerbock nicht gerade für Expertise in Naturwissenschaften bekannt. Sie hätte sich aber zumindest beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestags sachliche Information über Pegelmessungen von Meeresspiegeln einholen können. Fairerweise muss man natürlich zugestehen, dass das Thema „Meeresspiegelanstiege“ komplex ist. Daher soll es nachfolgend etwas gründlicher behandelt werden.

Wie verändern sich Meeresspiegel im Laufe der Zeit?

Sieht man von extrem langfristigen Einflüssen der Plattentektonik und der eiszeitlichen Glazialeustasie (Freisetzen von Wasser aus kontinentalen Eisschilden) ab, hängen Veränderungen von Meeresspiegeln von vielen weiteren Einflüssen ab, die noch nicht einmal alle ausreichend bekannt sind! Nachfolgend ohne Anspruch auf Vollständigkeit

  • Wärmeausdehnung des Wassers,
  • Kalben von Gletschern der Antarktis,
  • Abschmelzen des Eisschildes in Grönland,
  • Veränderungen der Meeresströmungen,
  • Veränderungen im globalen atmosphärischen Wasserhaushalt,
  • Intensive großräumige Grundwassernutzung,
  • Vulkanismus

Vor allem ist die Meeresoberfläche keine „ideale Billardkugel“. Unzählige Faktoren sorgen dafür, dass es erhebliche Höhenabweichungen relativ zum Erdmittelpunkt gibt. Es beginnt mit der Ausbuchtung der Äquatorialzone infolge der Fliehkraft der Erddrehung und reicht bis zu Gravitationseffekten durch nahe Küstenberge auf die Wasseroberfläche. Ein sehr empfehlenswertes und zudem unterhaltsames Youtube-Video mit 3,5 Millionen Aufrufen seit 10 Jahren erklärt diese Effekte anschaulich (hier) – die Untertitel sind in Deutsch. Nach diesem Video versteht man besser, warum lokale Messungen allein noch keine allgemeinen Aussagen über einen globalen Meeresspiegel-Trend erlauben. Es sind vielmehr noch Korrekturen der Einzelpegelmessungen von erheblicher Komplexität erforderlich, so dass das zugehörige Berechnungsverfahren maßgebend wird.

Der Begriff „globaler Meeresspiegel“ ist also nur eine virtuelle Vergleichsgröße, deren lokale Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann. Der Begriff wird dennoch verwendet. Prähistorisch ist der globale Meeresspiegel seit dem Temperaturtiefpunkt der letzten Eiszeit vor etwa 22.000 Jahren um ca. 130 m angestiegen [1] (Bild 1).

 

Bild 1: Prähistorischer Meeresanstieg. Bildquelle, GNU Lizenz für freie Dokumentation.

Auffällig bei den Meeresspiegeldaten sind die oft erstaunlich großen Schwankungen. Beispiele wurden vom inzwischen verstorbenen Ozeanographen Prof. Nils-Axel Mörner gegeben [2], Dekan der Fakultät Paläogeophysik und Geodynamik an der Universität Stockholm und von 1999–2003 Präsident der INQUA Commission on Sea Level Changes. Weitere Beispiele liefern Fachpublikationen des deutschen Küstenforschers Prof. Karl-Ernst Behre, in denen erstaunlich starke Veränderungen der historischen Meereshöhen an den Nordseeküsten beschrieben sind [3]. Ein maßgebender menschgemachter Einfluss war in diesen historischen Zeiten nicht vorhanden.

In jüngerer Zeit stehen nun sehr genaue Pegelmessungen aus vielen Hunderten Stationen weltweit vom National Oceanography Centre (NOC) in Liverpool zur Verfügung. Dazu einfach (hier) aufrufen, unter „Mean Sea Level Data“ auf „MSL Data Explorer“ klicken und die gewünschte Station suchen. Hat man den Namen (hier beisielsweise „Laudola“ auf Fidschi), dann zurück zur „RLR station list“. Leider ist diese Liste nicht alphabetisch geordnet, man kann sie aber unschwer in einen txt- oder EXEL-File kopieren, in diesem nach der Station suchen, und sich die Coastline-Nummer (vorletzte Spalte) notieren. Dann ist sie in „RLR station“ durch scrollen schnell zu finden. Dort auf die ID-Nummer klicken. Vielleicht geht’s auch einfacher, aber ich habe kein Suchfenster für Stationsnamen gefunden.

Obwohl all diese Meeres-Pegelmessdaten des NOC frei zugänglich sind und wie oben beschrieben ohne großen Aufwand überprüft werden können, vernachlässigen Journalisten ihre Berufspflicht ordentlicher Recherche und berichten immer wieder in absurder Verdrehung der Fakten von versinkenden Südseeinseln [4]. Politiker wie Frau Baerbock tragen diesen Unsinn dann gutgläubig weiter.

Bevor wir jetzt konkret die Meersspiegelhöhen von Laudola auf Fidschi anschauen, sehen wir uns erst einmal in der Fachliteratur um. Sie gibt entsprechend den oben schon erwähnten uneinheitlichen  Berechnungsverfahren unterschiedliche Werte für den mittleren globalen Meeresspiegelanstieg an. Der Grund für die Differenzen sind die schon erwähnten mathematischen Korrekturen der lokalen Messungen, um überhaupt ein globales Mittel zu erhalten. Die einzige mir bekannte Fachpublikation, die diese Korrekturen auch vollständig und nachvollziehbar angibt, stammt von den Autoren Beenstock et al. und entstand aus einer Zusammenarbeit der US-Universitäten Columbia und Washington mit der Hebrew-Universität Jerusalem [5]. In ihr wird als Ergebnis ein global gemittelter Anstieg zwischen 0,39 und 1,04 mm/Jahr abgegeben, in den – zu beachten – weltweit alle Pegelmesstationen eingehen.

Besonders bemerkenswert in dieser Arbeit dreier Universitäten ist der Befund, dass nur 7 % aller Pegelstationen überhaupt einen Anstieg zeigen. 4 % zeigen dagegen ein Absinken ihrer Meeresspiegelhöhen, und der weit überwiegende Rest der Stationen von 89 % weist gar keinen einheitlichen Trend auf. Ausschließlich für die Stationen mit – wieder zu beachten –  ansteigendem Meeresspiegel geben die Autoren einen mittleren Meeresspiegel zwischen 3,33 und 4,42 mm/Jahr an, der sich im Großen und ganzen mit vielen anderen Fachstudien deckt. Es ist aber nochmals zu betonen, dass diese höheren Werte nur für die 7 % Stationen weltweit gelten, die einen Anstieg anzeigen.

Bild 2 zeigt aus dieser Fachpublikation von Beenstock et al. die Verteilung von Stationen mit ansteigendem Meeresspiegeltrend (rot), sinkendem Trend (grün), widersprüchlichem Trend (schwarz) und überhaupt keinem Trend (gelb). Sie stimmen weitgehend mit einer bereits zu diesem Thema erschienenen EIKE-News von Willis Eschenbach überein (hier), die sich auf die Trends nur um die USA-Küsten herum beschränkt und ebenfalls keinen Grund zur Panik auffindet.

Bild 2: Weltweite Meeresspiegel-Trends, Map 3 auf S. 200 von [5].

Allein schon aus Bild 2 dieser Fachpublikation kann von einem katastrophalen Meeresspiegelanstieg überhaupt keine Rede sein – keine gute Nachricht für die Klimaideologie der Grünen.

Publikationen, die den Meeresspiegelanstieg aus Satellitenmessungen angeben, zeigen übrigens Werte, die etwas über den Pegelmessungen liegen. Diese Diskrepanz ist bis heute nicht geklärt. Über die Korrekturmethoden der Satellitendaten, die vermutlich noch weit komplexer sein dürften als die von Pegeldaten, konnte ich in einschlägigen Fachpublikationen nichts Brauchbares finden. Vielleicht ist aber inzwischen auch zu dieser Problematik etwas erschienen, was ich übersehen habe. In jedem Fall sind aber grundsätzlich direkte Pegelmessungen indirekten Satellitendaten  vorzuziehen.

Der Meeresspiegelanstieg der Station Lautoka auf Fidschi

Fidschi hat drei Stationen, wovon eine nur bis zum Jahr 2000 reicht. Die beiden anderen Stationen zeigen ähnliche Verläufe. Bild 3 zeigt für eine dieser beiden Stationen den Pegelverlauf von Lautoka.

Bild 3: Pegel von Lautoka (Fidschi) in blau, lineare Regressionslinie in rot (beide erstellt vom Autor aus den numerischen Pegeldaten), ihre Steigung beträgt 4,23 mm/Jahr und liegt damit im oben angegebenen Bereich von 3,33 bis 4,42 mm/Jahr für Stationen mit positivem Trend.

Eine weltweite Sonderstellung der Fidschi-Inseln liegt also mit Sicherheit nicht vor. Fidschi gehört zu den oben erwähnten 7 % aller weltweiten Stationen, die einen positiven Trend zeigen, mehr ist dazu nicht zu sagen. Natürlich ist bei so gut wie allen Stationen, mit welchem Trend auch immer, die Ursache in aller Regel nicht zu ermitteln. Nur bei beispielsweise nachweisbaren Bodensenkungen durch zu starke Grundwasserentnahme ist der Mensch der Verursacher. Die aus Pegelmessungen gewonnenen Meeresspiegelanstiege um Fidschi, die sich im absolut gewöhnlichen Bereich aller Stationen weltweit mit positivem Trend bewegen, dem aktuellen Klimawandel zuzuordnen läßt am Verstand des Aussagenden zweifeln. Mehr als das, was Bild 1 an Information hergibt, nämlich eine Anstiegskurve ab der endenden Eiszeit, ist leider nicht gesichert.

Schlussbemerkung

Nicht Meeresspiegelanstiege sind die größte Bedrohung, sondern Politiker, die den geballten Unsinn von Journalisten ungeprüft ihren Wählern verkaufen, um Ängste zu erzeugen.

 

Literaturnachweise

[1] Akasofu, S.I., 2010. On the recovery from the Little Ice Age. Natural Science, 2(11), 1211-1224

[2] Mörner, N.A., 2013. Sea level changes past records and future expectations. Energy & Environment, 24(3-4), 509-536.

[3] Behre, K.E., 2007. A new Holocene sea‐level curve for the southern North Sea. Boreas, 36(1), 82-102.

[4] Kiribati: Ein Südsee-Paradies versinkt. ZEIT Online, 23.06.2013.

[5] Beenstock, M., Felsenstein, D., Frank, E., Reingewertz, Y., 2015. Tide gauge location and the measurement of global sea level rise. Environmental and ecological statistics, 22(1), 179-206.

Alle Fachaufsätze [1]-[3], [5] sind in Google Scholar durch Eingabe des Titels im Suchfenster frei erreichbar.

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