Willis Eschenbach

[In diesem Beitrag geht es zwar nicht um Klima oder Energie, doch wird in einem anderen Fachbereich aufgezeigt, wie heutzutage Angst erzeugt wird. A. d. Übers.]

Ich lese immer wieder, dass wir uns bereits mitten in der „Sechsten Welle des Artensterbens“ befinden. Ich habe mich ausgiebig mit dieser Frage beschäftigt. Den Anfang machte 2010 ein Beitrag mit dem Titel „Where Are The Corpses“ (Wo sind die Leichen), in dem ich die Rote Liste der bedrohten Arten der IUCN untersuchte und feststellte, dass entgegen dem Hype um die „Sechste Welle“ 95 % der ausgestorbenen Säugetier- und Vogelarten auf Inseln und in Australien vorkommen, wo sie der Einführung neuer „fremder“ Arten durch den Menschen nach Jahrtausenden der Isolation ausgesetzt waren.

Craig Loehle setzte sich mit mir in Verbindung und schlug vor, dass wir daraus einen Artikel für die Fachpresse machen sollten. Er übernahm das Schreiben und ich die Zahlen, denn ich habe das Gefühl, dass ich mich einer Lobotomie unterziehen muss, um in dem dichten, langweiligen Stil zu schreiben, der von den Fachzeitschriften bevorzugt wird. Er hat hervorragende Arbeit geleistet und die Arbeit durch den Veröffentlichungsprozess geleitet, wofür ihm meine ewige Dankbarkeit gebührt. Der Artikel wurde in Diversity and Distributions unter dem Titel „Historical bird and terrestrial mammal extinction rates and causes“ [Historische Raten und Ursachen des Aussterbens von Vögeln und Landsäugetieren] veröffentlicht und in Fachzeitschriften über 150 Mal zitiert.

Aber natürlich ging der Alarmismus weiter. Die Leute sagten Dinge wie „Aber Willis, du hast doch nur Säugetiere und Vögel untersucht. Dem Living Planet Index zufolge ist die Zahl der Wirbeltierarten seit 1970 um 70 % zurückgegangen“.

Ich habe einen großen Teil meines Lebens in der freien Natur verbracht, ich lebe im Wald und beobachte die dortige Tierwelt. Diese Behauptung ließ meinen Detektor für schlechte Zahlen klingeln wie die Schulglocke zum Mittagessen. Ich habe nachgeforscht und vor ein paar Wochen eine weitere Analyse mit dem Titel „E Pur Si Muove“ geschrieben, in der ich gezeigt habe, dass die Behauptungen des LPI durch die Daten der Roten Liste stark widerlegt werden [in deutscher Übersetzung hier].

Aber die Behauptungen gingen weiter. Diesmal heißt es: „Aber Willis, das LPI zeigt nur Fische, Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien. Was ist mit dem ganzen Rest des Lebens?“

Michael Corleone sagte: „Gerade, als ich dachte, ich wäre draußen, ziehen sie mich wieder rein“. Also, noch einmal in die Bresche, liebe Freunde …

Lassen Sie mich mit einigen Zahlen aus der Roten Liste der IUCN beginnen. Das ist die offizielle Liste der bedrohten, nicht bedrohten und ausgestorbenen Mitglieder der vier großen Reiche des Lebens – Tiere, Pflanzen, Pilze und Chromista. Und was sind Chromista, wenn sie zugegen sind? Das habe ich mich auch gefragt. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Gruppe meist einzelliger und auch einiger größerer Lebensformen handelt, zu denen Kieselalgen, Mehltau und Seetang gehören.

Die Rote Liste enthält Daten zu etwa 157.190 Arten aller Art in allen Lebensräumen der Erde. Ich finde es super, dass die ersten beiden Arten auf der Liste der „Black Emo Skink“ und die „Viper Moray“ sind … tolle Bandnamen für 2024. Man muss unseren geheimnisvollen Planeten einfach lieben. Hier sind die Ergebnisse der Roten Liste:

Abbildung 1. Die Ergebnisse der Roten Liste zeigen die Anzahl der untersuchten Arten.

Von diesen 157.190 Arten sind 909 Arten als ausgestorben aufgeführt, wobei das früheste Aussterben in den 1400er Jahren stattfand. Das nachstehende Diagramm zeigt die Anzahl der ausgestorbenen und noch existierenden Arten:

Abbildung 2. Alle ausgestorbenen und noch existierenden Arten mit Daten auf der Roten Liste

Also, ich muss sagen, dass ich die „Sechste Welle des Aussterbens“ nicht sehe.

Weiter geht es mit Behauptungen wie diesen:

„Drastisch erhöhte Raten des Artensterbens … sind gut dokumentiert.“

und

„Die Natur geht weltweit in einem Ausmaß zurück, wie es in der Geschichte der Menschheit noch nie vorgekommen ist – und das Aussterben von Arten beschleunigt sich.“

Also schaute ich mir die Aussterberaten im Laufe der Zeit an, um zu sehen, ob „sich die Rate des Artensterbens wirklich beschleunigt“.

Wie meine Studien gezeigt haben, kam es auf den Inseln und in Australien zu einer unverhältnismäßig großen Zahl von Aussterbefällen, als Menschen mit Melaninmangel auf die Inseln kamen und neue, fremde Arten einführten.

Diese Inselarten machen jedoch nur einen kleinen Prozentsatz der Gesamtzahl der Arten aus – wie zu erwarten, gibt es auf den riesigen Kontinenten und im Ozean viel, viel mehr Arten als auf den kleinen Inseln. Und es gibt keine unentdeckten Inseln mehr, die dem Ansturm der eingeschleppten Arten ausgesetzt wären. Auf den Inseln findet sich jedoch ein großer Prozentsatz aller ausgestorbenen Arten.

Lassen wir diese Aussterbefälle einmal beiseite und betrachten wir den Verlauf aller kontinentalen und maritimen Aussterbefälle der Roten Liste, für welche diese ein Datum für das Aussterben enthält. Die frühen Daten sind spärlich und enthalten daher nur wenige Aussterbeereignisse pro Jahr. Ich habe daher den Zeitraum ab 1850 dargestellt, in dem weitaus mehr Aussterbeereignisse pro Jahr auftraten und für den wir viel bessere Daten haben:

Abbildung 3. Alle Aussterbefälle kontinentaler und maritimer Arten, 1850 bis Januar 2024. Diese sind in 5-Jahres-Schritten gruppiert. Die rote Linie ist der Trend von 1850 bis 2000 und nicht bis zur Gegenwart, um eine Verzerrung des Trends zu vermeiden, da es einige Jahrzehnte dauern kann, bis ein Aussterben verifiziert ist.

Und um den Kreis zu schließen, hier die gleiche Analyse mit allen bekannten Aussterbeereignissen, die ein Datum für das Aussterben haben:

Abbildung 4. Alle bekannten Aussterbefälle aller Arten, 1850 bis Januar 2024. Einzelheiten wie in Abbildung 3. Beachten Sie, dass die durchschnittliche Aussterberate unter Einbeziehung des Inselsterbens doppelt so hoch ist wie in Abbildung 3.

Wie man sieht, gab es in den letzten 150 Jahren keinen signifikanten Trend bei der Aussterberate, weder bei den kontinentalen und maritimen noch bei allen anderen Arten.
Ist die Aussterberate nach 1850 nun höher als die geologische Aussterberate? Auf jeden Fall. Sie ist um eine Größenordnung höher.

Aber ist es eine „Sechste Welle des Aussterbens“?

Betrachten wir es einmal so: Der Durchschnitt der Jahre 1850-2000 liegt bei 3,6 ausgestorbenen kontinentalen und marinen Arten pro Jahr, mit einem Spitzenwert von etwa 8 ausgestorbenen Arten pro Jahr. Die Rote Liste enthält 157.190 kontinentale und maritime Arten, von denen 909 ausgestorben sind.

Wenn also die Aussterberate auf dem derzeitigen Niveau bleibt, werden wir bis zum Jahr 2100 weitere 3,6 Aussterbefälle/Jahr * 76 Jahre = 274 Aussterbefälle erleben.

Aber lassen Sie uns radikal werden – nehmen wir das Zehnfache der derzeitigen Aussterberate, also 36 Aussterbefälle pro Jahr. Das ist zwar extrem unwahrscheinlich, da es in den Aufzeichnungen der Roten Liste noch nie vorgekommen ist, aber für diese Analyse nehmen wir diese Aussterberate, um auf der sicheren Seite zu sein.

[Hervorhebung im Original]

Damit kämen wir bis zum Jahr 2100 auf insgesamt 3.645 Aussterbefälle. Die folgende Abbildung zeigt dies im gleichen Maßstab wie Abbildung 2:

Außerdem denke ich, selbst wenn das Aussterben auf das Zehnfache der derzeitigen Aussterberate ansteigen würde, sehe ich immer noch nicht die sagenumwobene „Sechste Welle des Aussterbens“.

Heißt das nun, dass wir uns nicht um das Aussterben kümmern sollten?

Ganz und gar nicht. Wir müssen uns aller Folgen unseres menschlichen Handelns bewusst sein und, wo immer möglich und sinnvoll, Rücksicht auf die Lebewesen nehmen, mit denen wir den Planeten teilen. Ich habe einen großen Teil meines Lebens als Berufsfischer gearbeitet. Ich würde mich freuen, wenn mein zweijähriger Enkel das Gleiche tun könnte … und das geht nur, wenn wir uns der Auswirkungen unseres Handelns auf den Ozean bewusst sind.

Wir müssen aber auch das Augenmaß bewahren. Das Aussterben von Arten ist ein Teil des Naturgeschehens. Tatsache ist, dass 99,9 % aller Arten, die jemals existiert haben, ausgestorben sind.

Und wenn eine bestimmte Art nach Millionen von Jahren der Evolution nur in einem winzigen Teil des Planeten vorkommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ausstirbt, sehr hoch, egal was wir tun. Sie kann sich offensichtlich nicht einmal an die kleinsten Veränderungen in ihrer Umgebung anpassen – wenn sie das könnte, würde sie in einem viel größeren Gebiet vorkommen. Hier ist eine Beschreibung einer solchen ausgestorbenen Art auf der Roten Liste:

„Stypodon signifer [Stummelzahn-Elritze]: Diese Art ist nur von 6 Exemplaren bekannt, die in den Jahren 1880 und 1903 gesammelt wurden, so dass ihre Biologie weitgehend unbekannt ist. Sie kam in Quellen auf dem Boden des Parras-Tals [in Guanajuato, Mexiko] vor.“

Der Kampf gegen seine Ausrottung wäre also reine Zeitverschwendung gewesen.
Wenn Ihnen also jemand von der „Sechsten Welle des Artensterbens“ erzählt, lachen Sie ruhig und verweisen Sie auf diese Analyse.

Link: https://wattsupwiththat.com/2024/01/23/surfing-the-sixth-wave/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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