Was ist eine Luftmasse?

„Offizielle“ Definitionen: Wetterlexikon bei Wetter.de: Über einem größeren Bereich lagernde oder zirkulierende Luftmenge mit einheitlichen Eigenschaften

Synoptische Meteorologie.de: Luftmassen sind riesige Luftkörper ähnlicher Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Schichtung. Ihre horizontale Ausdehnung erreicht nicht selten mehrere Tausend Kilometer. Diese auch vertikal hochreichenden Luftkörper bilden sich meist in antizyklonalen und damit windschwachen Regionen. In diesen sogenannten Quellgebieten verbleiben sie tagelang quasistationär, sodass sie die thermischen und humiden Eigenschaften des Quellgebietes annehmen können. Erst im Zusammenhang mit Winden verlagern sich Luftmassen in andere Regionen und prägen dort das Wetter. Im Extremfall kommt es zu Hitze- und Kältewellen. Im Übergangsbereich zu anderen Luftmassen, an den sogenannten Luftmassengrenzen, entwickeln sich häufig markante Wettererscheinungen wie Starkregen, Gewitter oder Sturm.

Kurze Historie der Klassifikation

Die erste sinnvolle Klassifikation von Luftmassen führte der damalige Leiter des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin Prof. Dr. Richard Scherhag während der 1950er Jahre durch. Er unterschied zunächst vier Hauptluftmassen:

  • Arktische Luftmassen (A)

  • Polare Luftmassen (P)

  • Tropische Luftmassen (T)

  • Äquatoriale Luftmasse (E)

Hinzugefügt wurden dann noch die vorangestellten Indizes „m“ für maritime und „c“ für kontinentale Luftmassen.

Es zeigte sich aber mit der Zeit, dass diese Einteilung zu grob und zur Beschreibung für die Witterung in Mitteleuropa unzureichend war. So wurde eine auf das Festland strömende Meeresluft nicht nach einer bestimmten Zeit zu Festlandsluft ohne jeden Übergang. Zum Anderen wurde eine Luftmasse, die direkt aus der Arktis über das Nordmeer und die Nordsee hinweg nach Mitteleuropa strömte, genauso als „Meeresluft polaren Ursprungs“ bezeichnet wie eine Kaltluftmasse, die erst über dem Atlantik nach Süden strömt, etwa bis zu den Azoren, und dann von dort ihren Weg nach Mitteleuropa findet. Beides sind labil geschichtete, das heißt höhenkalte Luftmassen, die zu Schauern und Gewittern neigen. Der Temperaturverlauf ist jedoch gänzlich anders, vor allem im Winter. Zwar bringt die direkt aus Norden einströmende Meeresluft zumindest im Flachland auch kein richtiges Winterwetter, sondern eher der Jahreszeit entsprechende Temperaturwerte mit Naßschnee oder Schneeregen. Die von den Azoren einströmende Meeresluft – obgleich ebenfalls „polaren Ursprungs“ – bringt jedoch im Januar extrem mildes Wetter. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde dann noch ein kleiner Index beigefügt, so dass beispielsweise die letztgenannte Luftmasse zu „mPt“ wurde.

Außerdem wurde zwar zwischen arktischer und subarktischer (subpolarer) Luft unterschieden, nicht jedoch nach tropischer und subtropischer Luft. So strömen tatsächlich nur sehr selten echte tropische, sondern bei entsprechenden Wetterlagen subtropische Luftmassen nach Mitteleuropa. Scherhag unterschied zwischen „tropischer“ und „äquatorialer“ Luft, doch sind diese beiden Begriffe klimatologisch gesehen ein und dasselbe.

Aus diesem Grunde machte sich der Scherhag-Schüler und spätere Geschäftsführende Direktor des Instituts Prof. Dr. Manfred Geb daran, dieses Konzept grundlegend zu überarbeiten und zu erweitern. So führte er zusätzlich zu den Indizes „m“ und „c“ die Bezeichnung „x“ ein. Damit trug er dem Umstand Rechnung, dass eine auf das Festland strömende und dort zur Ruhe kommende Meeresluft nicht sozusagen „ruckartig“ zu Festlandsluft wird, sondern erst einmal den Charakter einer „gemischt maritim und kontinental geprägten“ Luftmasse annahm. Eine Kaltluftmasse, die sich vor dem Eintreffen in Mitteleuropa stark erwärmt hatte, erhielt nun den nachgestellten Index „s“ und umgekehrt eine ehemalige Warmluftmasse, die große kältere Gebiete vor ihrem Eintreffen in Mitteleuropa überströmt hatte, den nachgestellten Index „p“. Damit ergab sich nach Geb die folgende Einteilung:

Tabelle: Luftmassenbezeichnungen nach Manfred Geb. Diese Klassifikation lässt sich grundsätzlich auch weltweit anwenden; lediglich der geografische Ursprung ist dann anders zu bezeichnen.

Anwendung dieser Klassifikation für die Vorhersage der Temperatur

Als der Autor zu Beginn der 1980er Jahre, aber auch schon als Student, nach seiner Diplom-Prüfung die Arbeit im Wettervorhersage- und Wirtschaftswetterdienst am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin aufgenommen hatte, gab es natürlich noch nicht die zahlreichen numerischen Produkte von heute. Es gab zwar rudimentär bald erste numerisch gerechnete Vorhersagen, doch erwiesen sich diese für den praktischen Gebrauch als unzureichend. Erschwerend kam hinzu, dass das Institut mit seinem Wirtschaftswetterdienst nur für die Stadt Berlin (West) zuständig war, also für einen Punkt. Die Angabe einer Differenz bei der Vorhersage von Höchst- oder Tiefsttemperatur, wie sie in Flächenländern wie Bayern üblich und sinnvoll war, (und womit man Fehlvorhersagen ganz gut kaschieren konnte!) verbot sich also. Zwar gab und gibt es auch innerhalb des Stadtgebietes von Berlin mitunter beachtliche gleichzeitige Temperaturunterschiede wegen des WI-Effektes, doch war das Temperaturniveau abgesehen von diesen Einzelfällen etwa gleichmäßig.

So wurden nun am Institut Temperatur-Statistiken nach Luftmasse sowie nach Jahreszeit und Wetter erstellt über einen Zeitraum von 10 Jahren, nämlich von 1969 bis 1978. Es wurden vier „Wettertypen“ definiert von 1 (wolkenlos) bis 4 (trübe und regnerisch). Ggf. wurde noch eine fünfte Kategorie benutzt für anhaltenden Dauerniederschlag.

Nun ist das Auftreten verschiedener Luftmassen in Mitteleuropa räumlich und zeitlich sehr unterschiedlich verteilt. Im Winter und im Hochsommer dominieren bei den häufigen Westlagen vor allem die Luftmassen mP und mPs, im Frühling ist hingegen der Anteil kontinentaler und arktischer Luftmassen höher; im Herbst beherrschen mPs, alle Sp-Massen und/oder mS oft das Wettergeschehen. Die Luftmasse cA tritt im Sommer gar nicht, die Luftmasse cP nur sehr selten auf; Tropische Luftmassen (T) sind in allen Jahreszeiten extrem selten. Auch dazu haben Kämpfe et al. viele Beiträge geschrieben. Für die Erstellung einer Statistik ist nun aber ein möglichst häufiges Vorkommen von Datenpunkten erwünscht. Eine der am häufigsten in Mitteleuropa auftretenden Luftmassen ist die subpolare Meeresluft mP, und zwar zu allen Jahreszeiten. Als Beispiel für eine Luftmassen-Temperatur-Statistik sei hier der statistische Temperaturverlauf dieser Luftmasse unterschieden nach den vier Wettertypen gezeigt:

Abb. 1: Temperaturverlauf in Abhängigkeit von Jahreszeit und Wettertyp bei subpolarer Meeresluft mP. Der Verlauf gilt für den Punkt Berlin für 2 Meter Messhöhe über Grund, wo die Streuung durch verschiedenste Einflüsse wie den Wärmeinsel-Effekt hoch ist; eindeutiger und weniger abhängig von den Witterungstypen ist die Klassifikation für das 850-hPa-Niveau. Grafik: Autor

Bei dieser Klassifikation im 850-hPa-Niveau spielt ein anderer Parameter eine entscheidende Rolle. Die pseudoäquivalentpotentielle Temperatur oder abgekürzt pseudopotentielle Temperatur δps ist die Temperatur, die ein Wolkenluftpaket annähme, wenn es kondensierend unter ständigem Verlust an Flüssigwasser gehoben werden würde, bis der gesamte Wasserdampf kondensiert und ausgefallen wäre (vertikaler Temperaturgradient bei Kondensation 0,6°C pro 100 m) und es anschließend wieder trockenadiabatisch auf 1000 hPa absänke vertikaler Temperaturgradient 1°C pro 100 m). Damit ist die pseudopotentielle Temperatur ein Maß für den Energieinhalt einer Luftmasse. Sie beträgt nach GEB im Hochsommer für die Luftmasse mP, bezogen auf Mitteleuropa und das 850-hPa-Niveau, im Mittel 33°C; für die Luftmasse mS aber 50°C, während sich die Lufttemperatur, bezogen auf dieselbe Druckfläche und Jahreszeit, mit 5°C (mP) und 13°C (mS) weitaus weniger unterscheidet. Einfacher ausgedrückt: eine pseudopotentielle Temperatur (die man nicht messen, sondern nur aus „fühlbarer“ Temperatur und dem Feuchtegehalt rechnerisch ermitteln kann) von 50°C (mS) bedeutet eine Temperatur von 50°C bei einer Relativen Feuchtigkeit von 0 (Null) Prozent! Das werden wir hier nie erleben (nebenbei: Daran sieht man, welche Rolle Wasserdampf bzgl. der Lufttemperatur spielt).

Arktische und subpolare (subarktische) Luftmassen zeichnen sich tendenziell durch hohe Sichtweiten und ein tiefes Himmelsblau aus; tagsüber entstehen oft prächtige Haufenwolken bis hin zu kleinräumigen Schauern (Abb. 2a). Festlandsluft erkennt man besonders im Sommerhalbjahr an ihrer Wolkenarmut bei geringer relativer Luftfeuchte und hoher Temperaturamplitude zwischen Tag und Nacht. Subtropische Luftmassen sind gekennzeichnet durch Schwüle mit der Folge punktueller schwerer Gewitter (Abb. 2b) und die geringe nächtliche Abkühlung.

Abb. 2a und 2b: Gleicher Wolkentyp: Cumulonimbus capillatus, auf deutsch: Schauer/Gewitter. Abb. 2a(oben) zeigt eine solche Wolke in einer (sub-)arktischen Luftmasse – kleinräumig und überschaubar. Abb. 2b (unten) zeigt eine massive Unwetterwolke, wie sie für die Luftmasse xS typisch ist. Diese weht im Sommer von Südwesten nach Mitteleuropa, was erklärt, warum die von Kämpfe gefundene Häufung von Südwestlagen während der letzten Jahre auch recht häufig von schweren Unwettern in Deutschland begleitet war. Beide Fotos: Autor

Beispielhaft sei hier zur Verdeutlichung folgender Fall angenommen: Ein Vorstoß subpolarer Meeresluft (mP) bringt im Sommer Temperaturwerte unter dem Durchschnitt. Sollte diese Luftmasse aber über dem Festland zur Ruhe kommen, wird sie sich erwärmen und gleichzeitig Eigenschaften des Festlandes aufnehmen. Die resultierende Luftmasse wäre eine erwärmte, gemischt maritim und kontinental geprägte subpolare Luft (xPs). Im Winter bringt diese Luftmasse eher über dem Durchschnitt liegende Temperaturwerte. Kommt sie über dem Festland zur Ruhe, wird sie sich abkühlen und zu „subpolarer Luft“ (xP) werden. Was dabei auch noch zu beachten ist: Je höher die Meereskaltluft reicht (etwa im Bereich eines 500-hPa-Troges), umso länger dauert diese Umwandlung.

Nach eingehender Abschätzung von Luftmasse und Wettertyp lag hier also jetzt eine objektive Grundlage für die Temperaturvorhersage vor, bevor numerische Produkte diese Art der Vorhersage ersetzten. Dies zog sich jedoch bis in die 1990er Jahre hin.

Luftmassen in Mittleren Breiten

Ursprungsgebiete von Luftmassen sind naturgemäß die Breiten, in denen der Polar-Jet keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, also die Tropen/Subtropen und die Polargebiete. In den Polargebieten ist vor allem im Winter eine mehr oder wenige gleichmäßige Oberfläche vorhanden (ob der Schnee auf dem Festland oder auf Meereis liegt, spielt nun wirklich keine Rolle). In den Tropen jedoch gibt es markante Unterschiede zwischen tropischen Meeresgebieten und dem Festland. Die Passatwinde der Subtropen sorgen dafür, dass auch diese Luftmassen ausgetauscht werden. Bei bestimmten, zirkulationsarmen Wetterlagen, welche in den letzten Jahrzehnten häufiger wurden, gewinnt jedoch auch Zentral-Europa im weitesten Sinne als Entstehungsort von Luftmassen an Bedeutung. Wegen seiner geografischen Besonderheiten (Mitteleuropa ist strenggenommen nur eine extrem reich gegliederte Halbinsel zwischen Atlantik im Westen, Nord-und Ostsee im Norden und dem Mittelmeer im Süden) entstehen hier bevorzugt x-Massen; im Sommerhalbjahr meist die gemäßigte, europäische Warmluft xSp, seltener cSp, im Winter xP, xPs,, seltener cPs oder cP. Sprichwörtlich war am Institut in Berlin die „Bayerische Polarluft“, wenn nämlich im Winter nach dem Einströmen einer Meeresluftmasse von Westen her die Strömung im Bereich einer windschwachen Hochdruckzone auf Süd oder Südost drehte. Bodennah war dieser Vorgang mit einer markanten Abkühlung verbunden, während sich oberhalb der Reibungsschicht (ca. 1000 m) in dieser Hinsicht gar nichts tat.

In diesem Beitrag soll es aber hauptsächlich um den Wechsel von Luftmassen in mittleren Breiten, sprich in Mitteleuropa gehen. Der ständige Wechsel zwischen Luftmassen tropischen/subtropischen Ursprungs und solchen arktischen/subarktischen (subpolaren) Ursprungs ist bei uns ganzjährig die Regel und macht unser wechselhaftes Wetter aus. Ist eine Luftmasse am Rande des möglichen Spektrums (kalt bzw. warm) längere Zeit vorherrschend, wird es eine entsprechende Abweichung der Mitteltemperatur geben – wobei es hier noch egal ist, welchen Bezugszeitraum man zugrunde legt.

Dies gilt sowohl im kurzfristigen Maßstab als auch mittelfristig! Wenn Kämpfe et al. nachgewiesen haben, dass es über die letzten Jahre eine Häufung von Südwestlagen gegeben hatte, dann gab es naturgemäß auch eine Häufung des Zustromes milder/warmer Luftmassen. Denn auch zu kältesten Zeiten irgendeiner Eiszeit kann mit einer großräumigen Südwestströmung keine winterkalte Luft herangeströmt sein!

Luftmassenwechsel gibt es natürlich von Tag zu Tag (Wetter!). Aber auch im Abstand von einigen Wochen kann die Vorherrschaft einer bestimmten Luftmasse durch die Vorherrschaft einer anderen Luftmasse abgelöst werden (Witterung! Für diesen Begriff gibt es im Englischen keine Entsprechung!). Das hängt natürlich von den planetarischen Wellen der Westwindzone ab. Tröge sind allgemein mit Kalt-, Hochkeile mit Warmluftmassen angefüllt. Ob die Häufigkeitsverteilung warmer bzw. kalter Luftmassen durch irgendetwas moderiert wird, steht auf einem anderen Blatt und ist hier nicht das Thema.

Eigenschaften von Luftmassen in Mitteleuropa

Generell wird der Charakter von Luftmassen in Mitteleuropa von drei grundlegenden Faktoren bestimmt:

1) Das Ursprungsgebiet, aus welchem die jeweilige Luftmasse stammt,

2) den Weg, den sie bis zum Eintreffen in Mitteleuropa zurückgelegt hat, und

3) wie lange das gedauert hat.

Dazu kommen untergeordnete Fragen wie etwa: war/ist es in den Ursprungsgebieten gegenwärtig besonders warm/kalt? Sind die überströmten Land-/Meeresgebiete besonders warm/kalt? Eine Änderung der ozeanischen Wassertemperatur drückt einer diese Meeresgebiete überströmenden Luftmasse einen gewaltigen Stempel auf! Erleben durften das die Bewohner in Südaustralien und Südamerika im gerade zu Ende gegangenen Südwinter. Offenbar haben sich Luftmassen mit Ursprung in der Antarktis auf ihrem Weg über die eisfreien Meeresgebiete nach Australien deutlich weniger stark erwärmt als sonst (was immer hier „als sonst“ heißen soll). Die Folge waren sowohl in Südaustralien als auch in Südamerika „ungewöhnliche“ Schneefälle. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass derartige Ereignisse dort vielleicht nicht in jedem Jahr, aber doch immer wieder vorkommen, vermutlich aufgrund irgendwelcher Oszillationen. (Nebenbei: Aus der völligen Ignoranz dieser Vorgänge seitens der hiesigen Medien folgert der Autor, dass es sich dabei vermutlich doch um ein recht seltenes Kalt-Ereignis handelte!).

Nach Mitteleuropa strömende Meeresluftmassen (aus Südwesten bis Nordwesten) werden natürlich entscheidend von der Wassertemperatur im Nordatlantik geprägt. Ob diese aufgrund bestimmter mächtiger Kräfte (z. B. der Atlantischen Multidekadischen Oszillation AMO) höher oder niedriger liegt (als was eigentlich?), ist von entscheidender Bedeutung für das Temperaturniveau der hier wetterbestimmenden Luftmasse. Die AMO ist die Bezeichnung für eine zyklisch auftretende Zirkulationsschwankung der Ozeanströmungen im Nordatlantik. Sie bringt eine Veränderung der Meeresoberflächentemperaturen des gesamten nordatlantischen Beckens mit sich, wodurch Einfluss auf die Atmosphäre ausgeübt wird. Die AMO hat eine Periodendauer von 50 bis 70 Jahren und besitzt „warme“ und „kalte“ Phasen. Von 1900 bis 1925 sowie von etwa 1965 bis 1995 befand sie sich in einer kalten Phase, von etwa 1925 bis 1965 und seit etwa Mitte der 1990er Jahre in einer warmen Phase. Ob aufgrund dieser Oszillationen bestimmte Strömungsmuster bevorzugt werden (wie eben in letzter Zeit die Häufung von Südwestlagen), ist ebenfalls nicht Thema dieses Beitrags, auch wenn es Indizien gibt, dass dies tatsächlich der Fall ist. Siehe hierzu den Beitrag von Kämpfe hier. Daraus die folgende Abbildung:

Abbildung 3: Seit 1881, dem Beginn der Erstellung halbwegs verlässlicher Wetterkarten, hat sich die Häufigkeit der in Deutschland stark erwärmend wirkenden Südwestlagen merklich erhöht. Außerdem erwärmte sich der Nordatlantik, wobei es eine schwächere Warmphase um 1900, eine stärkere um 1945 und eine aktuelle, sehr starke, gibt. Die Kurvenverläufe der gleitenden Mittelwerte (fette Kurven) ähneln sich, wobei die AMO etwa 20% der Häufigkeitsvariabilität der SW-Lagen erklärt. Fast alle Jahre ganz ohne SW-Lagen traten vor 1950 auf; danach war nur 1991 frei von SW-Lagen; 2019 hatten wir 44 Tage.

Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann kann man wohl mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass irgendwann (demnächst vielleicht?) auch wieder andere Strömungsmuster vorherrschend sind, z. B. winterliche Nordostlagen. Dem Autor scheint das ausschließlich eine Frage der Zeit zu sein – nicht ob, sondern wann es dazu kommt.

Die Kleine Eiszeit war vermutlich in Mitteleuropa nur deswegen so kalt, weil es bevorzugt zu Nordostlagen und/oder südlichen Westlagen (WS) gekommen war, bei denen der Jet-Stream südlich an Deutschland vorbei über das Mittelmeer hinweg verlief – aus welchen Gründen auch immer. Wenn in den Niederlanden die Grachten zufrieren, kann das nur eine von Osten auf direktem Weg heranströmende Festlandskaltluft bewirken – und auch das nicht über Nacht, sondern über einen längeren Zeitraum.

Und was hat das alles mit Klima zu tun?

Kurz gesagt: fast gar nichts!

Aus der Vorherrschaft bestimmter Luftmassen in Mitteleuropa (einem für das globale Wetter kleinen und unbedeutendem Punkt) gleich auf das Wetter des gesamten Globus‘ zu schließen, ist – gelinde gesagt – Humbug. Was aber einige Klima-Obergurus nebst willfährigen Kriech-Medien nicht daran hindert, genau das seit Jahrzehnten zu tun. Was auch immer die Ursache der von Kämpfe et al. beschriebenen Häufung von Südwestlagen in Mitteleuropa ist – das winzige bisschen Kohlendioxid in der Luft ist dafür mit Sicherheit nicht verantwortlich. Und wenn sich ein zum Klimagott hoch stilisierter Mann mit indischen Wurzeln hinstellt und sagt, dass „es bei uns keine Winter mehr wie noch vor zwanzig Jahren geben werde“, dann sagt er damit, dass es bei uns im Winter nie mehr den Zustrom von Luftmassen aus Nordosten geben wird. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Aber es ist eben ein Gott, und Götter sind ja bekanntlich unfehlbar. Und wenn sich die Fakten nicht nach diesen göttlichen Geboten richten, dann sind diese Fakten eben leugnerisch und rechtsradikal.

Fazit: Das Temperaturniveau von Tagen, Monaten und Jahren wird bei uns durch das Vorherrschen bestimmter Luftmassen festgelegt, modifiziert durch die 4 bis 5 Wettertypen und das Temperaturprofil sowie das Geopotential der Troposphäre, wobei in den letzten Jahrzehnten die starke Häufigkeitszunahme der wolkenarmen, sonnigen Wettertypen und eine höhere Lage des 500hPa-Niveaus auffällig waren – und durch fast nichts sonst!

Nachtrag: Der Autor hat in den 1980er Jahren mal versucht zu ergründen, ob sich das Temperaturniveau ein und derselben Luftmasse in Mitteleuropa ändert, und zwar am Beispiel der subpolaren Meeresluft mP, der mit am häufigsten in Mitteleuropa wetterbestimmenden Luftmasse. Der Einfluss der o. g. Faktoren ist jedoch so vielfältig, dass der Versuch bald wieder aufgegeben wurde. Siehe auch hierzu die zahlreichen Arbeiten von Kämpfe & Kowatsch, zuletzt hier.

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Der Autor bedankt sich bei Herrn Stefan Kämpfe für die ausführliche Begutachtung dieses Beitrags sowie für ein paar Ergänzungen dazu.

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