Kein Kontinent will den Klimaschutz derart entschlossen vorantreiben wie Europa. Doch im nächsten Juni könnten Programme wie der «Green Deal» oder «Fit for 55» einen empfindlichen Rückschlag erleiden: dann nämlich, wenn die Rechtsparteien wie prognostiziert deutlich gewinnen.

von Peter Panther

Für Sebastian Oberthür, Professor für Politikwissenschaften an der Brussels School of Governance, läuten die Alarmglocken. «Die Gefahr wächst, dass klimaskeptische Regierungen auf EU-Ebene blockieren», sagte er kürzlich zur «Welt». «Ein Ausfall der EU als Ganzes aus dem Pariser Abkommen wäre der grösstmögliche anzunehmende Unfall.»

Was Oberthür hier als Gefahr bezeichnet, hat einen realen Hintergrund: die Wahlen für das EU-Parlament im kommenden Juni. Bei diesen wird gemäss Umfragen ein deutlicher Vormarsch von Rechtsaussen-Parteien erwartet. Und viele dieser Parteien, verächtlich als «Rechtspopulisten» oder Schlimmeres verschrien, sind überwiegend kritisch gegenüber dem Klimakurs der EU eingestellt. Legen sie bei den Wahlen klar zu, könnten es Klimaanliegen im Parlament künftig deutlich schwerer haben.

Vermasseln AfD, FPÖ und Konsorten die schöne neue Klimawelt?

Dabei hat die Union eben erst ein hehres Ziel verkündet: Während bisher erst klar war, dass der Klimagasausstoss bis 2030 um 55 Prozent verringert werden soll («Fit for 55»), wurde vor einigen Tagen bereits die Latte für 2040 aufgelegt. Und die liegt hoch: Um satte 90 Prozent sollen die Treibhausgase bis dann reduziert werden – bevor die Klimaneutralität zehn Jahre später dann Wirklichkeit werden soll. Doch vermasseln AfD, FPÖ und Konsorten nun die schöne neue Klimawelt?

Europa gilt als weltweiter Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Kein anderer Kontinent will derart weit gehen. Während das Engagement Amerikas wackelt – besonders bei einer Wiederwahl von Donald Trump als Präsident –, und andere Weltgegenden die Klimapolitik eher gemächlich angehen, ist die EU vorgeprescht. Doch mit dem Vormarsch «rechtspopulistischer» Parteien drohe im EU-Parlament eine Koalition, die gegen die Klimapolitik gerichtet sei, warnte die Denkfabrik «European Council on Foreign Relations» im Januar.

Allerdings bilden die Rechtsparteien, was ihre Standpunkte in Sachen Klimawandel angeht, keineswegs einen einheitlichen Block. Vielmehr unterscheiden sich ihre Positionen zum Teil deutlich: Während sie in einigen Ländern die menschengemachte Erderwärmung per se bezweifeln, stellen sie anderswo nur die konkreten Massnahmen in Frage – oder sind gar pro Klimaschutz eingestellt.

Grosse Unterschiede bei den Positionen zum Klimaschutz

Hier eine Übersicht über den Klimakurs der Rechtsparteien in einigen Ländern:

In Deutschland gehört die AfD zu den klimaskeptischsten Parteien des ganzen Kontinents. Auf ihrer Webseite steht: «Die Aussagen des Weltklimarats, dass Klimaänderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert.» Denn diese Aussagen basierten auf Rechenmodellen, «die weder das vergangene noch das aktuelle Klima korrekt beschreiben können».

In den Niederlanden ist die «Partei der Freiheit» (PVV) von Geert Wilders, die im letzten November die Parlamentswahlen gewonnen hat, bezüglich Klima nicht minder oppositionell. «Man hat uns jahrzehntelang Angst vor dem Klimawandel eingeflösst», heisst es im Programm der Partei. «Für diesen unbezahlbaren Wahnsinn muss unsere gesamte Lebensweise auf den Kopf gestellt werden.» Wilders sprach sich im Wahlkampf dafür aus, dass die Niederlande das Pariser Klimaabkommen aufkündigen.

Klimaskeptisch geben sich in Schweden auch die Schwedendemokraten. Sie unterstützen die aktuelle Minderheitsregierung und haben daher viel Einfluss. Der Parteivorsitzende Jimmie Åkesson hat in einem Fernsehinterview gesagt, es gebe keinen wissenschaftlichen Beweis für eine Klimakrise. Vielmehr habe man es mit einer «neuen Religion» zu tun.

Auch bei der Freiheitlichen Partei (FPÖ) in Österreich hält man nicht viel von Klimaschutz. Aber angesichts der Aussicht, stärkste politische Kraft des Landes zu werden, hat man sich etwas eingemittet. Noch 2022 sprach FPÖ-Chef Herbert Kickl vom «sogenannten Klimawandel» und bezeichnete den Weltklimarat als «Glaubenskongregation». Mittlerweile erachtet er die «Klimakrise» aber nicht mehr als generell irrelevant. Es sei gut, auf nachhaltige Energiequellen umzustellen. Allerdings sei die aktuelle Klimapolitik «völlig überbordend», so Kickl.

In Frankreich hat auch Marine Le Pen, Chefin des Rassemblement National, intakte Chancen, bald an der Macht zu sein. Entsprechend macht ihre Partei nicht auf Totalopposition und liess verlauten, es sei politisch kontraproduktiv, den menschengemachten Klimawandel abzustreiten. Allerdings mahnte Le Pen noch im Präsidentschaftskampf 2022, der angestrebte ökologische Übergang müsse «langsamer vonstatten» gehen. Auch hat sie den Weltklimarat als «sehr, sehr alarmistisch» bezeichnet.

Bereits an den Schalthebeln der Macht ist in Italien Giorgia Meloni von den rechtsstehenden Fratelli d’ Italia. Sie setzt sich gemäss ihren Bekundungen für mehr Klimaschutz ein, allerdings mit der Einschränkung, dass dieser wirtschaftsverträglich erfolgen müsse. Kritische Töne gab es auch von ihr schon, hat sie doch den «Green Deal», das zentrale Klimaschutzprogramm der EU, als «Klimafundamentalismus» bezeichnet.

Viktor Orban in Ungarn ist zwar in der EU-Zentrale gar nicht beliebt. Am Thema Klimaschutz aber liegt es wohl nicht, bekennt sich doch der Regierungschef von der rechtsnationalen Fidesz-Partei zu einem forcierten Klimaschutz. Dieser sei eine «patriotische und christliche Pflicht». Orban hat aber die Klimapläne der EU zu einem früheren Zeitpunkt als «utopische Fantasien» bezeichnet.

AfD, PVV und Ukip am stärksten klimaskeptisch

Aufschlussreich – wenn auch nicht mehr taufrisch – ist eine Erhebung des Berliner Denkfabrik Adelphi von 2019. Sie hat das Abstimmungsverhalten der Vertreter von Rechtsparteien aus 16 Ländern im EU-Parlament ausgewertet. Einbezogen wurden 13 Abstimmungen in Sachen Klimaschutz und Energie in den Jahren 2015 bis 2018. Am stärksten klimaskeptisch schnitt dabei die deutsche AfD ab, gefolgt von der niederländischen PVV und der britischen UK Independence Party (Grossbritannien war damals noch Mitglied der EU). Fast durchgehend für mehr Klimaschutz stimmten demgegenüber die Abgeordneten der Partei «Order and Justice» aus Litauen sowie der Fidesz aus Ungarn.

 

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