Niemand produziert so viele Solarzellen wie die Chinesen, allerdings fast nur für den Export. Ihr Anteil am Weltmarkt wird auf 80 Prozent geschätzt. Für die eigene Stromversorgung setzt China voll auf Kernenergie. 42 neue Atomreaktoren befinden sich dort zurzeit in Planung, 24 davon standen Ende letzten Jahres im Bau. Ähnlich sieht es in Russland (25 geplant, 8 im Bau), Indien (20 geplant, 6 im Bau) oder Südkorea (6 geplant, 4 im Bau) aus. In den USA werden zurzeit 5 neue Atomreaktoren aus dem Boden gestampft.

Die Liste der Länder, die trotz Fukushima weiter Kernkraftwerke bauen, ist lang und vielfältig. Sie reicht von Argentinien und Brasilien über Frankreich und Grossbritannien bis Pakistan und Tschechien. Vor allem aufstrebende Schwellenländer, aber auch die Ölscheichs im Mittleren Osten setzen auf Atomstrom.

Zwar gibt es eine Reihe von Ländern, die gar nie eingestiegen sind, etwa Australien oder Österreich. Andere, etwa Belgien und Spanien, lavieren seit Jahren an einem Ausstieg herum.

Mit der politisch motivierten Einmottung funktionstüchtiger Anlagen steht Deutschland allerdings ziemlich einsam da.

Ob die Schweiz in diesem Fahrwasser schwimmen will, wird sich am 27. November zeigen.

Die meisten Kernkraftwerke wurden in den achtziger Jahren gebaut. Nach 1995 flachte der Zuwachs markant ab. Da etliche Reaktoren der ersten und zweiten Generation durch grössere ersetzt wurden, nahm auch die nukleare Produktion stetig zu, sie deckt heute weltweit rund 12 Prozent des Strombedarfs. Dahinter stehen nicht nur wirtschaftliche und strategische (Versorgungssicherheit) Überlegungen, sondern auch ökologische.

Sollte eine weltweite Einigung zur Reduktion der CO2-Emissionen zustande kommen, ist die Kernenergie ­neben dem Wasser mit grossem Abstand die ­effizienteste und preisgünstigste Option.

Erfindungen lassen sich nicht wegdenken

Reaktoren der neusten Generation sind nach einem passiven Sicherheitskonzept ausgelegt, das eine Kernschmelze praktisch ausschliesst. Doch die Entwicklung steht erst an ihrem Anfang. Da die theoretischen Grundlagen gut erforscht sind, lässt sich das Potenzial ziemlich zuverlässig abschätzen. Es ist gewaltig. Die ­Palette reicht vom kleinen, inhärent sicheren Kugelhaufenreaktor, der auch in Ballungsgebieten oder etwa in der Schifffahrt eingesetzt werden könnte, bis hin zur Brütertechnologie. Diese – in der Fachwelt spricht man von Reaktoren der vierten Generation – würde das Entsorgungsproblem massiv entschärfen.

Und das ist keineswegs Zukunftsmusik. Im französischen Kernkraftwerk Creys-Malville wurde die Technologie bereits erprobt. Vor wenigen Monaten ging im russischen Belojarsk der schnelle Brüter BN-800 ans Netz, der nicht nur lang strahlende Abfälle in Strom verwandeln kann, sondern auch ausgemusterte Atomwaffen. Ähnliche Vorteile bietet der Ersatz des Brennstoffs Uran durch Thorium.

Der Nachteil: Mit dem Brüter kann im Prinzip auch waffenfähiges Plutonium hergestellt werden. Es ist kaum ein Zufall, dass die Atommacht Russland diese Technologie am intensivsten vorantreibt. Allerdings baute auch das friedliebende Deutschland während der achtziger Jahre in Kalkar einen schnellen Brüter. Dieser wurde 1991 aus politischen Gründen wieder eingemottet, bevor er richtig lief.

Doch das Rad der Geschichte liess sich damit nicht zurückdrehen. Schon 1961 legte Friedrich Dürrenmatt im Stück «Die Physiker» plastisch dar, warum eine Erfindung, die einmal gemacht worden ist, nicht mehr aus der Welt ­gedacht werden kann.

Wenn die Deutschen nicht mehr im Atombereich weiterforschen, dann tun es halt die Chinesen –
und verkaufen ihnen dafür Windräder und Sonnenfänger.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in WELTWOCHE Zürich:

Atomausstieg: Deutschlands Alleingang | Die Weltwoche, Ausgabe 44/2016 | Donnerstag, 3. November 2016

http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und dem Autor Alex Baur für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.

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