Im 1. Teil dieser Reihe wurde die Stichhaltigkeit der Schlussfolgerungen hinsichtlich der Zeitspanne von 11300 Jahren beleuchtet. In diesem Segment (2. Teil) werden Schlussfolgerungen in der Studie von Marcott et al. analysiert, in der sie den Standpunkt verfechten, dass „die globalen Temperaturen wärmer als zu irgendeiner Zeit während der letzten 4000 Jahre sind“ und „Die globale Temperatur … ist vom nahezu kältesten auf das wärmste Niveau des Holozäns innerhalb des vergangenen Jahrhunderts gestiegen. Eine Wärmespitze wie diese hat es noch nie zuvor gegeben, zumindest nicht während der letzten 11300 Jahre“.
Wie im 1. Teil werden auch hier die Schlussfolgerungen von Marcott et al. analysiert mittels der wissenschaftlichen Methode von Feynman, der zufolge Schlussfolgerungen mit weithin anerkannten Daten aus anderen Quellen verglichen werden. Wie Feynman erklärt: Wenn eine Hypothese (Schlussfolgerung) nicht mit Beobachtungen und Daten übereinstimmt, ist sie falsch. Dabei macht es keinen Unterschied, wie schön die Hypothese (Schlussfolgerung) ist, wie smart der Autor ist, oder wie er heißt – falls sie mit Daten oder Beobachtungen nicht übereinstimmt, ist sie falsch.
Also wollen wir einmal die Schlussfolgerungen von Marcott et al. mit vielen der besten Datensätze vergleichen.
Hierzu verwenden wir (1) die Sauerstoff-Isotopen-Daten von Stuiver und Grottes aus dem GISP2 (1997), (2) die Paläotemperatur-Daten aus GISP2 von Cuffy und Clow (1997) sowie Alley (2000) und (3) Temperatur-Rekonstruktionen aus chinesischen Baumringen. Unter den vielen Datensätzen, die man verwenden könnte wurden die GISP2-Daten aus dem Eisbohrkern gewählt, weil (1) die Eisdaten auf tausenden Isotopen-Messungen basieren, die quantitativ die Paläo-Temperaturen reflektieren, (2) weil die Chronologie bis auf 1 bis 3 Jahre genau ist, (3) weil selbst kleine Fluktuationen der Paläo-Temperaturen klar und eindeutig mit globalen Gletschervorstößen und –rückzügen korrelieren, was bestätigt, dass die Daten aus dem Eisbohrkern die globalen Temperaturen nachzeichnen und (4) weil die in Grönland gemessenen Temperaturen während des vorigen Jahrhunderts fast exakt zu den globalen Temperaturtrends passen. Folglich lassen die GISP2-Eisbohrkern-Daten einen exzellenten Check der Schlussfolgerungen über das globale Klima zu – und zwar quantitativ, chronologisch genau und repräsentativ für das globale Klima. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die Amplitude von Temperaturfluktuationen allgemein mit der Breite zunimmt, d. h. je höher die Breite, umso größer die Fluktuationen. Die Temperaturvariationen in Grönland werden also wahrscheinlich größer sein als im globalen Mittel. Es bedeutet auch, dass wir besser Details der Temperaturänderungen in den Daten aus Grönland als im globalen Mittel erkennen können.
Abbildung 1 zeigt einen Vergleich der Temperaturkurve von Marcott et al. der letzten 4000 Jahre (1A), die Temperaturkurve aus GISP2 von Alley (2000), basierend auf den Daten von Cuffy und Clow (1997)(1B), den GISP2 aus Grönland mit Δ18O (das Verhältnis von O18 zu O16 relativ zu einem Standard) aus Isotopendaten gemessen von Stuiver und Grootes (1997)(1C) und eine Temperatur-Rekonstruktion basierend auf chinesischen Baumringen (1D) (hier gezeigt als ein Beispiel für die gute Korrelation der GISP2-Daten mit weit von Grönland entfernten Orten).
Viele Dinge in den Grönland-Daten sind des Erwähnens wert. Es gibt zwei Arten von Temperaturdaten: (1) Abbildung 1B, die die Temperaturen aus Bohrloch-Messungen zeigt, und (2) Abbildung 1C, die die Variationen im Verhältnis der Sauerstoffisotope zueinander zeigt. Die Bedeutung hiervon liegt darin, dass Temperaturvariationen in beiden Kurven im Grundsatz gleich sind und sich gegenseitig bestätigen. Die Kleine Eiszeit, die Mittelalterliche Warmzeit, die Kaltzeit der Dark Ages, die römische Warmzeit sowie andere Temperaturspitzen kommen in beiden Arten von Kurve gleich gut zum Ausdruck.
Abbildung 1: Vergleich der Temperaturkurve von Marcott et al. (A), die GISP2-Temperaturkurve aus Grönland von Alley (2000) basierend auf den Daten von Cuffy und Clow (1997)(B), Das Verhältnis von Sauerstoffisotopen (delta 18O) aus Eiskerndaten gemessen von Stuiver und Grootes (1997)(C) sowie Temperatur-Rekonstruktionen aus chinesischen Baumringdaten (D) (Liu et al. 2011).
Die Kurve von Marcott et al. zeigt eine fast vertikale Linie der jüngsten Erwärmung, von der sie behaupten, dass sie die Temperatur höher als zu jeder anderen zeit während der letzten 4000 Jahre legt. Dieser fast vertikale Teil ihrer Kurve stammt offensichtlich nicht aus ihren Proxy-Daten, sondern anderswo her und spielt eine zentrale Rolle in ihrer Behauptung, dass die gegenwärtigen Temperaturen und die Erwärmungsrate ‚während der letzten 4000 Jahre ohne Beispiel’ sind. Wir wollen beide Behauptungen mit den Eisbohrkern- und globalen Gletscherdaten vergleichen.
Sowohl die GISP2-Temperaturkurve (Abbildung 1B) als auch der Verlauf der Sauerstoff-Isotope (Abbildung 1C) zeigt klar: Außer während der Kleinen Eiszeit und der Kaltzeit der Dark Ages lagen die Temperaturen der letzten 4000 Jahre durchweg höher als zum Ende des Eisbohrkerns (im Jahr 1950). Die Mittelalterliche Warmzeit zeigt sich um 1,1°C wärmer als die Spitze des Bohrkerns (1950) und als mindestens vier weitere Warmperioden mit gleicher Amplitude, die es während der letzten 4000 Jahre gegeben hat; in vier anderen Perioden war es etwa 1,3°C wärmer; zwei andere Warmzeiten waren 1,8 bis 2,0°C wärmer ausgefallen, und während einer Warmzeit war es um 2,8°C wärmer. In mindestens einem Dutzend Zeitperioden war es mehr als 1°C wärmer als 1950, was ganz klar den Schlussfolgerungen von Marcott et al. widerspricht.
Abbildung 2: Wärmere Temperaturspitzen als 1950 während der letzten 4000 Jahre.
GISP2 endet im Jahr 1950, so dass wir auf Temperaturen in jüngerer Zeit aus Grönland schauen müssen, um zur ‚gegenwärtigen Temperatur’ zu kommen, d. h. ist die Temperatur in Grönland seit 1950 gestiegen? Abbildung 2 zeigt die Temperaturen in Grönland von 1880 bis 2004 (Chylek et al. 2004, 2006). Die Temperaturen lagen im Jahr 2004 etwas unter denen aus dem Jahr 1950, so dass sich folglich die Temperaturen am Ende des grönländischen Eiskerns nicht wesentlich von denen ‚der Gegenwart’ unterscheiden.
Abbildung 3: Temperaturen in Grönland von 1880 bis 2004 (Chylek et al. 2004, 2006).
Die Schlussfolgerung von Marcott et al., dass die „globalen Temperaturen derzeit höher liegen als zu irgendeiner Zeit seit mindestens 4000 Jahren“ steht in klarem Widerspruch zu den gemessenen Daten und scheitert folglich am Feynman-Test, d. h. sie ist falsch.
Marcott et al. behaupten, dass „die globale Temperatur … vom nahezu kältesten auf das wärmste Niveau des Holozäns innerhalb des vergangenen Jahrhunderts gestiegen ist. Eine Wärmespitze wie diese hat es noch nie zuvor gegeben, zumindest nicht während der letzten 11300 Jahre. Falls es in dieser Zeit irgendwann Temperaturen ähnlich wie heute gegeben hätte, hätten wir das mit Sicherheit in unseren Aufzeichnungen gefunden“. Wir wollen diese Schlussfolgerung anhand realer Daten testen. Schon ihre Behauptung, dass „die globale Temperatur … vom nahezu kältesten auf das wärmste Niveau des Holozäns innerhalb des vergangenen Jahrhunderts gestiegen ist“, ist falsch. Die kälteste Periode der Kleinen Eiszeit ereignete sich vor etwa 400 Jahren während des Maunder-Minimums, so dass allein dadurch diese Behauptung schon widerlegt ist. Sie scheinen sich der zyklischen Natur von Temperaturänderungen überhaupt nicht bewusst zu sein und nutzen den Tiefpunkt der Kaltzeit von 1880 bis 1915 als Startpunkt zur Berechnung der Erwärmungsrate während des ‚vergangenen Jahrhunderts’, anstatt dafür den Zeitraum 1913 bis 2003 in Betracht zu ziehen. Der Vergleich zwischen dem Kälte-Tiefpunkt während einer Kaltzeit und der Wärmespitze in einer Warmzeit ist wie der Vergleich zwischen Äpfeln und Orangen. Er verzerrt die wirkliche Rate, die man durch Vergleiche von Tiefpunkt zu Tiefpunkt oder von Wärmespitze zu Wärmespitze bestimmen sollte. Der Kaltzeit von 1880 bis 1915 folgte die Warmzeit von 1915 bis 1945. Dann kam die Kaltzeit von 1945 bis 1977, gefolgt von der Warmzeit von 1978 bis 1998 (Abbildung 4). Die Erwärmungsrate von 1913 bis 2013 beträgt etwa 0,7°C pro Jahrhundert (welches ungefähr der gleiche Wert ist wie die Erwärmungsrate der letzten 400 Jahre, als wir aus der Kleinen Eiszeit kamen, lange bevor das atmosphärische CO2 signifikant zuzunehmen begann).
Abbildung 4: Globale Temperatur im vergangenen Jahrhundert.
Nun wollen wir diese Rate (0,7°C pro Jahrhundert) mit Raten der Temperaturzunahme der letzten 11300 Jahre vergleichen. Abbildung 5 zeigt Raten der Temperaturänderung aus dem GSP2-Eisbohrkern aus Grönland seit dem Ende der letzten Eiszeit während des Holozäns (Abbildung 5A). Abbildung 5B zeigt einige der höheren Raten der Temperaturänderung aus Abbildung 5A. Die höchsten Raten gab es beim Übergang von der Eiszeit zum Holozän, betrugen doch die Erwärmungsraten damals in Grönland 20 bis 24°F [10 bis 12 K] pro Jahrhundert, und riesige kontinentale Eisschilde, die weite Gebiete in Nordeuropa und Eurasien überdeckten, schmolzen dramatisch. Wie in Abbildung 5B gezeigt, nimmt sich die Rate des vergangenen Jahrhunderts (0,7°C) wirklich mickrig aus im Vergleich zu den Raten während jenes Übergangs.
Abbildung 5: A: Temperaturänderungen im GISP2-Eisbohrkern vom Ende der letzten Eiszeit während des Holozäns. (Easterbrook 2011, modifiziert aus Cuffy und Clow 1997). B: Raten von Temperaturänderungen (Easterbrook 2011).
Die Raten von Erwärmung und Abkühlung waren nicht so ausgeprägt wie jene am Ende der letzten Eiszeit, waren aber nichtsdestotrotz größer oder gleich gegenwärtigen Erwärmungsraten. Marcott et al. behaupten, „wenn es irgendeine Zeitspanne mit einer Temperaturänderung ähnlich der heutigen gegeben hätte, hätten wir das mit Sicherheit aus unseren Aufzeichnungen ablesen können“. Wie Abbildung 5A zeigt, haben wir tatsächlich eine Aufzeichnung von Erwärmungsraten, die weit über die des vergangenen Jahrhunderts hinausgehen.
Die Schlussfolgerung von Marcott et al., dass die „globale Temperatur … vom nahezu kältesten auf das wärmste Niveau des Holozäns innerhalb des vergangenen Jahrhunderts gestiegen ist. Eine Wärmespitze wie diese hat es noch nie zuvor gegeben, zumindest nicht während der letzten 11300 Jahre“ klar im Widerspruch zu gemessenen wirklichen Daten steht und daher den Feynman-Test nicht besteht, d. h. ihre Schlussfolgerung ist falsch.
Es gibt noch weitere Behauptungen in der Studie von Marcott et al.: Während der nächsten Jahrzehnte werden wir wahrscheinlich Niveaus erreichen, die es auf dem Planeten seit vor der letzten Eiszeit nicht gegeben hat“. „Temperatur-Rekonstruktionen der letzten 1500 Jahre zeigen, dass die jüngste Erwärmung in dieser zeit beispiellos ist“. „Unsere globale Temperatur-Rekonstruktion der letzten 1500 Jahre ist nicht unterscheidbar innerhalb der Unsicherheit von der Rekonstruktion nach Mann et al.“ Diese Behauptungen werden wir in Teil III analysieren.
Link: http://wattsupwiththat.com/2013/03/13/validity-of-marcott-et-al-part-ii/
Übersetzt von Chris Frey EIKE
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Am eindrucksvollsten sind für mich die von Prof. Patzelt vorgetragenen Baumfunde, die von den Alpengletschern freigegeben wurden. Dazu muss man wissen, dass eine Verschiebung der Baumgrenze von 500 Höhenmetern einer Temperaturdifferenz von über 3 Grad entspricht. Bei der aktuellen Klimaveränderung (20. Jahrhundert) sprechen wir aber nur von Zehntelgraden. Demnach dürfte es früher deutlich wärmer gewesen sein als heutzutage.
Hallo Herr Epp
auf Techtix fand ich auch einen Artikel den ich in einem anderen Forum gut anbringen konnte. Ich kopiere hier einfach mal meinen Text rein.
Etwas weiter oben hab ich mich über die angebliche Ausbreitung der afrikanischen Wüsten aus dem Munde eines etablierten Klimaexperten echauffiert und als Gegenbeweis die Sahelzone angeführt. Nach einigen Recherchen mußte ich allerdings feststellen, daß diese Aussage viel zu eng gefaßt ist. Der gesamte Gürtel zwischen dem 4ten und 20sten Breitengrad quer durch ganz Afrika ergrünt seit nunmehr 30 Jahren. Vermutlich sind deshalb auch die Chinesen seit annähernd 10 Jahren so scharf darauf, landwirtschaftliche Nutzflächen im großindustriellen Stil dort einzusammeln.
In diesem Zusammenhang fand ich auch noch eine Arbeit der Klimaforscher aus der Frankfurter Goethe-Universität http://www.techtix.de/klimamodell-afrika-bald-komplett-bewaldet-794
“Klimamodell: Afrika bald komplett bewaldet?”
Hier wurde der Klimawandel nicht auf seine atmosphäriche Wirkung sondern auf die ökologischen Folgen untersucht.
Ich möchte hier nur die abschließende Bemerkung zitieren:
“Klimaforschern fehlt häufig der Sinn für das Ganze
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Allerdings machen gerade Klimaforscher immer wieder denselben kapitalen Fehler und vernachlässigen Parameter des gesamten Ökosystems. Was gerade Klimaforschern häufig fehlt, ist der Blick für das Ganze, sprich ein interdisziplinärer Forschungsansatz. Statt dessen werden Computer mit mathematischen Daten gefüttert, die aber viele Merkmale von Ökosystemen nicht erfassen. Insofern ist das erstellte Klimamodell aus wissenschaftlicher Sicht nur ein Trendmarker und dient allenfalls der Untermauerung einer These beziehungsweise Hypothese.”
Wollen wir mal im Interesse der afrikanischen Völker hoffen, daß der Klimawandel in Richtung Erwärmung kein zu frühes Ende hat. Herr Lativ hat diesbezüglich -entgegen seinen Versprechungen von vor 10 Jahren (mediteranes Klima in Deutschland)- unsere Hoffnungen schon etwas zurückgeschraubt, und uns die nächsten 10-20 Jahre etwas mehr kühle angedroht.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Estermeier
Es wurde doch vor kurzem berichtet das es vor 2000 Jahren noch wärmer war als bisher angenommen-und Römer trugen doch immer Sandalen und niemals Stiefel…
Mittels der Bäume, die in Lappland gefunden wurden, konnte die Klimageschichte Nordeuropas nun noch einmal konkretisiert werden. Die Forscher konnten belegen, dass die Temperaturen in der Römerzeit und im Mittelalter bislang als zu kalt eingeschätzt wurden und somit nach oben korrigiert werden müssen. Eine Abkühlung der Atmosphäre sei dadurch zustande gekommen, dass sich die Distanz von Sonne und Erde ebenso verändert hat, wie der Sonnenstand. So sei es zu einer Abkühlung um durchschnittlich 0,3 Grad Celsius pro tausend Jahre gekommen.
http://www.techtix.de/dendrochronologie-klima-mittelalter-antike-901
9. Juli 2012
Römerzeit und Mittelalter waren wärmer als bisher angenommen:
http://www.uni-giessen.de/cms/ueber-uns/pressestelle/pm/pm156-12