Edgar L. Gärtner
Die Verhandlungen zwischen den EU-Regierungen über eine Ablösung der Strompreis-Festlegung nach dem Merit-order-Prinzip waren seit Monaten festgefahren. Der Grund: Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs verfolgen hier völlig konträre Interessen. Der Berliner Ampel-Regierung kommt es entgegen, wenn der Strompreis im europäischen Verbundsystem von den teuersten Kraftwerken, d.h. den mit Erdgas betriebenen bestimmt wird. Die Pariser Regierung unter Staatspräsident Emmanuel Macron und Premierministerin Elisabeth Borne hingegen musste sich mit der mit immer größerem Nachdruck von den französische Stromkunden gestellten Frage auseinandersetzen, warum die Strompreise in Frankreich nicht von den vergleichsweise niedrigen Gestehungskosten der hier dominierenden Kern- und Wasserkraftwerke bestimmt werden. Die Berliner Regierung sieht darin allerdings eine Wettbewerbsverzerrung.
Die Klausurtagung der beiden Regierungen am 9. und 10. Oktober in Hamburg auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz brachte in dieser Frage zwar keinen Durchbruch, endete aber immerhin mit der Ankündigung, demnächst werde der Entwurf einer Vereinbarung über die Reform des Strommarkts der EU vorgelegt. Die spanische Regierung, die zurzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, legte einen Kompromissvorschlag schon am folgenden Tag, dem 12. Oktober, vor. Dieser Vorschlag schloss aber die von Paris gewünschte Möglichkeit aus, die Ertüchtigung der 56 zurzeit betriebenen französischen Kernreaktoren für eine Laufzeitverlängerung von 10, 20 oder mehr Jahren mithilfe von Differenzverträgen (CfDs) zu finanzieren, wie sie bei der Ausschreibung von Windparks bereits üblich sind. Das hatte auch die EU-Kommission im März 2023 vorgeschlagen.
Differenzverträge (Contracts for Difference, CfD) galten bislang als ein Vergütungsmodell der Wahl bei der Ausschreibung von Kapazitäten erneuerbarer Energien wie vor allem Windparks, denn sie erlauben den Anbietern auch bei starken Preisschwankungen einen regelmäßigen Erlös. Nimmt der Stromerzeuger am Markt weniger ein als den vereinbarten Fixpreis, wird ihm die Differenz vom Vertragspartner ausgeglichen; nimmt er mehr ein, führt er die Differenz zum Fixpreis an den Vertragspartner ab. Der Erzeuger wird damit von dem Risiko sinkender Marktpreise entlastet, im Gegenzug wird sein Gewinn bei steigenden Marktpreisen begrenzt. Das gilt als Vorteil gegenüber der Förderung von Stromanbietern über Marktprämien. Denn dabei dürfen die Anbieter mögliche „Übergewinne“ behalten. Für das französische Strom-Monopol EDF hätten CfDs, so hoffte man, obendrein den Vorteil, dass sie das seit 2010 durch das Gesetz über die neue Organisation des Elektrizitätsmarktes (NOME) eingeführte ARENH-Tarifsystem ablösen könnten. Danach ist EDF verpflichtet, etwa ein Viertel (100 TWh) seines in Kernkraftwerken erzeugten Stromes gemäß der Verordnung ARENH (Accès réglementé à l‘électricité nucléaire historique) zum Festpreis von € 42,-/MWh an alternative (z.T. Grüne) Strom-Großhändler ohne eigene Produktionskapazitäten abzugeben. (Die Gestehungskosten für Atomstrom werden in Frankreich derzeit auf mindestens 60 Euro je Megawattstunde geschätzt. Der Marktpreis für Strom lag zeitweise bei fast 400 €/MWh.) Dieses staatlich verordneten Verlustgeschäft hat nicht wenig zur augenblicklichen finanziellen Schieflage des Stromriesen beigetragen. Das auf Druck der EU eingeführte NOME-Gesetz mit dem Ziel, die Monopolstellung von EDF zu verringern, gilt nur bis Ende 2025.
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 6. April 2023 zur Entwicklung der Industriestrompreise im Hinblick auf die von Bundeskanzler Scholz versprochenen 4 ct/kWh (BT-Drucksache 20/6350) ging die Bundesregierung davon aus, dass der reglementierte ARENH-Tarif mehr als 50 Prozent des Strombedarfs der französischen Industrie deckt. Das ermöglichte im Jahre 2021 einen durchschnittlichen Industriestrompreis um 10,6 ct/kWh ohne Mehrwertsteuer gegenüber 53,4 ct/kWh (inklusive Stromsteuer) im zweiten Halbjahr 2022 in Deutschland. Es gibt in Frankreich weitere Beihilfen für stromintensive Betriebe, die bei einer Anlaufstelle von Fall zu Fall beantragt werden müssen. Schon vor der Einführung des ARENH haben sich allerdings 27 energieintensive französische Unternehmen zu einem Stromeinkaufs-Konsortium namens Exeltium zusammengeschlossen, das mit EDF einen bis Ende 2034 laufenden privatwirtschaftlichen Liefervertrag zu noch günstigeren Konditionen abgeschlossen hat. Das erwähne ich hier nicht nur, weil es zusätzlich dazu beiträgt, die von Neid genährte deutschen Klagen über Wettbewerbsverzerrungen zu begründen.
Denn in dem am 17. Oktober in der EU-Ministerkonferenz zwischen Deutschland und Frankreich erzielten Kompromiss werden solche langfristigen Verträge ausdrücklich empfohlen. EDF möchte zumindest einen Teil der angekündigten neuen Kernkraftwerke vom Typ EPR2 mithilfe solcher Verträge finanzieren. Da bei großen KKW die Brennstoff- und Lohnkosten gegenüber den Investitionskosten kaum ins Gewicht fallen, gelten hier solche langfristigen Verträge als Finanzierungsinstrument der Wahl. Bereits das inzwischen auf Druck der Grünen stillgelegte elsässische KKW Fessenheim wurde mithilfe deutscher und schweizersicher Projektpartner auf diese Weise finanziert.
CfDs, die in dem am 17. Oktober angenommenen Kompromiss-Papier entgegen dem spanischen Votum ebenfalls als Finanzierungsinstrument empfohlen werden, sind nach Ansicht des früheren EDF-Managers und heutigen Energie-Consultants François Henimann für die Finanzierung großer Nuklearprojekte weniger gut geeignet, weil sie nur das Risiko von Marktschwankungen begrenzen, aber das Risiko des Scheiterns von Projekten ganz beim Projektbetreiber belassen. Zurzeit wird der von EDF Energy am Standort Hinkley Point in Großbritannien errichtete EPR mithilfe eines CfD finanziert. EDF Energy, sein britischer Partner GCN und der britische Staat haben sich hier auf einen Fixpreis von 96 Pfund (115 Euro) je MWh über 35 Jahre geeinigt. Würden CfDs aber, wie gewünscht, in Frankreich das ARENH-System ablösen, habe das, entsprechend den Schwankungen der Marktpreise für Strom, enorme Geldflüsse zwischen dem Staat und dem Kraftwerksbetreiber über die gesamte Vertragslaufzeit zur Konsequenz. In der Tat soll das nächste EPR-Projekt von EDF in England bei Sizewell mithilfe des britischen Staates stattdessen über regulierte Preise finanziert werden. Ziel ist hier ein Gestehungspreis von 60 Pfund (etwa 70 Euro) je Megawattstunde. Henimann fragt deshalb, warum die französische Regierung bzw. ihre Energiewendeministerin Agnès Pannier-Runacher im EU-Ministerrat nicht die Einführung regulierter Strompreise angeregt haben. Nach der französischen Commission de Régulation de l’Énergie (CRE) genüge die Anhebung des ARENH-Tarifs von 42 auf 50 bis 55 €/MWh in Verbindung mit sinkenden Gaspreisen und der bereits erfolgten Anhebung der Verbraucherpreise, um die Finanzen von EDF wieder ins Lot zu bringen.
Für das laufende Jahr hatte die CRE aufgrund des Mixes zwischen dem ARENH-Tarif und einen Marktpreis von 398 €/MWh einen Tarif régulé de vente d’électricité (TRVE) von 238 €/MWh berechnet. Das erlaube EDF nach einer Tariferhöhung von 15 Prozent zum Jahresbeginn, so Henimann, auskömmliche Einnahmen von 95 €/MWh. Nach einer weiteren Erhöhung der Endverbraucher-Tarife von 10 Prozent im August komme EDF auf garantierte Einnahmen von 111 €/MWh. Für 2024 erwartet Henimann aufgrund der Wiederinbetriebnahme weiterer Kernreaktoren nach einer erzwungenen Pause wegen Wartung und Reparatur und des inzwischen auf etwa 50 €/MWh gesunkenen Gaspreises noch günstigere Bedingungen. Aber die Ermittlung des TRVE im Einklang mit dem Merit-order-Prinzip bleibe eine Inflationsmaschine. Noch immer sei der TRVE doppelt so hoch wie der Durchschnittspreis des französischen Strommixes. Deshalb sei eine tiefgreifende Reform des europäischen Strommarktes unumgänglich.
Henimann wundert sich, dass die EU-Kommission in ihrem Papier zur Vorbereitung des am 17. Oktober beschlossenen Kompromisses die Kernenergie überhaupt nicht erwähnt und dass die französische Regierung in den zähen Verhandlungen, die dem Kompromiss vorausgingen, keine Finanzierung großer Kernenergie-Projekte über regulierte Preise in die Diskussion gebracht hat. Das ist umso verwunderlicher, als der Euratom-Vertrag vom 25. März 1957 unbestritten zu den Gründungsdokumenten der Europäischen Union gehört. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am 22. September 2020 in einem Rechtsstreit zwischen der EU-Kommission und Österreich ausdrücklich bestätigt. Die EU-Kommission ist danach verpflichtet, die Entwicklung der Kernenergie nicht nur zu dulden, sondern aktiv zu fördern – mit dem Ziel, preiswerte Energie im Überfluss bereitzustellen, um Wohlstand für alle zu ermöglichen.
Fazit: Solange die Kernenergie hauptsächlich in Form von Großkraftwerken genutzt wird, bleibt es illusorisch, ihren Ausbau marktwirtschaftlich sauber finanzieren zu wollen. Langfristige privatwirtschaftliche Lieferverträge zwischen Kraftwerksbetreibern und Stromeinkaufs-Konsortien bieten zwar die Möglichkeit, Kernenergieprojekte unabhängig von den Unwägbarkeiten der Politik zu finanzieren. Doch gelten staatlich regulierte Preise als kostengünstiger. Solche Regelungen wären kein Problem, wenn die Regierungen sich an abgeschlossene langfristige Verträge halten würden. In der EU ist das aber leider nicht mehr selbstverständlich.
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
„Der Berliner Ampel-Regierung kommt es entgegen, wenn der Strompreis im europäischen Verbundsystem von den teuersten Kraftwerken, d.h. den mit Erdgas betriebenen bestimmt wird.“
Übersetzt: In Absurdistan wird der Wähler mit grüner Wahn-Politik, wie stets, zuverlässig über den Tisch gezogen – grüne Medien helfen nach Kräften mit. Gas, Benzin und Öl werden von den „Weltrettern“ pünktlich zum Jahreswechsel weiter verteuert. Unwirtschaftliche Stand-by-Gaskraftwerke, Notstrom-Aggregate im Dauereinsatz als Folge des grünen Flatterstrom-Wahns, werden durch Emissions-Zertifikate und Steueranhebung immer weiter verteuert – Dumm Michel wird doppelt und dreifach abgezockt. Am teuersten wird es mit der nächsten grünen Wahn-Chimäre, dem grünen Wasserstoff. Die „Klima-Weltrettung“ verlangt es – in Absurdistan. Gegen die Wand gefahren von einem Chamäleon, höchstdekoriert von einer SPD-Pfeife. Die Ampel-Nachfolger sind von gleicher „Qualität“.
Wer zu 100% am EU-Strommarkt hängt, ist immer beim Bezahlen auch zu 100% dabei, egal was da beschlossen wird.
Wir nutzen und verwenden extrem große Mengen an eigenen Solarstrom und da ist der Solarstrompreis, generell die Energiekosten Sektorenübergreifend sehr gering.
Bei den negativen Netzstrompreisen kann man, beim französischen Modell erst so richtig Energiekosten vermeiden.
Das übertrifft das Sparpotenzial vom Merit-order-Prinzip um ein Vielfaches.
Das erzählen Sie uns gefühlt zum 1000. mal. Wen wollen Sie denn noch mit Ihrer vermeintlichen Cleverness beeindrucken?
Eigener Solarstrom kann nur nennenswert im Sommerhalbjahr verbraucht werden. Im Winterhalbjahr geht ohne Netzstrom gar nichts.
„WIR“ (Solarstromnutzer) sind nur „NASSAUER“…
WE
Vielleicht hören Sie freundlicherweise endlich einmal auf, den Beiträgen derartige irreführende Bilder von Kühltürmen voranzustellen. (Es ist nämlich nicht das erste Mal.) Die Dinger sind zwar 200 Meter hoch, aber völlig hohl, und da oben kommt nichts als Wasserdampf heraus. – Es gibt doch dieses bekannte Internet, wo man sich darüber schlau machen kann, wozu die dienen und wie sie funktionieren, oder?
Lieber Herr Harder. Ich habe das Photo bei französischen Freunden der Kernenergie geklaut. Sieht man genau hin, erkennt man, dass aus den Kühltürmen kein Rauch, sondern Wasserdampf austritt, der in der Kühle der Dämmerung zu kondensieren beginnt. Deshalb sieht er so dunkel aus.
Der EIKE Vizepräsident Herr Dipl. Ing. Michael Limburg hat bereits mehrfach hier bei EIKE und auch bei Interview darauf hingewiesen, dass Wasserdampf wesentlich stärker zur Klimaerwärmung beiträgt als das CO₂.
Deshalb ist es auch sinnvoll, dass man aus der Kernkraft ausstiegt, um die zusätzlich Freisetzung vom Wasserdampf zu verringern.
„seufz“ … Hier haben die BOT-Bediener, sich bei „Irobnie-Altklug-Gaggeilheit“ verschaltet. Die K4F+-Phrasen werden so einfach nicht besser…
Werner Eisenkopf
Da muessen sie sich irren. Die Verweilzeit von menschengemachten Wasserdampf in der Atmsophaere ist unter einer Woche. In der anerkannen Wissenschaft ist Wasserdampf in der Atmosphare auch kein Forcingfaktor. Eine Vermeidung von Wasserdampf ist daher nicht notwendig.
?
Satirekennzeichnung vergessen? Es ging um Kernkraft und Kernkraftwerke haben Kuehltuerme.
Oder haben sie bei der Schreibstube abgeschrieben?
Laut Schreibstube ist es jetzt auch notwendig Wasserdampf zu vermeiden.
Das Abbilden von Kuehltuermen ist daher in der Diskussion erlaubt.
Ich denke das klaert ihren Kommenar.
Das Konstrukt der Strompreisreform erinnert mich an die EG (noch vor EU) als die Landwirtschaft subventioniert wurde:
Sogenannte Überschüsse wurden von der EG teuer aufgekauft und nach längerer teurer Lagerung vernichtet; Milchseen und Butterberge waren in den Medien!
Der Steuerzahler hat also
1. mit seinen Steuern dafür gesorgt, dass die Landwirtschaft ein gutes Auskommen hatte und durfte
2. als Dank dafür in den Geschäften auch noch überhöhte Preise für Obst und Gemüse bezahlen
Er wurde also doppelt besch….
Fazit: Wer die Geschichte nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie nochmal zu erleben.
Mein Fazit aus diesem Beitrag ist, die EU hat sich einen „gemeinsamen Markt“ auf die offizielle Fahne geschrieben, tut aber genau das Gegenteil.
Die Wettbewerbs-Kommission ist eine „Fatamorgana“ für Naive, die gnadenlos hinter die Fichte geführt werden.
Marktwirtschaft, setzt einen Markt voraus, auf dem echte Wettbewerber konkurrieren. Um ihre Marktanteile, ihre Vorteile für die Nachfrager und ihre Kunden.
In diesem Fall für elektrische Energie, ohne Frequenz-Schwankungen, ohne „Simsalabim-Propaganda-Sektenkram“ bevorzugter Techniken, im Wind erhaschen oder Sonne einfangen und als Bio-Strom zu versilbern.
Für wie doof hält sich denn diese Brüsseler Bande von Politfiguren, als Lobby-Personal, anfällig für Betrug gegenüber den Bevölkerungen in Europa.
Die Fokussierung auf die Kosten der Erzeuger und Anbieter korreliert immer mit den Kosten der Abnehmer und Kunden, die preiswerte Elektro-Energie nachfragen.
Diese schlichte Beziehung, weitschweifig dann ins Gegenteil zu verbiegen, ist fraglos kriminelle Manipulation, um der Bevölkerung, ihren Arbeitsplätzen, ihren Haushalten großen Schaden aufzunötigen.
Intelligent oder logisch kann das nie sein was da von EU-Go-Go-Girls vorgetanzt wird, die keinen blassen Schimmer von Wettbewerb und Marktwirtschaft haben.
Das ist ein Vertrag zu Lasten Dritter, des gemeinen Stromkunden! Niedrige Marktpreise werden durch den Vertragspartner ausgeglichen, sprich der Staat zahlt mit Steuergeld die Differenz zum Börsenpreis. Der Stromkunde, der auch gleichzeitig das Steueraufkommen bestreitet, zahlt am Ende. „Übergewinn“ geht an den Staat, der das Geld der Stromkunden, die diesen „Übergewinn“ ja bezahlen, im dem Fall natürlich behält. Der „normale Bürger“, um es freundlich auszudrücken, ist zufrieden wenn er in der tagesschau hört dass „Vater Staat“ den bösen EVU den „Übergewinn“ weg nimmt… 🤦♂️, ist aber zu blöde zu verstehen dass das sein Geld ist welches nur den Besitzer wechselt. Er selbst sieht nie mehr einen Cent davon. 🤦♂️🤦♂️