von Dr. Klaus-Dieter Humpich
Unser Nachbar – mit gemeinsamer Grenze zu Bayern und Sachsen – scheint nicht dem deutschen Sonnenkult und dem Charme der Reichskraft-Türme zu erliegen. Nein, dort hat die Realität gesiegt. Die „Energiewende“ nach tschechischer Art scheint in Richtung Kernenergie zu gehen. Man will nicht nur elektrische Energie herstellen, sondern auch den Wärmemarkt versorgen. Ein weiterer und bedeutender Unterschied zu Deutschland, wo man die vollständige Elektrifizierung (Verkehr und Wärmepumpen) durch wetterabhängige Energieträger zum Ideal erhoben hat.
Kernkraft heute
Man hat schon zu Zeiten des Ostblocks mit Kernkraftwerken begonnen. Zwischen 1985 und 1987 gingen vier Blöcke mit je 510 MWel des sowjetischen Typs VVER V213 in Dukovany in Betrieb. Diese wurden – anders als in Deutschland – nach dem Zusammenbruch nicht stillgelegt, sondern weiter betrieben, modernisiert und auf den westlichen Sicherheitsstandard gebracht. 2000 bis 2002 gingen in Temelin zwei weitere Blöcke mit je 1086 MWel vom Typ VVER V320 ans Netz.
Damit hatte man 2021 einen Energiemix aus 41% Kohle und 36% Kernenergie. Sonne und Wind trugen gerade einmal 4% bei. Schon damals war man Nettoexporteur (15.2 TWh Import; 26.3 TWh Export). Bei der verquasten Energiepolitik in Deutschland und der geographischen Lage ist klar, wohin die Reise gehen wird (muß?). Nach jahrzehntelangen Diskussionen in Tschechien und mit der Europäischen Kommission wurde im Oktober 2023 ein Angebot für Dukovany 5+6 durch EDF, Westinghouse und Korea Hydro & Nuclear Power abgegeben. Die tschechische Regierung plant nun bis zum nächsten Jahr die Angebote auszuwerten und unterschriftsreife Verträge vorzulegen. Baubeginn sollte 2029 und Fertigstellung 2036 sein.
Heizung mit Kernenergie
Mit der Abwärme des Kernkraftwerks Temelin werden die Städte Tyn and Vltavou in 5 km Entfernung versorgt. Es wird auch die Stadt České Budějovice 24 km entfernt versorgt. Diese Fernwärmeleitung deckt 30% des Bedarfs der Stadt ab. Weitere Anschlüsse der vorhandenen Kernkraftwerke erscheinen nicht wirtschaftlich, da die Standorte früher bewußt von Siedlungen entfernt gebaut wurden. Das war die Angst vor Strahlung. Fernwärmeleitungen sind aber extrem kostspielig und große Entfernungen damit nur bedingt erschließbar. Außerdem steigen die Verluste proportional mit der Länge an.
Deshalb hat man eine Liste und eine Karte der vorhandenen Kohlekraftwerke und Heizwerke für eine Umstellung auf SMR (Small Modular Reactors) geeignete Anlagen erstellt. Es ergaben sich 45 Standorte, die die Kriterien erfüllen (mindestens 1000 to Dampf für Fernwärme und 1,5 TWh elektrische Energie bei mindestens 50% Anteil Kohle, Anschlüsse an 400 kV bzw. 110 kV vorhanden).
An dieser Stelle ist es wichtig, den grundsätzlich verschiedenen Ansatz in Deutschland und Tschechien für die Versorgung einer modernen Volkswirtschaft zu verdeutlichen:
- In Deutschland hat man sich für die zentrale Lösung entschieden. Man macht aus Nord- und Ostsee einen riesigen Industriepark mit nicht absehbaren Folgen für Flora und Fauna. Zwangsläufig muß man die elektrische Energie mit „Stromautobahnen“ – welch treffender Ausdruck für diese Schneisen in der Natur – über hunderte Kilometer zu den Verbrauchern transportieren. Dort soll dann elektrisch geheizt werden, unter Verwendung von Wärmepumpen.
- In Tschechien versucht man mit der Energieproduktion möglichst nahe an die Verbraucher heran zu rücken – kurze Wege, geringe Kosten und Verluste. Entscheidend ist aber vielmehr die direkte Nutzung von Wärme für z. B. die Heizung der Gebäude. Erst wird Strom produziert und anschließend mit der Abwärme geheizt (Kraft-Wärme-Kopplung, KWK). Immer noch das überlegene Prinzip der Energieausnutzung. Viel geringerer Primärenergie-Einsatz als bei dem umständlichen Weg der Luft-Wärmepumpen ausgerechnet an kalten Wintertagen. Neben geringerer Umweltbelastung ergeben sich auch wesentlich geringere Kosten als bei der „elektrischen Heizung“ mit dem teuren Windstrom (Sonne ist in unseren Breiten im Winter eh zu vernachlässigen). Man verwendet vorhandene Gebäude (kein teuerer Umbau nötig) und das vorhandene Fernwärmenetz weiter. Man stelle sich bloß mal die schöne Altstadt von Prag mit Styropor verpackt vor. Viele Bürger in Deutschland sind sich wahrscheinlich noch gar nicht bewußt, welcher Irrsinn durch die „Energiewende“ noch auf uns zu kommt.
Sicherheit
Je näher man an Städte rückt, um so geringer muß die Wahrscheinlichkeit einer radioaktiven Freisetzung sein. In diesem Sinne müssen solche Reaktoren über passive Sicherheitseinrichtungen verfügen. Sie müssen besonders einfache Konstruktionen sein. Was man nicht hat, kann auch nicht kaputt gehen oder im Ernstfall versagen. Um gleich mit dem Unfug einer absoluten Sicherheit aufzuräumen: Es wird immer Störfälle bei jeder Technik geben, für den Ingenieur ist nur die Häufigkeit und der resultierende Schaden relevant. Risiko ist die nicht vom Nutzen trennbare Kehrseite. Man kann leicht den Flugzeugabsturz eines startenden Jumbo auf ein vollbesetztes Fußballstadion konstruieren (das Berliner Olympiastadion lag nahezu in der Einflugschneise des Flughafen Tegel). Soll man deshalb Länderspiele oder Flugzeuge verbieten?
Alle SMR auf der Basis von Leichtwasserreaktoren (Druckwasser- oder Siedewasserreaktoren) sind so konzipiert, daß auch bei schwersten Unfällen die Auswirkungen auf das „Firmengelände“ beschränkt bleiben. Ein schwerer Störfall würde damit genauso ablaufen, wie zig Brände in Industrieanlagen in Großstädten: Schließen sie die Fenster und lassen sie die Feuerwehr ihre Arbeit machen… Wem dieses Risiko in Abwägung mit den Annehmlichkeiten (Arbeitsplätze, Kulturangebot etc.) einer Großstadt immer noch zu groß ist, bleibt der Einödhof als Lebensgrundlage. Allerdings kann man ihm auch dort nicht absolute Sicherheit garantieren, es bleiben Naturkatastrophen, ein Meteoriteneinschlag, Krieg und vieles mehr.
Spätestens seit den Störfällen in Harrisburg (Druckwasserreaktor) und selbst in Fukushima (Siedewasserreaktor) hat sich gezeigt, daß schwerste Störfälle bei Leichtwasserreaktoren ohne direkte Todesfälle ablaufen. Für „Panik-Tote“ aus Strahlenangst sind einzig und allein die Propagandaabteilungen der einschlägigen politischen Kampforganisationen verantwortlich. Bei allen neuen Reaktoren der sog. Generation III+ sind solche Störfälle bereits technisch ausgeschlossen. Die geplanten SMR auf der Basis von Leichtwasserreaktoren sind noch einmal um Größenordnungen „sicherer“. So waren die Siedewasserreaktoren in Fukushima die 2. Generation, der SMR von GE Hitachi ist die 10. Generation: Jahrzehnte der Forschung und Entwicklung und Betriebserfahrung fließen hier ein.
Der Zeithorizont
Tschechien scheint fest entschlossen, vorhandene Kohlekraftwerke durch SMR zu ersetzen. Man verfügt über eine gute kerntechnische Industrie (Skoda etc.), Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen und neben Jahrzehnten Betriebserfahrungen über eine zur Kernenergie positiv eingestellte Bevölkerung. Die Voraussetzungen sind erfüllt, trotzdem ist Zeit notwendig. Tschechien ist ein kleines Land mit nicht einmal 10 Millionen Einwohnern und deshalb begrenzten Mitteln. Kooperation ist deshalb angesagt. Man unterhält bereits enge Kontakte mit Rolls&Royce (Druckwasserreaktor mit bis zu 440 MWel) als europäischem Partner und GE Hitachi (Siedewasserreaktor mit 320 MWel) für USA und Kanada.
Ein Gedanke hinter den SMR ist die Kosteneinsparung durch Serienproduktion. Nun sind aber Kernkraftwerke keine Konsumgüter, sondern bestenfalls Flugzeuge. Man muß deshalb die möglichen Stückzahlen im Auge behalten. Wenn man in dieses Geschäft einsteigen will, müßte man schon sehr viel Kapital in die Hand nehmen um eigene Modelle zu entwickeln und die dafür notwendigen Fertigungsanlagen aufzubauen. Für ein so kleines Land wie Tschechien eher unmöglich. Bleibt die Lizenz von einem namhaften Hersteller zu erwerben. Dann müßte man aber immer noch so große Stückzahlen haben, daß sich der Aufbau einer eigenen Fertigung lohnt. Für ein so kleines Land wie Tschechien scheint daher eine möglichst enge Kooperation mit wenigen Anbietern als der sinnvollste Weg. Man beschränkt sich auf die Produktion bestimmter Komponenten, aber dafür indirekt für den gesamten Weltmarkt. Gerade bei diesem Modell ist Geschwindigkeit ausschlaggebend. Wer von Anfang an dabei ist, hat den größten Einfluß. Später in einen etablierten Markt eindringen zu wollen ist immer kostspielig. Wie schnell sich „Platzhirsche“ international herausbilden, ist aus dem Computer und Smartphone Geschäft hinlänglich bekannt. Hätte sich Microsoft nicht an die große IBM ran gehängt, würde heute kaum ein Mensch den Namen Bill Gates überhaupt kennen.
Besonders wichtig ist für Tschechien der Nachbar Polen, der ähnliche Pläne verfolgt. Dort drückt der Kohleausstieg ebenfalls. Zusammen wären über 100 SMR-Projekte denkbar. Das wäre der Nukleus für eine schlagkräftige kerntechnische Industrie im gesamten Osten Europas. Neben den (gut bezahlten) Arbeitsplätzen für Bau und Betrieb täte sich noch ein weiteres Exportprodukt auf: Die Lieferung von preisgünstig und bedarfsgerecht vorhandener elektrischer Energie. Niemand in Europa hat ein Interesse, daß sich Deutschland in ein mittelalterliches, deindustrialisiertes Land zurück entwickelt. Bayern könnte der erste Großkunde sein. Strom aus tschechischen Kernkraftwerken ist auf jeden Fall günstiger und zuverlässiger als Windstrom aus der Nordsee. Bayern ist auch (noch) nicht arm. Bayern könnte sinnvoll in Tschechien investieren. Sinnvoller jedenfalls, als sich von den Träumen eines Kinderbuchautors und seiner Höflinge verführen zu lassen.
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Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Die Kernkraft ist nur noch damit beschäftigt, den Istzustand zu erhalten.
Ein nennenswerter Ausbau der AKW-Leistung ist weltweit nicht zu sehen.
In den vergangenen ca. 5 Jahren ging die installierte Leistung der Kernkraftwerke weltweit um -5GW zurück, jedes Jahr im Durchschnitt um ca. -1GW.
Auch unser Nachbar Tschechien macht seit ca. 20 Jahren nur Ankündigungen, die Kernkraft auszubauen, geschehen ist da auch nichts.
In Tschechien und auch in einigen anderen EU-Ländern (Dänemark, Belgien, Italien, Irland) ist der Strompreis in den letzten 1–2 Jahren sehr stark gestiegen, sodass Deutschland nun nicht mehr den weltweiten Spitzenplatz beim Strompreis belegt (Quelle: strom-report.com, Stand 2022).
Preisanstieg in 2022 gegenüber 2021:
Tschechien +70,8 %
Dänemark: +65,2 %
Italien: +50,6 %
Belgien: +45,1 %
Irland: +35,4 %
Deutschland: +4,2 %
Was sind die Gründe für diese enorme Preissteigerung?
Hat es mit den Sanktionen des russischen Erdgases zu tun?
Warum ist Deutschland nicht von diesen extremen Strompreissteigerungen betroffen (nur +4,2 %)?
In Deutschland haben wir nun mal ca. 70% Strom aus Deutschen „Stromquellen“
ca. 50% aus den Erneuerbaren
und
ca. 20% aus der Braunkohle
Haben sie einen genauen Link? auf der leider unuebersichtlichen Webseite findet man diese Angabe von ihnen nicht.
Haben Sie mal was von sogenannten Suchmaschinen gehöhnt die man verwendet im Internet?
Google ist so eine Suchmaschine, da schnell mal z.B.
„+70,8 %“ Stromkosten
eingeben und dann kommt gleich als erster Treffer nach 0,21 Sekunden
https://strom-report.com/strompreise-europa/
Das wird man doch noch schaffen, Herr Werner Schulz.
Der EIKE Admin schreibt auch am 19. Juni 2023 um 21:08
Ich sagte ja, es ist eine unübersichtliche Webseite.
Haben sie vielleicht eine Antwort für Herrn Schmitt oder wollten sie nur ihre Webfahigkeiten darstellen?
Der Anstieg für Dänemark ist beunruhigend. Immerhin haben die fast 50% Stromerzeugung aus Windkraft und nur 6% aus Erdgas.
Demnach sollte Gas kein Preistreiber sein.
Woran liegt es ihrer Meinung nach?
Strompreise in Europa im Vergleich
Die folgende Übersicht zeigt Ihnen die Stromkosten für Europa im einfachen Vergleich.
Hier wird auch was anderes gesagt: https://strom.preisvergleich.de/info/35089/strompreise-europa/
Sie wissen das der Anstieg nichts ueber den eigentlichen Preis aussagt und ihre Aussage das
Nicht mal mit den Daten die sie zeigen belegt werden kann, und fuer Europa bei den Daten oben nicht stimmt.
Mit Ihrem Link beziehen Sie sich auf den Stand 2021. Mir ist bewusst, dass Deutschland bis ca. 2021 noch den Weltspitzenplatz bei Strompreis belegte. Mittlerweile scheint sich das aber geändert zu haben.
Ich habe mich in meinem Kommentar auf die Angaben dieser Seite bezogen:
https://strom-report.com/strompreise-europa/
Dort ist z. B. für 2022 Dänemark mit 0,61 € pro kWh angegeben (Deutschland: 0,374 € pro kWh).
Und auch einige andere EU Länder haben einen höheren Strompreis (Irland, Belgien, Tschechien, Italien, Spanien).
Die Frage ist nun, was der Grund dafür ist.
Sind es nur die Turbulenzen am Strommarkt (bedingt durch die Sanktionen) die temporär andere Länder an den Spitzenplatz bringen oder hat es andere Gründe.
Habe die Zahlen von Ihnen jetzt auch gefunden. Danke.
Ich habe für Dänemark schnell mal geguckt, und ohne Jahresangabe zu kennen, aber ich glaube es war recht neu, beziehen die Dänen fast 50% von Windkraft und 75% von den anderen anerkannten grünen Stromerzeugungen. Nur 6% aus Gas. Russland sollte also nicht der Grund sein.
Aber Dänemark ist angeblich als Stromtransit und Stromexportland für Deutschland sehr wichtig und angeblich kriegen wir mehr Strom von Dänemark als von Frankreich.
Warum sich das preislich auf die Dänen auswirkt weiss ich nicht, aber einer wird sicher dran verdienen.
Herr Schulz,
ihre Zahlen sind von 2021 und jetzt ist 11/2023
Die Preisentwicklung von 2023 können wir erst im nächsten Jahr feststellen.
Aber ja es war 21 und nicht 22!
Bereits grün verdummt vom Klima-Wahn schließt sich auch noch die weltweit dümmste Energiewende (WSJ) an – in Absurdistan. Dort regieren die Anbeter des minderwertigen grünen Flatterstroms mit der geringstmöglichen Energiedichte, dem größtmöglichen Flächenverbrauch und der höchstmöglichen Unzuverlässigkeit, gigantisch verteuert durch grünen Wasserstoff. Das Faszinierende: Jeder ahnungslose Trot… glaubt, bei grünem Schwachsinn mitreden zu können und gefällt sich darin, den Wahnsinn weiter zu verstärken – in der Ampel-Narrenkoalition. Als die größte „Leistung“ der Grünen wird in die Geschichte eingehen, gigantische Dummheit und Unfähigkeit zur Staatsräson erhoben zu haben.