von Bernd Packulat

Wir schreiben Januar 2023, uns Bürger bewegen aktuell die Energiepreise und die Sparaufrufe der Bundesregierung wegen des Erdgasembargos und die Bemühungen um die kurzfristige Schaffung einer Infrastruktur für LNG-Importe.

Die lokale Politik-Prominenz unserer Gemeinde möchte als „Klimaschutzmaßnahme“ ein Fernwärmenetz aufbauen, um durch Stilllegung der Gasthermen in den Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern die Welt zu retten.

Damit ist es an der Zeit, sich mit den aktuellen Gegebenheiten der Geothermie zu beschäftigen!

Der NDR berichtete sehr ausführlich am 24.01.2023 von der Tagung des Bundesverbandes Geothermie in Neumünster, der Beitrag

„Tiefengeothermie: So können wir von Erdwärme profitieren“

ist hier abrufbar.

Inga Moeck – Professorin für Angewandte Geothermik und Geohydraulik – …sagt: Verlässliche Daten [der Gesteinsstrukturen mit Geothermie-Potential im tieferen Untergrund] sind da – jetzt brauche es den nächsten Schritt. „Wir warten jetzt nur noch auf die Stadtwerke, die sich diese Daten angucken und sagen: Wo deckt sich der Wärmebedarf mit dem Angebot aus dem Untergrund?“, sagt die Fachfrau. Sie kennt die große Hürde bei der Geothermie: Am Anfang koste es ziemlich viel Geld – doch danach sei das alles sehr wartungsarm. „Dann hat man es eigentlich geschafft“, meint Moeck und verweist auf die Unterstützung durch den Staat. „Da muss man als Kommune nur willig sein, dann kriegt man eine Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium.“

Ebenfalls berichtete das Hamburger Abendblatt am 27.01.2023 unter der Überschrift „Energieexkursion ins Erdreich“ von den zu erwartenden Erfolgen des Geothermie-Projekt in Wilhelmsburg, der Beitrag ist leider nur als Print und e-paper verfügbar. Von diesem Projekt berichtete ich bereits auf EIKE am 01.08.2022 unter dem Titel „Der Ausbau der Geothermie in Wilhelmsburg stockt“.

Als Literaturquelle bietet sich hierfür zusätzlich zu den Artikeln der Internetauftritt Norddeutsche Geothermie-Tagung an, hier sind die Fachvorträge aller Jahrestagungen ab 2008 gelistet.

Bereits 2011 hielt Claudia Thomsen den Vortrag „Geothermische Potenziale in Norddeutschland am Beispiel Schleswig-Holsteins“.

Bild 1: Potentielle Gebiete in Deutschland für die hydrothermische Nutzung

Potentiell nutzbare Sandsteine sollen Dogger, Oberer Keuper und Mittlerer Buntsandstein sein.

Wie nachfolgendes Bild 2 zeigt, weisen um Hamburg herum die Kreise Pinneberg, Segeberg und Bad Oldesloe, also die Region nördlich Hamburg keine Vorkommen dieser Sandsteine auf.

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Bild 2: Potentialgebiete für hydrogeothermische Nutzung in Schleswig-Holstein

Eigentlich stellt Schleswig-Holstein im Gegensatz zum nördlichen Niedersachsen kein potentielles Nutzungsgebiet dar. Die Landschaft ist von geotektonischen Verwerfungen gekennzeichnet, wasserführende Sandsteinschichten werden durch diese Verwerfungen sehr häufig unterbrochen.

Bild 3 Geotektonische Verwerfungen in Schleswig-Holstein

2022 halten Frank Kabus und Rafael Mathes den Vortrag „Tiefe Geothermieprojekte mit Großwärmepumpen im Norddeutschen Becken“.

Im Bild 4 werden auf Folie 7 die Bedingungen für zu erwartenden Wärmequellleistung gelistet:

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Bild 4 Wärmequellleistungen von Wärmepumpen

Im Bild 5 werden auf der Folie 8 die 3 Varianten der Hydrothermalen Technologie beschrieben.

Bild 5: Hydrogeothermale Technologien

Unter dem Aspekt, das in weiten Teilen Schleswig-Holsteins nur Temperaturen unter 60°C in einer Tiefe von ca. 1.300 m vorhanden sind, kommt also nur die Variante 3 „Wärmepumpen“ zum Tragen.

Bild 6 Variante 3 Wärmepumpe

Als Praxisbeispiel sei die Anlage Schwerin angeführt.

Bild 7 Beispiel Schwerin Rahmenbedingung

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Bild 8 Beispiel Schwerin Ergebnisse

Doch wie ist hier der Stand der Großwärmepumpen?

2022 hielt Matthias Utri den Vortrag „Großwärmepumpen für die Geothermie: Technik, Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeiten“.

Die Variante 3 wird nochmals im Bild 9 dargestellt.

Bild 9: Der einfache Wärmepumpenkreislauf

Nachfolgende Tabelle im Bild 10 soll uns vermitteln, das international mehr als 25 Standorte von Großwärmepumpen bekannt sind, leider zeigt die Tabelle keine Standorte mit einer Senkentemperatur < 60°C, die nach meinem Verständnis für unsere geologischen Anforderungen nötig wären:

Bild 10: Verfügbare Großwärmepumpen

Die Effizienz und der Entwicklungsbedarf werden in folgender Folie dargestellt:

Bild 11 Effizienz von Großwärmepumpen

Bild: 12 Wirtschaftlichkeit von Großwärmepumpen

Bemerkenswert ist im Bild 12 die Bewertung der Energiekosten, mit Stand Mai 2022 betrug das Verhältnis Strom zu Gas in Deutschland stolze 3,8! Wie sich das Verhältnis heute und morgen darstellt, wäre interessant!

Die Autoren Referent Frank Kabus und Rafael Mathes fassen Ihre Ergebnisse im Bild 13 zusammen:

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Bild 13: Zusammenfassung und Arbeiten am Fraunhofer IEG

Fazit:

Wie der NDR am 24.01.2023 berichtet, gibt es große Hürden für den Einsatz der Geothermie:

  • Am Anfang koste es ziemlich viel Geld – doch danach sei angeblich alles sehr wartungsarm.
  • Als Kommune muss man nur willig [und risikobereit] sein, dann kriegt man eine Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium.
  • Die Kommunen müssen sich grundsätzlich erstmal fragen, wie viel Wärme sie überhaupt brauchen, wie sich dieser Wärmebedarf verteilt und wo gute Anschlusspunkte an dieses Wärmenetz sein könnten.
  • Der Erkundungsprozess und die erste Bohrung dauere etwa zweieinhalb Jahre. „Mit der ersten Bohrung kann man schon warmes Wasser fördern, dann ist eine zweite Bohrung nötig, um den Thermalkreislauf zu testen“, sagt Moeck – und dann wisse man genau, mit was für einer Wärmeleistung man rechnen kann.
  • Was hat das Projekt in Schwerin gekostet?
    Gekostet hat es bisher 20,5 Millionen Euro – und man gehen davon aus, dass das Budget einhalten werden kann!
    Das Projekt soll sich auf jeden Fall rechnen, man setzt auf die Teuerung der fossilen Energien an den an den Großhandelsmärkten.

Nachtrag:

Leider behandelt man in den Vorträgen zur Tiefengeothermie nicht die Frage nach der Bereitstellung der zusätzlichen Elektroenergie, die zum Betrieb der Großwärmepumpen und Wärmenetze erforderlich ist.

Nach der Abschaltung und dem Rückbau der deutschen Kernkraft- und Kohlekraftwerke liefern bei Dunkelflaute die Windkraft- und Photovoltaikanlagen leider keine Elektroenergie.

Wenn Träume sterben, dann bleibt es kalt.

Über den Autor

Der Autor ist Dipl. Ing der Elektrotechnik und seit 2017 in Lokalpolitik tätig

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