Der Begriff „Dunkeldeutschland“ bekommt  eine völlig neue Bedeutung – im wahrsten Sinne des Wortes. Vorgestern ist Deutschland wieder haarscharf an einem Zusammenbruch der Stromversorgung vorbeigeschlittert. Unsere Nachbarländer müssen die Zeche mitbezahlen und sind stinksauer.

Von Manfred Haferburg 

Manchmal fallen sogenannten geflügelten Worten ungewollt ganz neue Bedeutungen zu. Meinte der ehemalige Bundespräsident Gauck noch, seine ostdeutschen Landsleute vom hohen Schloss Bellevue aus mit dem herabwürdigend gemeinten Begriff Dunkeldeutschlandabkanzeln zu können, weil sie seiner hochwohlgeborenen Meinung nach falsch wählten, so trat am 12.12.2024 in Deutschland ein Zustand ein, den man durchaus als „Dunkeldeutschland“ bezeichnen könnte. Das Gauckwort bekam eine ganz neue Bedeutung.

Ganz Deutschland lag grau unter einer dicken Wolkendecke, und kein Blättchen bewegte sich in der Windstille. Auch die über dreißigtausend Windräder blieben stehen, und es hätten sich auch nicht mehr von ihnen gedreht, wenn es 100.000 gewesen wären. Die fast vier Millionen „Solarkraftwerke“ lieferten weniger als ein Prozent ihrer installierten Leistung. Und auch für sie gilt – mehr Solarpaneele hätten auch nicht wirklich mehr Sonne gesehen und Strom produziert. Eine bewölkte Windstille, genannt Dunkelflaute, verwandelte gestern Deutschland beinahe wörtlich in Dunkeldeutschland – ein Land, das haarscharf daran vorbeischrammte, im Stockdunkel eines verheerenden Blackouts zu sitzen.

Importstrom rettet Deutsche Energieversorgung – die Nachbarn sind sauer

Nur der Import von fast 20 Gigawatt Strom aus den Nachbarländern verhinderte, dass am Abend des 12.12.2024 in Dunkeldeutschland die Lichter ausgingen und es zu Finsterdeutschland geworden wäre. Mehr hätten die Stromleitungen aus den Nachbarländern auch nicht durchleiten können. 20 Gigawatt entspricht der Leistung von 15 Kernkraftwerken wie die drei letzten abgeschalteten KKW ISAR, Neckarwestheim und Emsland. Das hatte für die Nachbarländer, aus denen der Strom nach Deutschland abfloss, erhebliche Preissteigerungen vom mehr als 10-fachen des Normalpreises auch in ihrem Strommarkt zur Folge. Eine 10-minütige Dusche in Südschweden hätte dadurch fünf Euro gekostet.

Schwedens Energieministerin äußerte sich: „Ich bin wütend auf die Deutschen. Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise. Das ist eine Folge der Abschaltung der Kernkraftwerke”.

Auch in Norwegen ist man sauer auf Deutschland: „Es ist eine absolut beschissene Situation“, sagte Norwegens Energieminister Terje Aasland. Norwegen wird seinen Export nach Deutschland neu überdenken. Die Position Deutschlands kann man mit einem Bankrotteur vergleichen, der unter großem Beifall immer neue Saalrunden bestellt und damit rechnet, dass seine Tischnachbarn ungefragt bezahlen.

Auch in Deutschland sorgte das trübe Wetter für erhebliche Verwerfungen

Die Netzsicherheit konnte nur durch die hervorragende Arbeit der Ingenieure auf den Netzleitstellen aufrechterhalten werden. Im Jahre 2000 mussten sie ganze fünfmal eingreifen, um das Netz zu stabilisieren. Man nennt diese Eingriffe Redispatchmaßnahmen. Im Jahr 2024 mussten die Netzbetreiber 20.000-mal eingreifen, die Steigerungsrate verläuft exponentiell. Eine solche Anzahl von Eingriffen kostet Milliarden pro Jahr, und die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers mit der katastrophalen Folge eines Blackouts steigt exponentiell an.

Wenn in einer solchen Situation ein weiterer Fehler hinzukommt – sei es irgendwo ein Trafobrand oder der plötzliche Ausfall eines weiteren Großkraftwerkes, sei es der Ausfall einer großen Übertragungstrasse durch Blitzeinschlag oder einen Angriff der Klimaretter-„Aktivisten“ – dann beherrscht das Netz nicht mehr das sogenannte N-1 Kriterium und kollabiert wie eine Reihe aufgestellter Dominosteine.

Am 12.12.2024 waren die Strompreise den ganzen Tag über auf dem extrem hohen Niveau von etwa 350 Euro pro Megawattstunde. Durch die Strommangellage stiegen die Preise am Stromspotmarkt gegen Nachmittag auf stolze 936 Euro pro Megawattstunde. Das ist ungefähr das Fünfzehnfache des normalen Preises am Spotmarkt und der höchste Wert in den letzten 18 Jahren. Das ist etwa so, als würde ein Liter Diesel an der Tankstelle plötzlich 24 Euro kosten. Die Stromkunden werden es allerdings erst an den Stromrechnungen im nächsten Jahr merken. Aus Habecks Versprechen über fallende Strompreise wird mit Sicherheit nichts, der Strompreis kennt nur eine Richtung. Aus der Kugel Eis des ehrenwerten Herrn Trittin sind inzwischen 150 Kugeln pro Monat für eine durchschnittliche Verbraucherfamilie geworden.

Die Situation führte auch dazu, dass einige energieintensive Industriebetriebe ihre Produktion einstellen oder einschränken mussten. Es ist eigentlich egal, ob dem Unternehmen der Strom in einem Brownout abgestellt wird, oder ob er ihn selbst abschaltet, weil sonst die Produktionskosten die Einnahmen überschreiten. Und es ist kein Licht am Ende des energiepolitischen Tunnels in Sicht. Es sei denn, irgendwer ist so naiv, dass er der CDU/CSU glaubt, dass sie mittels der Kernfusion die Stromkrise in Deutschland beenden kann. Denn eine Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Kernkraftwerke will Herr Merz nicht. Dann würde ja sein potenzieller Koalitionspartner unfroh daher schauen.

Solche Stromeskapaden macht ein Unternehmer ein paarmal mit, überlegt sich aber dann ganz sicher, dass es auch anderswo Mütter mit schönen Töchtern gibt.

Die Politik verschlimmert die Situation ständig

Obwohl diesmal die großen Medien an dem Thema Dunkelflaute nicht vorbei kamen, geht die Zerstörung der energetischen Infrastruktur durch die Politik völlig unbeirrt von der offensichtlichen Realität weiter. Die Bundesnetzagentur macht eine „ungewöhnliche Wetterlage“ als Schuldigen aus. Die ARD verortete die Ursache in „mangelnder Flexibilität im Stromnetz und als Zeichen von Versäumnissen der Energiewende“. Verdruckst wird zugegeben, dass es an Reservekapazitäten, die in solchen Fällen einspringen, mangele. Es wurde leider nichts dazu gesagt, dass die Politik den Kraftwerkspark – das sind ja die Reservekapazitäten – systematisch ausdünnt und zerstört, ohne dass an die Ersatzkraftwerke auch nur zu denken ist.

Entsprechend dem „Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ KVBG wird zwischen 2021 und 2026 ein Drittel unserer Kohlekraftwerkskapazität planmäßig abgeschaltet und verschrottet. Auch in diesem Jahr wurden Kohlekraftwerke mit einer Leistung von drei Kernkraftwerken abgeschaltet. Und für das nächste Jahr ist im Gesetz Ähnliches vorgesehen.

Die Ersatzkraftwerke, welche die immer größer werdende Lücke schließen sollen, gibt es nur in der Fantasie der Energiewende-Protagonisten. Sie sind noch nicht einmal geplant, weil die Ampel es seit Jahren nicht schafft, ein „Ausschreibungs-Design“ auf die Beine zu stellen. Dieses merkwürdige Wort beschreibt, wieviel Subventionen diejenigen vom Staat bekommen werden, die ein Gaskraftwerk bauen und betreiben wollen. Ohne Subventionen wird niemand so ein H2-ready Gaskraftwerk bauen, da es sich im Gestrüpp der Energiewendesubventionen einfach nicht rechnen kann. Denn es soll ja nur laufen, wenn Wind und Sonne nicht liefern können. Um die Lücke zu schließen, müssten ungefähr 70 Gaskraftwerke der 300-MW-Klasse gebaut werden – bis 2030. Das sehe ich nicht werden.

Das deutsche Stromnetz führt einen Zweifrontenkrieg

Wir haben noch nicht einmal Weihnachten, der böse Januar und der böse Februar mit Dunkelflauten-Gefahr und hohem Strombedarf kommen erst noch. Und sollte keine Dunkelflaute kommen, sehe ich mich im nächsten Frühsommer vor einer Starkwindperiode mit viel Sonnenschein warnen, weil dann durch die enorme Überproduktion der Erneuerbaren ein Netzzusammenbruch durch zu hohe Frequenz droht. Immerhin ist schon die dreifache Menge an Erzeugungsleistung installiert, die zur Deckung des Strombedarfs benötigt wird. Und die vielen Elektrolyseure, die den überschüssigen Strom aufnehmen und in Wasserstoff umwandeln sollen, existieren nur in den Delirien der Energiewender. Und selbst wenn es sie gäbe – dann fehlte immer noch die gesamte Wasserstoff-Infrastruktur, um den so erzeugten grünen Wasserstoff zu nutzen. Das sind unter anderem nur 10.000 Kilometer hochkomplizierter Wasserstoffleitungen im ganzen Land.

Es wird so kommen, wie im letzten Sommer: Was an Schrottstrom nicht im benachbarten Ausland verklappt werden kann, wird auf Kosten der Stromkunden und Steuerzahler abgeregelt und trotzdem bezahlt. Oder es muss gutes Geld für die Abnahme gezahlt werden – natürlich auch vom Stromkunden und Steuerzahlern.

In Abwandlung eines alten DDR-Witzes kann man fragen: „Was sind die vier Hauptfeinde der Energiewende?“ Die Antwort lautet: „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“.

 

Von Manfred Haferburg und Klaus Dieter Humpich ist soeben in der Achgut-Edition das Buch 

Atomenergie – jetzt aber richtig

erschienen. Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können es hier in unserem Shop bestellen

Zum Inhalt des Buches: Es ist keine Frage ob, sondern lediglich wann „die dümmste Energiepolitik der Welt“ (wallstreet-Journal) – in Deutschland euphemistisch „Energiewende“ genannt – beerdigt wird. Und was dann? Überall auf der Welt werden längst wieder die Weichen für die Kernenergie gestellt, CO2-frei wie bisher, aber intelligenter, resilienter, mobiler und preiswerter als je zuvor. Die Atomenergie kann auch hierzulande der Nukleus für einen neuen Wohlstand sein, auch diese Einsicht wird sich unter der Last des Faktischen durchsetzen. Die beiden Energieexperten Manfred Haferburg und Klaus Humpich analysieren den deutschen Irrweg und zeigen Wege aus der Sackgasse. Dieses Buch ist ein Almanach der Vernunft  für alle, die in Deutschland erfolgreich wirtschaftlich tätig sind und damit fortfahren wollen.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

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