Ein Bild für die Götter: Ziemlich laut waren Martin Schulz und seine Spaßgesellen von der SPD draußen vor dem Reichstag zu demonstrierenden Siemens-Mitarbeitern. Sie tun das, was sie am liebsten tun, wenn sie draußen im Freien stehen: Auf den Kapitalismus schimpfen. Und auf die Millionäre.
Da schimpft EU-Millionär Schulz auf die Millionäre, die so verantwortungslos handeln. Schulz hat mit Sicherheit nicht seine Genossin Christine Hohmann-Dennhardt angesprochen, die sich nach 13 Monaten Arbeit als Vorstand für »Integrität und Recht« bei VW mit 12 bis 15 Millionen € und rund 8.000 € pro Monat Rente verabschiedet hat.
Drinnen im Bundestag hat er in einer aktuellen Stunde von „verantwortungslosen Managern“ gesprochen und dabei den Siemens-Chef im Blick gehabt. Außerhalb des Bundestages prollt er vor demonstrierenden Siemens Mitarbeitern: „Ich kann euch Hoffnung machen darauf, dass wir uns das nicht gefallen lassen.“ Wir dürfen ihm untertänigst empfehlen, einmal bei Gerd Schröder nachzufragen, wie seinerzeit dessen „gerettet“ – Rufe vor der Frankfurter Holzmann Konzernzentrale geendet haben.

Schulz: „Dass ein multinationaler Konzern, dass der Management Fehlentscheidungen so organisiert, dass die Belegschaft bluten muss, das ist das übliche Verhalten von verantwortungslosen Managern.“

Das nennt man Chuzpe: Im Bundestag die Voraussetzungen schaffen, dass Zehntausende von Beschäftigten arbeitslos werden, Millionen Euro in die Taschen von Energiewende-Profiteuren fließen und die Infrastruktur eines Industrielandes zerstört wird. Und außen auf die bösen Konzerne schimpfen. Ausgestattet mit dem sanften Gemüt einer Heidschnucke, die den heißen Atem der Wolfsrudel hinter sich spürt, hören die Siemens Mitarbeiter ausgerechnet denjenigen zu, die den Ausstieg aus der Kraftwerkstechnologie mit beschlossen haben und direkt verantwortlich dafür sind, dass sie jetzt auf der Straße stehen werden.Schulz und seine Genossen im Glashaus betonen, Siemens konnte immer auf die Belegschaft bauen, bekam Fördermittel und zerschlage jetzt Vertrauen.

Pressemitteilung Tillich


Das war für Siemens Chef Joe Kaeser wohl ein wenig starker Tobak. Er antwortet dem SPD-Chef in einem Brief und erinnert ihn an dessen eigene Verantwortung: „Vielleicht sollten sie sich dabei auch überlegen, wer wirklich verantwortungslos handelt: diejenigen, die absehbare Strukturprobleme pro aktiv angehen und nach langfristigen Lösungen suchen, oder diejenigen, die sich der Verantwortung und dem Dialog entziehen.“

Kaeser an Schulz: »Diese Frage hat ja auch bei der politischen Führung unseres Landes brennende Aktualität.“

Kaeser wies außerdem die Kritik von Schulz zurück, Siemens habe aufgrund seiner öffentlichen Aufträge jahrzehntelang vom deutschen Staat profitiert. Kaeser: Siemens habe alleine in den vergangenen fünf Jahren mehr als 20 Milliarden an Steuern und Abgaben (Sozialversicherungsbeiträgen) an den deutschen Staat überwiesen.
In Deutschland gebe es aufgrund der Energiewende kaum mehr Nachfrage für Gas und Kohlekraftwerke. Dann der wohl unvermeidliche Kotau, die Energiewende sei in der Sache richtig, „in Ausführung und Timing“ jedoch höchst unglücklich.

Grüne Siemenswerbung (Globus & Unterbau) auf dem teuersten Platz Kopenhagens COP 15 2009, Bild M. Limburg


Außerhalb des Landes hört sich das schon anders an. Da macht Kaeser Witze über die deutsche Energiewende. Wer je die Energiepolitik eines Landes bestimmen müsse, müsse einfach das Gegenteil von dem machen, was in Deutschland gemacht werde, sagte er einst auf einer Energiekonferenz. Vor den dort versammelten Experten wollte er wohl nicht vollkommen blöde dastehen und seinen als auch den Ruf von Deutschlands Industrie nicht vollends ruinieren. Die Förderung von Photovoltaik in Deutschland finde er so sinnvoll wie den Anbau von Ananas in Alaska, sagte er mit Blick auf Strauß.Die demonstrierenden Siemens Mitarbeiter – wohl die meisten Gewerkschaftsmitglieder – hätten SPD-Chef und Gewerkschaftsmitglied Schulz durchaus einmal fragen dürfen, was denn seine Genossin Barbara mit dazu beigetragen hat, dass sie jetzt hier auf der Straße stehen. Und dabei dürfte es durchaus etwas lauter werden. Denn die hat schon vor Jahren kräftig im Hintergrund mit daran gedreht, dass dem Kraftwerksgeschäft der Saft abgedreht wird, bzw. noch effektiver, deren Finanzierung. Die staatliche KfW-Bank sollte sich aus der Mitfinanzierung aller Anlagen zurückziehen, die irgendetwas mit Kohletechnologie zu tun haben, also nicht nur die Kraftwerke, sondern auch Maschinen für den Kohlebergbau und dem Transport von Kohle.
Die Anlagenbauer hatten dagegen protestiert, weil ohne eine solche Finanzierungshilfe kaum Kraftwerksprojekte realisierbar sind. Sie retteten sich seinerzeit mit dem mageren Argument, es sei für das Klima besser, wenn moderne Anlagen aus Deutschland weniger CO2 ausstoßen als die schlechteren Anlagen der Konkurrenz.
SPD-Umweltministerin Hendricks hat aus ihrem Etat die Finanzierung von ähnlichen Großprojekten bereits vollständig gestrichen.
Über allem schwebt ein konkretes Lieferverbot. Bisher darf aufgrund der Wirtschaftssanktionen nur nach Russland keine Turbine geliefert werden. Lediglich im vergangenen Jahr verirrten sich zwei Siemens Großturbinen auf die Krim und sorgten für eine kleine Krise. Nicht gerade ermunternde Vorzeichen selbst für einen großen Konzern, sich ins lange und teure Turbinen-Verkaufsgeschäft zu stürzen.
Die demonstrierenden Siemensianer hätten mal dem Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Klimafolgenforschungsinstitut stärker auf die Finger klopfen können. „Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um.“ Sagt der tatsächlich, hat aber nicht den Mut, den auf der Straße stehenden Kumpels und Siemens Mitarbeitern zu-zurufen: „Ja, ihr habt Pech! Habt euch nicht so, jahrzehntelang auf Kosten der Dritten Welt gelebt und deren CO2 Anteil an der Weltgemeinschaft verpulvert! Stellt euch nicht so an, Opfer für den Sieg müssen gebracht werden.“ Sehr deutlich redet er der Enteignung das Wort: „Dass die Besitzer von Kohle und Öl davon nicht begeistert sind, liegt auf der Hand. Man muss sich von der Illusion freimachen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist. Das hat mit Umweltpolitik, mit Problemen wie Waldsterben oder Ozonloch, fast nichts mehr zu tun.“Diese markigen und durchaus programmatischen Worte hat er schon vor sieben Jahren vor Beginn einer anderen ominösen Klimakonferenz ausgerufen, der in Cancun. Und die war 2010.
Die Siemens Mitarbeiter sollten wissen: Schon immer ging es Klimakriegsgewinnlern darum, grünen Technologien uneinholbare Vorteile gegenüber den rentablen wie Kohle oder Kernkraftwerken zu verschaffen. Der Zusammenbruch einer ganzen Industriesparte jetzt ist ein sichtbarer Ausdruck, ein sichtbares Ergebnis dieser ideologischen Kriegserklärung.
Vorzuwerfen ist Siemens, dass sie wider besseres Wissen kritiklos mitgemacht haben. Schon der Vorgänger von Kaeser, Peter Löscher, begann damit, dem Konzern einen grünen Anstrich zu verpassen. In höchsten Tönen lobten alle die Notwendigkeit der Energiewende und konnten sie nicht schnell genug herbeisehnen.
Gerade erst diente sich die Berliner Siemens Abteilung »Lobby und Co.« einer künftigen Bundesregierung an. »Ein beschleunigter Aus-stieg aus der Kohleverstromung muss die klimapolitische Priorität der nächsten Bundesregierung werden«, heißt es in einem zweiseitigen Arbeitspapier, das die Berliner Lobbyabteilung des Konzerns an Vertreter von Grünen, CDU und FDP geschickt hat. »Die vorzeitige Stilllegung der CO2-intensivsten Kraftwerke sollte geprüft werden.«
Auf europäischer Ebene solle sich die neue Bundesregierung zudem für einen CO2-Mindestpreis und ein Ende der Subventionen und Kapa-zitätszahlungen für CO2-intensive Kraftwerke einsetzen, heißt es in dem Papier weiter.Das hätte der Martin und seine Siemens Gewerkschaftsgenossen auch mal ansprechen können, wie konventionelle Kraftwerke ausgetrocknet werden sollen. Verblüffend zu sehen, wie einer der größten deutschen Konzerne die Grünen auf der grünen Seite überholen wollen. Zumindest hier in Deutschland. Die Konzernstrategen dachten wohl, dann würde man mehr Gaskraftwerke und damit mehr Turbinen benötigen. Ein Irrtum, den die Mitarbeiter teuer bezahlen.
Siemens‘ Konkurrent General Electric hat es wohl besser. Auch der Konzern wurde heftig von der Anti-Kohlewut der Grünen um die alte Obama Regierung getroffen, kann aber sicherlich jetzt wieder nach vorne blicken. Präsident Trump will die wichtige Energieversorgung wieder vom Kopf auf die Füße stellen und lässt neben Öl und Gas auch Kohle ausbauen. Dann fällt vermutlich wieder die eine oder andere Turbine als Großauftrag ab.
Ganz zu schweigen von Indien und China. Dort gehen wöchentlich zwei große Kraftwerke ans Netz. Der gewaltige Energiehunger von mehr als 1 Milliarde Menschen lässt sich nicht mit ein paar Sonnenzellen und Windrädern decken.
Der Beitrag erschien zuerst bei Tichys Einblick hier
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