Warum „Erneuerbare“ nicht sparen, sondern Milliarden kosten

Dr. Lars Schernikau

In den letzten 150 Jahren hat die reichlich vorhandene Elektrizität aus Kohle und Gas zu einer beispiellosen Verringerung der Armut sowie zu einem Anstieg der Lebenserwartung und Gesundheit geführt. Gegenwärtig werden mit diesen kostengünstigen und zuverlässigen Energiequellen etwa 60 % der Elektrizität und 50 % der Primärenergie weltweit erzeugt. Vor allem wegen der Sorge um den „Klimawandel“ sollen Kohle und Gas durch „erneuerbare“ Energien wie Wind- und Solarenergie ersetzt werden. Doch das hat seinen Preis.

Bloomberg veröffentlichte seine jüngste globale Analyse der Stromgestehungskosten (1) (Levelized Cost of Electricity, LCOE) für das Jahr 2023, in der die historischen LCOE verschiedener „erneuerbarer Energien“ mit den Kosten von Kohle, Gas und Kernkraft verglichen wurden (Abbildung 1). Auf den LCOE basierende Berichte und Analysen auch anderer Organisationen wie IEA, IRENA, IEEFA, IMF und Agora bilden die Grundlage für viele Regierungen, die fälschlicherweise zu dem Schluss kommen, dass der Übergang von einem kohle- und gasbasierten Stromsystem zu Wind- und Solarenergie auf globaler Ebene Milliarden, wenn nicht Billionen einsparen wird.

Politische Entscheidungsträger kennen die drei Säulen einer erfolgreichen Energiepolitik: (a) Zuverlässigkeit, (b) Bezahlbarkeit und (c) ökologische Nachhaltigkeit. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass die Energieministerien um ein Gleichgewicht innerhalb dieses „Energie-Trilemmas“ ringen und dass die drei Säulen zudem einer bestimmten Priorität folgen:

In erster Linie muss der Zugang zu zuverlässiger Energie gewährleistet sein, bevor die Erschwinglichkeit der Energie in Betracht gezogen wird. Erst wenn das Gleichgewicht zwischen zuverlässiger und erschwinglicher Energie erreicht ist, kann die ökologische Nachhaltigkeit sinnvoll angegangen werden.

Die Behauptung, „erneuerbare“ Energie aus Wind und Sonne sei billig und habe keine Auswirkungen auf die Umwelt, ist ein entscheidendes und schädliches energiewirtschaftliches Missverständnis.

Die unbequeme Wahrheit, die selbst von führenden energiewirtschaftlichen Institutionen wie der OECD und der IEA nicht bestritten wird ist, dass (a) Wind- und Solarenergie im Netzmaßstab immer teurer sind als Kohle und Gas, sogar als Kernenergie, und dass (b) die Gesamtkosten für eine Volkswirtschaft exponentiell ansteigen, je höher der Anteil von Wind- und Solarenergie im Stromsystem ist. Das Ergebnis ist, dass die vorgeschlagene „Energiewende“ mehr als 7 – 10 % des globalen BIP kosten würde, was Billionen von Dollar entspricht und laut IPCC-Daten die Kosten einer Klimaerwärmung übersteigen würde.

Abbildung 1: Bloomberg LCOE-Analyse (Quelle: Bloomberg New Energy Finance BNEF)

Anmerkung: CCS = Carbon Capture & Storage (Kohlenstoff-Speicherung, PV = Photovoltaik

Warum ist es falsch, die LCOE bei der Bewertung der Stromkosten eines Landes zu verwenden?

LCOE (Levelized Cost of Electricity) ist eine „mikroökonomische“ statt einer Gesamtsystembetrachtung, die sieben Kostenkategorien (siehe unten) ausschließt und daher niemals ein genauer Indikator sein kann, auf den Regierungen ihre energiepolitischen Entscheidungen stützen können.

Die LCOE sind irreführend, weil sie die Unterbrechungen, die geringen natürlichen Kapazitätsfaktoren, die korrelierende „Verfügbarkeit“ von Wind- und Solarenergie über die Kontinente hinweg und die standortbedingte Ungleichheit von Angebot und Nachfrage nicht berücksichtigen.

Offensichtliche Kosten werden von den LCOE nicht berücksichtigt:

1. Backup oder Langzeit-Energiespeicherung (LDES): Wind- und Solarenergie erfordern mindestens 100 % Backup oder Speicherung für jedes installierte MW. (2)

2. Netzintegration, einschließlich der Kosten für Übertragung, Verteilung, Ausgleich und Konditionierung.

Zu den nicht so offensichtlichen Kosten, die bei den LCOE im Netzmaßstab nicht berücksichtigt werden, gehören:

3. Effizienzverluste – mehr Wind- und Solarenergie bedeutet weniger Auslastung (3) von Backup- oder Netzsystemen.

4. Landverbrauch Der Raumbedarf wird durch die geringe Energiedichte (pro m²) von Wind- und Solaranlagen bestimmt. Die „Nutzung“ von Tausenden von km², um die diffuse Energie von Sonne und Wind einzufangen, ist mit wirtschaftlichen und ökologischen Kosten verbunden.

5. Recyclingkosten, bedingt durch die geringe Energiedichte (pro kg) und die kurze Lebensdauer von Wind- und Sonnenenergie.

6. Umweltkosten – d. h. Schädigung der Pflanzen- und Tierwelt, negative Auswirkungen auf das Klimasystem, u. a. durch Erwärmung, Windentzug und atmosphärische Veränderungen.

7. Rohstoff- und Nettoenergieineffizienz (EROI) – der Produktion, der Verarbeitung, des Transports, der Veredelung, der Herstellung und des Recyclings des gesamten Systems, einschließlich seiner Umweltauswirkungen.

Nur eine Schätzung der Strom-Vollkosten (Full Cost of Electricity FCOE) umfasst alle Kosten und sollte zur Bewertung der Gesamtkosten eines Landes oder Systems herangezogen werden (Abbildung 2).

Abbildung 2: Definition der Vollkosten der Elektrizität (FCOE) und Vergleich mit den LCOE

Welche Auswirkungen hat es auf die Menschheit, wenn Wind- und Solartechnologien im Netzmaßstab die Energiekosten erhöhen und die Zuverlässigkeit der Energieversorgung verringern? The Economist schätzt, dass hohe Energiepreise allein im Winter 2022/23 in Großbritannien zu mehr als 65.000 zusätzlichen Todesfällen geführt haben, mehr als durch Covid19 verursacht wurden. Hohe Energiekosten erhöhen das Leid der Armen und bremsen die industrielle Entwicklung nicht nur in den Entwicklungsländern.

Nicht jedes Solarpanel oder Windrad ist unerwünscht, es gibt ausgewählte Anwendungen und Standorte, an denen sie sinnvoll sind. Wenn Wind- und Solarenergie jedoch eine minderwertige Lösung für das Gesamt-Stromnetz sind, dann gilt dies logischerweise auch für Wasserstoff, der aus Wind- und Sonnenenergie hergestellt wird. Man bedenke, dass H₂ für die Speicherung 65-80 % der eingesetzten Energie für Produktion, Speicherung, Transport und Repowering „verliert“. Wasserstoff ist bei der Lagerung und beim Transport gefährlich, hochexplosiv und so „dünn“, dass er Stahl durchdringt und dieser dadurch versprödet. Wenn er entweicht, wäre seine „wärmende Wirkung“ 12-mal so groß wie die von CO₂.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir uns bemühen müssen, die externen Umweltauswirkungen aller unserer Energiesysteme zu verringern. Der „Übergang“ zu Wind, Sonne und Wasserstoff führt jedoch zu einem Anstieg der Energiekosten und einer Verringerung der Zuverlässigkeit sowie zu schwerwiegenden Auswirkungen auf die Ökosysteme, was kontraproduktiv ist und unerwünschte Folgen für die Menschheit hat.

Armut, Frieden, Gesundheit, Bildung und Umwelt sollten unsere höchste Aufmerksamkeit haben, und dafür fehlen uns die Mittel. Wir sollten Investitionen aus den Bereichen Wind, Solar und Wasserstoff und/oder Batterien dorthin umleiten, wo das Geld eine wirklich positive Auswirkung auf unsere Umwelt und unsere Wirtschaft haben wird. Für eine wirklich langfristig nachhaltige, energiedichte Zukunft sollten wir zusätzlich zu mehr Forschung und Entwicklung und Kernspaltung/Fusion in den Bau bzw. die Aufrüstung neuester hocheffizienter Wärmekraftwerke und die Installation moderner Filtersysteme investieren, und zwar weltweit.

Wir brauchen dringend Investitionen in Kraftwerke, Brennstoffe und Raffinerien, um eine lang anhaltende globale Energiekrise mit all ihren Folgen für Leben, Gesundheit und Wohlstand, insbesondere für die Armen, zu vermeiden.

Die ersten Vorboten dieser Energiekrise zeigten sich bereits 2021 vor dem Ukraine-Krieg.

Eine ausführlichere Erklärung zu den in diesem Artikel angesprochenen Themen findet man in unserem kürzlich erschienenen Buch. „Unbequeme Wahrheiten… über Strom und die Energe der Zukunft“, erhältlich auf Amazon über www.unpopular-truth.com.

Eine Liste ausgewählter Referenzen, die belegen, dass die Stromgestehungskosten (LCOE) nicht zum Vergleich von Wind- und Solarenergie mit einsatzfähiger thermischer Stromerzeugung im Netzmaßstab herangezogen werden können, findet man hier.

Anmerkungen:

  1. Die LCOE messen nur die Kosten für Bau, Betrieb und Bereitstellung von Brennstoff (in der Regel inkl. CO₂-Besteuerung) für die Stromerzeugung. Andere Kosten, wie z. B. Netzintegration, Backup/Speicherung, Recycling usw., werden nicht berücksichtigt. Siehe Abbildung 2

  2. Ich sage „mindestens“, weil die Energieverluste der Backup-/Speichersysteme und der kurz- und langfristigen Energiespeicherung möglicherweise zwei Systeme sind.

  3. Die Nutzung von Vermögenswerten kann mit einem Auto erklärt werden. Vergleichen Sie die Gesamtkosten eines Autos wie Kauf, Wartung, Versicherung und Kraftstoff pro Kilometer, wenn Sie es (a) einmal pro Woche für 5 Minuten fahren und (b) wenn Sie es jeden Tag 2 Stunden lang ohne Unterbrechung fahren.

Link: https://www.eurasiareview.com/17012024-the-energy-trilemma-and-the-cost-of-electricity-oped/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE, Übersetzung überarbeitet vom Autor

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken