Dass solche Darstellungen irrig sind, wurde an vielen Stellen bereits veröffentlicht. Der folgende Aufsatz unterstreicht das ausdrücklich und zeigt ebenfalls mit leicht errechenbaren Zahlen, was es mit Stickoxiden und den beim Dieselmotor emittierten Konzentrationen auf sich hat.
Chemische Gleichgewichte
Reaktion A: N2 + O2 ↔ 2 NO („Stickstoffverbrennung“)
In einem Dieselabgas mit 74% Stickstoff und 6% Sauerstoff (s.u.) sind im chemischen Gleichgewicht folgende Stickoxide (NO) auf Grund der thermodynamischen Daten zu erwarten:
bei 25°C 1 zehnmillardstel ppm (=fast gar nichts)
bei 700°C 45 ppm
bei 1.200°C 1.300 ppm
bei 2.700°C 13 % (in Luft mit 23% O2), = 130.000 ppm
Die Gleichgewichtskonzentrationen geben aber noch nichts über die Reaktions-geschwindigkeiten an, weder zur Bildung noch zur Zersetzung. Dazu wird berichtet, dass unterhalb 700°C die Verbindung NO metastabil ist und sich praktisch nicht verändert, also weder sich bildet noch sich zersetzt; wenn also bei sehr hohen Temperaturen sich eine deutliche Menge gebildet hat und das Gasgemisch sehr schnell bis auf 700°C oder weniger abgeschreckt wird, bleibt viel des erhaltenen NO bestehen. Solches wurde früher im sogenannten „Nitrum“-Verfahren zur Luftverbrennung im Lichtbogenofen ( ̴ 2700°C !) durchgeführt (Herstellung von Salpetersäure).
Das Gas NO ist farblos und hat nur ein sehr geringes Lösungsvermögen in Wasser.
Reaktion B: 2 NO + O2 ↔ 2 NO2 („Oxidation von Monoxid zu Dioxid“)
In Luft mit 23 % Sauerstoff und bei 25°C liegt das Verhältnis Dioxid zu Monoxid
(NO2 : NO) bei über 500.000.
So ist in Luft bei 25°C praktisch kein NO mehr neben NO2 vorhanden, die Reaktion ist aber sehr temperaturabhängig, und sie verläuft relativ schnell.
Bei ca. 480°C wird sie bereits endotherm, und der Zerfall von NO2 in NO und Sauerstoff setzt verstärkt ein, was bei 650°C so gut wie vollständig ist.
Das braune Gas NO2 löst sich gut in Wasser nach der Formel 2 NO2 + H2O → HNO2 + HNO3, die salpetrige Säure ihrerseits ist aber nicht beständig und zersetzt sich nach der Formel 3 HNO2 → HNO3 + H2O + 2 NO. Das dabei gebildete NO ist ein Problem bei jeder Gaswäsche, weil es sich erst wieder oxidieren muss, um weiter ausgewaschen werden zu können, häufig aber vorher entweicht.
Emissionskonzentrationen
Man spricht häufig von NOx-Konzentrationen, weil sowohl NO als auch NO2 vorhanden sein kann. Die Gleichgewichtsbetrachtungen zeigen aber, dass bei Raumtemperaturen praktisch nur NO2 vorhanden ist, es bildet sich aus NO und Luftsauerstoff ziemlich schnell. Bei hohen Temperaturen (Verbrennungen) kann sich aber nur NO bilden, das nach Abschreckung und bei Sauerstoffanwesenheit so gut wie vollständig verschwindet und so zu NO2 wird.
In der Industrie besagen die Abgasvorschriften, dass die Emissionskonzentration von NOx nicht höher als 100 mg/Nm3 ( ̴77 Gew.ppm) sein darf; es wird im Abgaskamin gemessen. Um diesen Wert zu erreichen, werden stickoxidhaltige Abgase normalerweise in einer Gaswäsche behandelt, wobei die Waschflüssigkeit alkalisch sein muss. Der Stickstoff wird so aus der Gasphase in eine Abwasserphase überführt und kann dort zu weiteren Schwierigkeiten führen, die aber beherrschbar sind (z.B. durch biologische Abwasserbehandlung).
Die emittierten NOx-Mengen führen nun in der Umgebung der Emissionsquelle zu Immissionen, deren zulässige Konzentrationen folgendermaßen definiert sind:
40 µg/Nm3 im Jahresmittel, höhere vereinzelte Spitzenwerte dürfen 200 µg/Nm3 während
1 Stunde nicht überschreiten.
Gemessen wird in einiger Entfernung von der Emissionsquelle und in der Nähe menschlicher Wohnungen unter Berücksichtigung der herrschenden Windrichtung. Die Messpunkte werden von den Überwachungsbehörden festgelegt. Das Verhältnis zwischen zulässiger Emissions- und Immissionskonzentration beträgt bei NOx also 2.500:1 (= erforderlicher Verdünnungsfaktor).
(1 Nm3, „Normkubikmeter“, ist der Kubikmeter bei 0°C und dem Druck von 1 atm oder 760 Torr)
An den Arbeitsplätzen in der Industrie gilt der sogenannte MAK-Wert („maximale Arbeitsplatzkonzentration“), er beträgt für Stickoxide 0,95 mg/Nm3 (= 950 µg/Nm3 oder 735 µg/kg), früher war er noch erheblich höher eingestuft. Dieser Wert bedeutet, dass die Beschäftigten während acht Stunden und fünfmal in der Woche dieser Konzentration maximal ausgesetzt sein dürfen – wobei keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu befürchten wäre.
Verteilte man die 40 h Wochenarbeitszeit mit einer Belastung von 950 µg/Nm3 gleichmäßig auf die Gesamtzeit von 168 h in der Woche, ergäbe sich ein Durchschnittswert von 226 µg/Nm3, unter der Annahme, dass in den 128 Stunden Freizeit gar keine Belastung besteht. Dieser Wert entspricht etwa der zugelassenen kurzfristigen Immission von 200 µg/Nm3.
Verhältnisse bei Dieselmotoren
Die Verbrennung des Kraftstoffs in Dieselmotoren muss mit einem deutlichen Luftüberschuss erfolgen (λ ≥ 1,3), andernfalls wäre mit starker Rußbildung zu rechnen. Die Verbrennungstemperaturen im Zylinder sind sehr hoch (>> 1000°C), also erfolgt mit dem überschüssigen Sauerstoff auch eine Oxidation des Luftstickstoffs (s.o.), das gebildete NO wird dann sehr schnell in den Auspuff geleitet und unter 700 °C abgekühlt, so dass das unerwünschte Gas sich nicht weiter zersetzen kann und zu Emissionsproblemen führt. Im heißen Auspuff bei etwa 700°C werden 600-800 Vol.ppm gefunden (TÜV Essen, z.T. auch etwas weniger oder mehr). Das deckt sich gut mit obigen Berechnungen: Wenn bei 1200°C während der Verbrennung ̴ 1.300 ppm NO gebildet werden, so haben sie sich bei 700°C noch nicht bis auf < 100 ppm wieder zersetzt wegen der Geschwindigkeit der Abkühlung.
Bei stationären Großanlagen könnte jetzt wieder die schon erwähnte alkalische Gaswäsche installiert werden, was aber bei beweglichen Fahrzeugen nicht durchführbar ist. Hier bietet sich ein anderes Verfahren an: Das heiße Abgas wird mit einer wässerigen Lösung von Harnstoff behandelt, wobei nur die Stoffe N2, CO2 und H2O entstehen. Die summarische Reaktionsgleichung wäre ganz grob folgende:
CO(NH2)2 + H2O + 3 NO → 5/2 N2 + CO2 + 3 H2O
Allerdings verläuft die Reaktion über Zwischenstufen, wobei auch NH3 (Ammoniak) gebildet wird; eine katalytische Unterstützung ist erforderlich. Das zeigt, dass die Dosierung der Harnstofflösung sehr genau erfolgen muss. Wird zu wenig eingespritzt, bleibt unbehandeltes NO übrig, bei einer Überdosierung entstehen Zersetzungsprodukte des Harnstoffs, die ebenfalls unerwünscht sind. Die Dosierung hängt weiter auch davon ab, wie hoch die Drehzahl des Motors ist, und wie viel Kraftstoff gerade zugegeben wird – einem Rechner müssen alle Einflussgrößen zugeführt werden, und der sorgt dann automatisch für die richtige Dosierung der 32,5 %-igen Harnstofflösung (als „AdBlue“ im Handel). Gemäß obiger Formel kann mit 1 kg Harnstoff 1,5 kg Stickoxid unschädlich gemacht werden; bezogen auf den Kraftstoffverbrauch, sei je nach Fahrweise mit 2 – 8 % Harnstoffeinsatz zu rechnen.
Weitere veröffentlichte Kennzahlen zum Dieselmotor: Je Liter Kraftstoff werden ca. 14 m3 Luft benötigt (bei λ= 1,4 als Überschussfaktor) und etwa 2,65 kg CO2 erzeugt. Seine Dichte beträgt 0,84 kg/l und der Heizwert 9,7 kWh/l.
Theoretische Verbrennungsrechnung im Dieselmotor:
Man kann folgende vereinfachte Reaktionsgleichung aufstellen, bei der als Kraftstoff Cetan genommen ist, Lambda mit 1,4 gerechnet wird und 800 ppm NO im Abgas entstehen sollen:
C16H34 + 24,5 O2 + 93,75 N2 + λ-Luft → 16 CO2 + 17 H2O + 93,75 N2 + 0,1 NO + λ-Luft
226 784 2625 1363 704 306 2625 4 1359
Die Zahlen sind die Molekulargewichte in g; addiert ergibt sich, dass 226 g Kraftstoff 4.772 g Luft (=3.690 l) erfordern. Im Abgas werden 4 g NO aus der λ-Luft gebildet, es hat folgende Zusammensetzung :
Gewichts-% Volumen-%
Stickstoff 73,4 75,3
Sauerstoff 6,3 5,6
CO2 14,1 9,2
Wasserdampf 6,1 9,8
Stickoxid NO 0,080 0,077 (unbehandelt, unverdünnt)
Die Abgasmenge beträgt 17,2 m3/kg oder 14,5 m3/l Kraftstoff. Als Luftbedarf ergibt sich 16,3 Nm3/kg oder 13,7 Nm3/l. Vielleicht wäre noch folgende Zahl interessant: Ein Fahrzeug, das einen Verbrauch von 5 l/100 km hat und mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h fährt, würde minütlich 833 m zurücklegen und dabei 42 ml (=35 g) Kraftstoff verbrauchen und rund 0,6 m3 Abgas produzieren.
Damit ein konzentriertes Abgas mit ca. 800 ppmgew NO in den Bereich dessen gelangt, das in der Industrie genehmigt ist (= 77 ppmgew), müsste es zunächst zehnfach verdünnt werden, was bei einem fahrenden Automobil, das minütlich beispielsweise 0,6 m3 ausstößt, leicht geschieht, eine weitere Verdünnung um den Faktor 105 wäre erforderlich, um den MAK-Wert zu erreichen. 0,6x10x105 = 630 m3 (= z.B. 2,5 m x 2,5 m x 100 m), ein Volumen, das ein Fahrzeug in 14 Sekunden durchfährt, so dass selbst diese Verdünnung kein Problem darstellt. Schwieriger wird es, den festgesetzten Immissionswert von 40 µg/Nm3 zu erreichen, der eine weitere Verdünnung um das 24-fache erforderte.
Das unverdünnte Abgas ist mit Sicherheit gesundheitsschädlich, sogar giftig beim direkten Einatmen (nach Abkühlung !), allein schon wegen seines hohen CO2-Gehaltes, eine Verdünnung ist also erforderlich. Der Faktor von 1 : 1.000 ist nicht schwer zu erreichen, wie dargestellt, um an den MAK-Wert des NOx zu gelangen. Trotzdem ist die Maßnahme, bei Fahrzeugstillstand den Motor abzustellen, wenn man sich im dichten Stadtverkehr befindet, richtig. Daraus resultiert, dass auch ein häufiges Wiederstarten erforderlich wird, was die Starterbatterie stark belastet. Die Batteriehersteller haben dieser Anforderung allerdings bereits Rechnung getragen.
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, dass bei dichtem Verkehr und Windstille sich NOx-Konzentrationen über dem Immissionsgrenzwert ergeben können. Das kann aber nicht durch eine wie auch immer geartete „Software“ verhindert werden, vielleicht nur etwas gemindert werden – die Naturgesetze der Verbrennung lassen sich nicht ändern. Die Anwendung der Harnstoffeinspritzung ist für so tiefe Grenzwerte wie 40 µg/Nm3 eine reale Möglichkeit, also das Anbringen einer „Hardware“, um bei der gängigen Wortwahl zu bleiben. Ob der Wert von 40 µg/Nm3 allerdings wirklich erforderlich ist, sollte noch einmal gründlich überprüft werden. Der gültige und bereits reduzierte MAK-Wert ist mit Sicherheit nach langen Untersuchungen festgelegt worden, eine geforderte weitere Reduzierung um das 24-fache für den Straßenverkehr erscheint um ein Vielfaches überzogen ! Der zeitweise bereits zulässige Immissionswert von 200 µg/Nm3 (21 % des MAK-Wertes) wird von Dieselfahrzeugen so gut wie nie in der Realität erreicht und sollte als Grenzwert eingeführt werden, weil er durchaus noch als gesundheitlich ungefährlich betrachtet werden muss. Damit erübrigte sich die große Aufregung über die „schrecklichen“ Dieselemissionen, und der „Skandal“ bezöge sich nur noch auf die betrügerischen Versprechungen einiger PKW-Hersteller.
Es sei noch auf eine relative Zahl hingewiesen, die bei NOx und auch bei CO2 gerne angeführt wird: Die Emissionsmenge je gefahrenen Kilometer. Das ist überhaupt keine technische Zahl, und sie sollte vollkommen unterbleiben. Die Emissionen hängen allein vom Kraftstoffverbrauch (in kg oder l) und vielleicht auch der Fahrweise ab – ein mit laufendem Motor stehendes Fahrzeug emittiert pro Kilometer unendlich viel ! Wer viele Liter Kraftstoff verbraucht, emittiert auch viele Mikrogramm NOx.
Bei Otto-Motoren wird ohne Luftüberschuss gearbeitet (λ = 1), dabei kann sich so gut wie kein NO bilden, wohl bleibt aber immer etwas unverbranntes CO übrig, das dann mittels zugeführter Luft an dem bekannten nachgeschalteten Katalysator zu CO2 umgesetzt und unschädlich gemacht wird.
Über den Autor:
„Dr. Reinhard Marx studierte Metallhüttenkunde in Aachen und war während seiner beruflichen Laufbahn in verschiedenen Metallhütten für Blei und Zink (Stolberg, Málaga, Duisburg, Harlingerode) tätig. Er spezialisierte sich später mehr auf die Weiterverarbeitung dieser Metalle, besonders zu Oxiden, wobei er sich als Technischer Leiter und Prokurist der Heubach GmbH in Langelsheim auch mit Farb- und Korrosionsschutzpigmenten befasste.“
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Im Jahre 2000 galt noch der MAK-Wert von 9500 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft,
im Jahre 2012 galt dann 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Für diese Verringerung hatte die Senatskommission sicherlich eine Begründung gegeben, die auch veröffentlicht worden ist. Wer kennt diese Begründung, wie lautet sie??? (ich habe mir einmal die Begründung für die Aufnahme von Ethanol als kanzerogener Stoff in der Bücherei der GSF angeschaut und kopiert). Vollkomen unbegreiflich ist es, wenn von der Autoindustrie dazu keine Info kommt.
Lieber Hr. Marx,
besten Dank, eine gute und mit vielen Fakten unterfütterte Beweisführung, dass die Dieselabgas-Hysterie nichts weiter ist als ideologische Stimmungsmache
Mfg
Aaah, endlich mal eine Argumentation mit handfesten Zahlen!
Die Bilanz des Abgases in Vol-% irritiert mich etwas: Die Eingangs-Luft wurde vermutlich als völlig trocken angenommen, so dass das H im Wasserdampf allein vom Kraftstoff kommt, der mit dem O des Luftsauerstoffs reagiert hat.
Dann gehen die (immer Vol-%) 21% O2 der Luft über in die Abluft von 5.6% O2, +9.2% vom CO2, +9.8% vom Wasserdampf. Damit komme ich aber mit 5.6+9.2+9.8 = 24.6% O2, also mehr die 21% der Ausgangsluft. Wo soll der extra Sauerstoff herkommen?
Eine Anmerkung: die 9.2% CO2 im Abgas als „giftig“ zu bezeichnen, erscheint mir als nicht angemessen. Immerhin enthält unsere Ausatmen-Luft bereits bis zu 4% CO2 (40000ppm) und wir leben ganz gut damit. Sicher aber ist dies zuviel als Dauer-Einatmen-Luft; die US-Marine hat eine Grenze von 0.7% für ihre U-Boot Mannschaften festgesetzt, was volle Funktionsfähigkeit der Mannschaften unterstellt, und nicht eine unterschwellige Vergiftung.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass 5% CO2 – ein Standardwert für Brutschränke im Biotech-Labor – beim tiefen Einatmen ein unangenehm stechendes Gefühl, ähnlich wie bei sehr starken Pfefferminz Drops, in den Atemwegen ergibt. Aber giftig ist etwas anderes.
: kommt vermutlich daher, dass das CO2 an den Schleimhäute zu Kohlensäure reagiert.
Selbes stechendes Gefühl bekommt man ja auch, wenn man eine Sprudelwasserflasche öffnet oder starkes Sprudelwasser trinkt.
Ja giftig ist das nicht!
„dass weder Politiker noch Umweltverbände wissen, was sich eigentlich im Dieselmotor abspielt“
Woher sollen die das denn wissen? Chemie in der Schule gehabt? Die Meisten wohl nicht. Nun kann und muß man natürlich Fachwissen einkaufen, denn das Universal-Abitur an math.-nat.-Gymnasien gibt es nicht mehr. Die Grund-Fähigkeit zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten wird auch nicht mehr vermittelt. Insofern ist der Zustand der Politik und der politischen Entscheidungen ins Spätmittelalter zurückgekehrt, wo der „Glaube“ das wesentlichste Element war.