Ob versiegender Golfstrom oder erlahmender Jetstream: Die Medien nutzen jede Gelegenheit, um Untergangsszenarien zu verbreiten. Dabei können sie auf die tatkräftige Hilfe einiger Forscher zählen, deren Ansichten weitab von jeglichem wissenschaftlichen Konsens liegen.

von Peter Panther

Vor kurzem sorgte der Klimawandel wieder für düstere Schlagzeilen. Für einmal ging es aber nicht um eine befürchtete Erwärmung, sondern um eine Abkühlung, die angeblich droht. «Atlantik-Strömung steht vor dem Kollaps – und könnte Europa zum Kühlschrank machen», titelte «Focus». «Sorgt Atlantik-Strömung bald für eisige Temperaturen?», war im Schweizer «Blick» zu lesen.

Eiszeit in Europa? Anlass für die Aufregung war eine Studie im Fachblatt «Science Advances». Darin waren niederländische Forscher um den Atmosphären-Wissenschaftler René van Westen zum Schluss gekommen, dass ein Abbruch der Atlantischen Umwälzbewegung (AMOC) bevorstehen könnte. Die AMOC wird gemeinhin als Golfstrom bezeichnet. Grundlage für die Studie bildeten Berechnungen mit einem Supercomputer zur Frage, wie sich der Klimawandel auf die Strömung auswirkt.

Es geht dabei um ein Schreckensszenario, das seit Roland Emmerichs Film «The Day After Tomorrow» vor zwanzig Jahren sozusagen Allgemeingut ist. Der Film zeigt in drastischen Bildern, wie ein Abbruch des Golfstroms zu einem abrupt kälteren Klima in Europa und zu einer weitgehenden Vereisung des Kontinents führt.

Bis zu 15 Grad kälter?

Zwar kann das Team um Leitautor van Westen nicht sagen, wann genau das Versiegen der AMOC droht. Allerdings könnte das drastische Auswirkungen haben, würde es laut Studie in einigen Gegenden innert hundert Jahren doch um 15 Grad (!) kälter. 

Unbestreitbar ist die AMOC der Grund für das verhältnismässig milde Klima in Europa, namentlich in den nördlichen Teilen. Die AMOC führt warmes Wasser vom südwestlichen Atlantik in den Nordatlantik. Dort sinkt das salzhaltige Wasser ab und strömt in den Tiefen des Meeres zurück zum Ausgangspunkt. Diese Umwälzpumpe könnte ins Stocken geraten oder völlig zum Erliegen kommen, wenn viel Süsswasser in den Nordatlantik strömt – etwa wegen dem Kollaps des Grönländischen Eisschildes infolge des Klimawandels. Denn Süsswasser ist leicht, das Absinken könnte stoppen, was die AMOC beenden würde.

«Die Milliarden-Dollar-Frage»

Gleich nach der Publikation der niederländischen Studie griff der deutsche Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf in die Tasten. «Die Milliarden-Dollar-Frage lautet, wie weit dieser Kipppunkt noch entfernt ist», orakelte er in seinem Blog. Das Problem sei nicht, «ob wir sicher sind, dass dies passieren wird. Das Problem ist, dass wir es zu 99,9 Prozent ausschliessen müssen.»

Rahmstorf fällt immer wieder damit auf, dass er wissenschaftliche Horrorszenarien propagiert. Bereits 2020 hatte der Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einem Gastbeitrag geschrieben: «Nun könnte die lang befürchtete Golfstromsystem-Abschwächung eintreffen, mit Folgen für Europa.»

Dazu muss man allerdings wissen, dass die Mehrheit der Klimaforscher derzeit nichts von Untergangsszenarien wegen des Golfstroms hält. Selbst der Weltklimarat, sonst oft auf der alarmistischen Seite, stapelt diesbezüglich tief. Die AMOC werde zwar im Laufe des 21. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich etwas schwächer werden, heisst es im IPCC-Sachstandsbericht von 2022. Man sei aber relativ sicher, dass das nicht zu einem Kollaps vor dem Jahr 2100 führe.

«Klimawandel verlangsamt Jetstream»

Stefan Rahmstorf aber gehört zu einer kleinen Gruppe von Forschern, die zwar weitab des wissenschaftlichen Konsens‘ stehen, aber dennoch gerne den Teufel an die Wand malen. So ist es auch im Zusammenhang mit dem Verhalten des Jetstreams, das 2021 für Diskussionen in der Öffentlichkeit sorgte. Im damaligen Sommer war es in Nordamerika ausserordentlich heiss, in Deutschland aber sehr regnerisch (Hochwasser-Katastrophe) und im Mittelmeerraum wiederum besonders trocken. «Klimawandel verlangsamt Jetstream», wusste der «Blick» damals. Ähnlich tönte es bei anderen Medien. 

Der Jetstream ist ein Wind auf 8 bis 12 Kilometer Höhe, der auf der Nordhalbkugel heftig von West nach Ost weht. Er hat einen bedeutenden Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa, Nordasien und Nordamerika. Es gibt nun aber Befürchtungen, dass sich der Jetstream verlangsamt und vermehrt mäandert. Denn wegen des Klimawandels erwärmt sich vor allem die Polregion stark, was zu kleineren Temperaturdifferenzen und zu geringeren Druckunterschieden führt. Das könnte bedeuten, dass sich Hoch- und Tiefdruckgebiete langsamer fortbewegen und es vermehrt zu extremer Hitze, extremer Dürre und extremen Regenfällen kommt.

«Tendenzjournalismus»

Vor allem eine Studie von 2017, verfasst von Stefan Rahmstorf und dem Amerikaner Michael Mann, dem Urheber der berüchtigten Hockeyschläger-Kurve, verlieh solchen Befürchtungen Vorschub. Laut dieser Publikation bei «Nature» bestätigen Computerberechnungen und Beobachtungen das verstärkte Mäandern des Jetstreams. «Hier den menschlichen Fingerabdruck dingfest zu machen, das ist fortgeschrittene Detektivarbeit», lobte sich Rahmstorf damals in einer Pressemeldung.

Auch bei der Verlangsamung des Jetstreams handelt es sich jedoch um eine wissenschaftliche Aussenseitermeinung. So kam etwa eine Studie eines amerikanischen Forscherteams 2021 aufgrund von Eisbohrkern-Untersuchungen in Grönland zum Schluss, dass die heutigen Veränderungen beim Jetstream innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite der letzten 1250 Jahre liegen. Diese Arbeit kam in den Medien hingegen fast gar nicht zur Sprache. Einzig die NZZ ging darauf ein und bezeichnete die mediale Berichterstattung in Sachen Jetstream als «Tendenzjournalismus».

Die «Kipppunkte-Gang»

Das wird Rahmstorf kaum davon abhalten, die Medien weiter mit düsteren Prophezeiungen zu füttern. Er gehört mit anderen Vertretern des PIK, wie Hans Joachim Schellnhuber und Johan Röckström, zur sogenannten «Kipppunkte-Gang», wie Kritiker monieren. Die Gruppe propagiert die Gefahr von ruckartigen, verheerenden Klimaveränderungen, zu denen nicht nur das Versiegen des Golfstroms gehört, sondern auch das Abschmelzen von Eisschilden, das Verschwinden des Amazonas-Regenwaldes oder das Auftauen von Methan-Eises. Trifft das ein, könnte es schlagartig sehr viel wärmer oder eben auch kälter werden. 

Axel Bojanowski, Wissenschaftsjournalist bei der «Welt», hat detailliert nachgezeichnet, wie die Kipppunkte-Gruppe am PIK seit Jahren versucht, das Konzept der «Tipping Points» in der Forschergemeinde zu verankern – bis heute mit sehr bescheidenem Erfolg. Andere Forscher kritisieren das forsche Vorgehen der Rahmstorf-Gruppe. «Meiner Meinung nach gibt es kaum Beweise dafür, dass der Klimawandel schlimmer ist, als wir dachten, noch dass Bewertungen die Risiken herunterspielen oder dass wir dem Untergang geweiht sind», schrieb etwa der ETH-Forscher Reto Knutti in Sachen Kipppunkte.

Willfährige Medien tragen zu falschen Vorstellungen bei

Rahmstorf & Co haben aber viel Erfolg in der Öffentlichkeit. Denn hier ist man mittlerweile überzeugt, dass die Welt schon in den nächsten Jahren durch Kipppunkte bedroht ist. Willfährige Medien, die die Endzeitszenarien aus Potsdam noch so gern verbreiten,  tragen ihren Anteil dazu bei.

Zurück zum Golfstrom: Die niederländische Studie, die nun erneut zu grossen Schlagzeilen geführt hat, steht unter heftiger Kritik anderer Wissenschaftler. Britische Forscher haben etwa bemängelt, das Resultat der Studie sei «forciert» worden, indem unrealistisch hohe Süsswasserzuflüsse angenommen worden seien. Die angenommenen Zuflüsse aus dem Grönländischen Eisschild seien selbst für das extremste Erwärmungsszenario für das nächste Jahrhundert «völlig unrealistisch» konnte man im britischen «Telegraph» lesen. Wetten, dass das deutsche Medienpublikum darüber kein Wort zu lesen bekommt?

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken