Cap Allon

Der boreale „Polarwirbel“ ist im November so stark zusammengebrochen wie noch nie zuvor.

Die 10-hPa-Daten der NOAA bestätigen, dass die Zonalwinde auf tief negative Werte gefallen sind, die weit außerhalb des klimatologischen Bereichs liegen:

Abb. 1

Abb. 1

Ein so schwacher Wirbel lässt arktische Luft nach Süden strömen, was bedeutet, dass es im nächsten Monat wahrscheinlich zu Kälteeinbrüchen auf den nördlichen Kontinenten kommen wird.

Weiße Weihnachten gefällig?

Link: https://electroverse.substack.com/p/a-meter-of-snow-hits-the-alps-thanksgiving?utm_campaign=email-post&r=320l0n&utm_source=substack&utm_medium=email (Zahlschranke)

Anmerkungen zu dieser Meldung

Dipl.-Met. Christian Freuer

Diese Anmerkungen sind in gewisser Weise eine Aktualisierung einer ersten Anmerkung von mir zu diesem Thema in diesem Beitrag.

Ich bekenne, dass ich obige Meldung von Cap Allon auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehen kann. In seiner Graphik ist zwar tatsächlich früher in diesem Monat (November 2025) ein „Zusammenbruch“ der Zonalwinde im 10-hPa-Niveau erkennbar, jedoch gefolgt von einer kräftigen Erholung zum Ende dieses Monats.

Nun bezieht sich meine Erfahrung als Synoptiker nicht so sehr auf die Stratosphäre. Das derzeitige Bild im 10-hPa-Niveau zeigt zwar aktuell eine ziemlich beachtliche Deformierung des Polarwirbels in jener Höhe:

Abb. 2: Aktuelle Analyse des 10-hPa-Niveaus vom 26. November 2025, 00 UTC. Quelle

Aber schon nach 10 Tagen soll sich den Simulationen der NOAA zufolge diese Deformierung wieder abschwächen und so aussehen, wie wir es aus den vergangenen Wintern kennen:

Abb. 3: Simulation des 10-hPa-Niveaus für den 6. Dezember 2025 (10 Tage). Quelle

Der Polarwirbel scheint zwar weiterhin etwas deformiert, aber längst nicht so wie heute. Die Schlussfolgerung von Cap Allon oben steht also in dieser Hinsicht zunächst auf tönernen Füßen.

Aber kommt da noch was?

Schauen wir, wie es derzeit in der Troposphäre aussieht. Nun, verglichen mit dem, was ich im oben verlinkten Beitrag beschrieben hatte, hat sich das Bild doch ziemlich gewandelt bzw. soll es in absehbarer Zeit tun. In meiner Anmerkung hatte ich ja schon erwähnt, dass Ende November / Anfang Dezember „der Winter gebacken“ wird.

Abb. 4: Aktuelle GFS-Analyse vom 26. November 2025, 00 UTC. LINKS: 500-hPa-Niveau, RECHTS: 850-hPa-Niveau.

Abb. 5: Simulation beider Druckflächen für den 6. Dezember 2025 (10 Tage; GFS): LINKS: 500 hPa, RECHTS: 850 hPa

Einzelheiten spielen bei einer Simulation für 10 Tage im Voraus keine Rolle. Aber: ALLE Mittelfristmodelle (EZMW, GEM) zeigen das gleiche großräumige Bild: Nämlich die Verlagerung des Kältezentrums aus dem atlantisch-europäischen Raum zum kanadischen Sektor der Arktis. Das Kältezentrum dort dient in der Regel als Auslöser der Bildung gigantischer Orkanwirbel über dem Atlantik. Die vorderseitige Strömung aus südwestlichen Richtungen macht winterliche Witterung hier in Mitteleuropa zumindest für die nächsten 10 Tage unwahrscheinlich.

Aber man kann dieses Spielchen noch weiter treiben, z. B. in dem man versucht, Präzedenzfälle aus früheren Jahren zu finden und zu sehen, wie es danach weiterging. (Im Folgenden sollte man aber nie vergessen: Ähnliche Wetterlagen sind nicht gleiche Wetterlagen!).

Als Präzedenzfall soll hier mal das Jahr 1986 herangezogen werden.

Abb. 6: Re-Analyse 26. November 1986, 00 UTC LINKS: 500 hPa, RECHTS: 850 hPa

Man sieht auf den ersten Blick eine frappierende Ähnlichkeit mit der heutigen Lage in Abb. 4. Auch damals hatte sich über der kanadischen Arktis ein Kältezentrum gebildet ohne eine Entsprechung im europäisch-asiatischen Sektor. Das heißt: die gleichen schlechten Aussichten für einen echten Winter 1986/87 wie heute.

Mitte Dezember kam es in jenem Jahr 1986 dann im Zuge eines solchen Kältezentrums über der kanadischen Arktis sogar noch zu einem Exzess, den man als eingefleischter Synoptiker nicht so schnell vergisst:

Abb. 7: Re-Analyse 15. Dezember 1986, 00 UTC LINKS: 500 hPa, RECHTS: 850 hPa

Es bildete sich nämlich der stärkste nordatlantische Orkanwirbel vermutlich des gesamten vorigen Jahrhunderts: Sein Kerndruck lag unter 920 hPa! In einem starken Hurrikan ist das normal, nicht aber für ein solches Gebilde im außertropischen Bereich. (Kleine Parallele zu einem Hurrikan: Obwohl es sich durchweg um ein baroklines Gebilde handelt [d. h. eine Entwicklung aus dem horizontalen Temperaturgegensatz zwischen warm und kalt] zeigt sich doch rudimentär im 850-hPa-Niveau ein warmer Kern.) Eine detailliertere Analyse zeigt das Eingangsbild.

Es fällt aber damals etwas auf, was durchaus wieder passieren kann – insofern ist die Spekulation von Cap Allon in seiner Meldung oben nicht aus der Luft gegriffen: Natürlich entwickelte sich im Zuge eines solchen Giganten eine Südwestströmung über Mitteleuropa, jeder Gedanke an Winter war also Mitte Dezember nicht angebracht.

Aber, und das ist jetzt ein ziemlich dickes aber: Bis dahin hatte sich über Nordrussland / Nordskandinavien ein sehr beachtliches zweites Kältezentrum gebildet, von dem Ende November 1986 noch keine Spur erkennbar war! Dieses Kältezentrum übernahm dann ziemlich rasch die Regie auch in Mitteleuropa – mit der Folge des sehr kalten Winters 1986 / 1987. Zumindest in Berlin gab es dabei eine Bilderbuch-weiße Weihnacht: mit 26 cm Höhe hatte sich die höchste Schneedecke an einem Heiligabend seit Beginn der Berliner Messreihe im Jahr 1908 gebildet!

Fazit: Winterfans sollten die Hoffnung nicht aufgeben – wobei es diskutabel ist, ob man sich beim derzeitigen Zustand unseres Landes wirklich einen kalten Winter wünschen sollte.

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Schlussbemerkung: Leider ist es mir nicht gelungen, eine Re-Analyse der Stratosphäre, genauer des 10-hPa-Niveaus zu finden. Ich möchte an realistische Kommentatoren appellieren, ob diese in dieser Hinsicht fündig werden.

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