Klagen französischer Experten
Edgar L. Gärtner
In Frankreich erzeugt inzwischen nicht nur die Tatsache Unmut, dass die teuren deutschen Gaskraftwerke aufgrund des europäischen Merit-Order-Systems indirekt auch in Frankreich die Strompreise bestimmen, sondern auch die Verstopfung der Übergänge zwischen den nationalen Übertragungsnetzen durch Windstrom aus der norddeutschen Tiefebene. Das vermindert die Versorgungssicherheit und führt zu steigenden Kosten.
Im Grünen Weltbild der Promotoren gelten Wind- und Solarstrom als „lokale Energien“. In Wirklichkeit fließen zwei Drittel dieser dezentral erzeugten Elektrizität über zentrale Transportnetze, weil der Strom nicht die geringste Entfernung, sondern den Weg des geringsten Widerstandes bzw. der niedrigsten Netzfrequenz wählt. So fließt die mithilfe von Windkraftwerken in der Norddeutschen Tiefebene, der Nordsee und in Skandinavien erzeugte Elektrizität zum großen Teil nicht direkt zu den stromhungrigen Industrien Süddeutschlands, sondern über die Niederlande, Polen, Tschechien, Österreich, Belgien oder Frankreich. Die zwischenstaatlichen Kopplungen zwischen den nationalen Stromnetzen werden, wie die in der Entsoe zusammengeschlossenen europäischen Netzbetreiber beklagen, bis zu 50 Prozent von diesen „Loop flows“ in Beschlag genommen. Diese gelten als blinde Passagiere, weil deren Kosten bislang in den Stromtarifen nicht berücksichtigt werden. Die bestehenden Abkommen verlangen hingegen, dass die Kapazität der Netzkopplungsstellen zu 70 Prozent für den internationalen Austausch von Elektrizität nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zur Verfügung steht.
Die französischen Experten Jean-Pierre Riou und Michel Gay beklagen, dass am 4. April 2022, als es für die Jahreszeit zu kalt war und die Elektroheizungen in Frankreich auf Hochtouren liefen, die französischen Kernreaktoren aber zu einem großen Teil wegen Reparatur oder Revision noch stillstanden, der Strompreis in Frankreich zwischen 7 und 9 Uhr morgens die schwindelerregende Höhe von 2987 €/MWh erklomm. Die Koppelstellen zwischen dem französischen und dem deutschen Stromnetz konnten damals die ihnen zugedachte Rolle der Preisdämpfung durch Elektrizitäts-Importe nicht spielen, weil starker Wind in der norddeutschen Tiefebene zu einem Windstrom-Überschuss führte, der über die Nachbarländer Richtung Süddeutschland floss und dadurch die Koppelstellen blockierte.
Jean-Pierre Riou und Michel Gay schließen sich dem offiziellen Think Tank „France Stratégie“, der französischen Energieregulierungskommission (CRE) sowie der Agentur für die Zusammenarbeit der Energie-Regulatoren (ACER) an, die sich schon 2015 darüber beschwerten, dass die „Loop Flows“ nicht honoriert bzw. die Transitländer nicht für die Verstopfung der Übergänge entschädigt werden. In ihrem Rapport vom Juni 2022 weist die CRE auf die enge Korrelation zwischen der Höhe der deutschen Windstrom-Produktion und der schrumpfenden Kapazität der Netzkopplungs-Stellen hin. Der geschilderte Engpass am 4. April 2022 gilt deshalb bei französischen Fachleuten als Hinweis auf grundlegende Fehler der deutschen Energiepolitik. Die Energie-Experten können sich auf den Bericht des deutschen Bundesrechnungshofes vom 7. März 2024 berufen, wenn sie die Aufspaltung des deutschen Elektrizitätsmarktes in zwei getrennte Tarifzonen anregen. Dann würden die Kosten der „Loop Flows“ berücksichtigt. Deutschland wäre gezwungen, seine eigenen Netze zu verstärken, um diese Kosten zu senken.
Im zitierten Bericht weist der Bundesrechnungshof darauf hin, dass in Deutschland 6.000 Kilometer Leitungen zum Abtransport „erneuerbarer“ Energien fehlen und zitiert die Bundesnetzagentur, die den Investitionsbedarf des Ausbaus der Transportnetze bis zum Jahre 2045 auf nicht weniger auf 460 Milliarden Euro schätzt. Hinzu kommen schätzungsweise 150 bis 250 Milliarden Euro für den Ausbau der Verteilernetze. Ganz zu schweigen von den wachsenden Kosten des Stromnetz-Managements, die schon im Jahre 2028 6,5 Milliarden Euro jährlich erreichen können. Ohne dabei allzu deutlich zu werden, kritisiert der Bundesrechnungshof auch die unzureichende Kapazität regelbarer Grundlast- bzw. Backup-Kraftwerke in Deutschland.
So wird verständlich, warum sich immer mehr Franzosen darüber aufregen, dass die deutsche Politik mithilfe ihres Einflusses auf die Instanzen der EU das illusorische Modell der deutschen „Energiewende“ ganz Europa aufzudrücken versucht. Die alte EU-Kommission hat nach hartem Ringen die Kernenergie, die je Kilowattstunde 4 Gramm CO2 erzeugt, zusammen mit Gaskraftwerken, die 400 g/kWh erzeugen, als „Übergangsenergien“ in Richtung auf „Net Zero“ eingestuft. Das ist postmoderne Arithmetik. Da sich der Bau neuer Gaskraftwerke, die zudem auch mit reinem Wasserstoff betrieben werden sollen, in Deutschland ohne massive Subventionen nicht lohnt, hat die Berliner Ampelregierung bzw. ihr grüner Vizekanzler Robert Habeck Anfang Oktober 2023 den Weiterbetrieb alter „schmutziger“ Braunkohlekraftwerke erlaubt. Der Betrieb stromfressender Wärmepumpen, die Habeck den Deutschen verordnet, wäre nach der Stilllegung der letzten deutschen Kernkraftwerke anders gar nicht vorstellbar.
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Habeck musste den Weiterbetrieb alter „schmutziger“ Braunkohlekraftwerke erlauben und der Betrieb stromfressender Wärmepumpen, die Habeck den Deutschen verordnet, wäre nach der Stilllegung der letzten deutschen Kernkraftwerke anders gar nicht vorstellbar. Nein, da reichen auch ein paar KKW und GasKW nicht wenn bei Frost und Dunkelflaute noch viele Millionen Wärmepumpen 3-4 kW brauchen sowie noch E-Mobilität, E-Fuels und grüner Wasserstoff dazu kommt. Abgesehen von zahllosen fehlenden Kraftwerken und extremen Strompreisen müssten die Verteilnetze um gut den Faktor 10 verstärkt werden. Unser Haushalt verbraucht im Jahresschnitt z.B. nur 0,31 kW.
? 0,31 kW ?
0,31 kW • 8760 h = 2715,6 kWh
Sehr guter Kommentar, der die Windstrombefürworter – Kosch, Kwass- Kraus- überzeugen müßte. Denn diese Leute argumentieren stets, dass bisher noch kein Blackout gewesen wäre und mit dem weiteren Ausbau würde alles besser und der Strom auch noch billiger.
Eine kritischer Anmerkung zu den Verteilernetzen: Auch bei einem 10fachen Ausbau könnten die Netze keinen Blackout verhindern. Bei Dunkelflaute (unterhalb 10 GW), hilft auch kein breites Spinnen-Leitungsnetz über Deutschland. Welch eine ungeheure Natur-und Landschaftsverschandelung durch dieses teure Spinnennetz.
Bisher wurde der Dunkelflaute-Blackout nur deshalb verhindert, weil wir noch genügend fossile Kraftwerke haben, die bis vor kurzem noch mit ca 40 MW auf Volllast gefahren sind, sowie der teuerst eingekaufte Strom aus den Nachbarländern. Bei Tichys Wecker kann man am Schluß der Nachrichten stets die Zusammenstellung des Vortages erfahren.
z.B. gestern 20 Uhr: Unser Verbrauch liegt bei etwa 70 GW: PV= 0GW, WKA=44MW, fossile Kraftwerke: 20 GW, schwankender Restausgleich durch Zukauf.
Uns fehlen die vielen kleinen Ergänzungs-Gaskraftwerke, die laut Koalitionsvertrag der Ampel vor drei Jahren hätten gebaut werden sollen und mit billigem Gas aus Rußland den schwankenden Rest-Strom erzeugt hätten.
Diese Leute überzeugt keiner. Die glauben, und da hilft nichts.
Stimmt, man sollte auch keinen größeren Aufwand bei eventuellen Antworten auf ihre Einwürfe spendieren. Sinnlose Zeitvergeudung.
75 GW „fossile Kraftwerke [..], die bis vor kurzem noch mit ca 40 MW auf Volllast gefahren sind“
Ja, das ist wirklich sehr problematisch, wenn unsere 75 GW an installierter fossiler Kraftwerkskapazität lediglich 40 MW bei Vollast zustande bringen. Das sind ja, wie Sie sagen, harte Fakten.
Jetzt haben sie’s ihm aber gegeben, sie Blitzmerker. Schreibt er doch tatsächlich MW statt GW. Glücklicherweise haben wir hier ja genügend Lektoren am werkeln!
Aha, und 40 GW bei Volllast, wenn 75 GW installiert sind, finden Sie unproblematisch?
Herr Kowatsch, abgesehen davon dass bei Netzüberlastung der Schutz oder die Sicherungen auslösen und abschalten, wollte ich darauf hinweisen dass die schwachen Verteilnetze unter Berücksichtigung der Maximallast und des Gleichzeitigkeitsfaktors ausgelegt sind. Wenn aber die meisten Haushalte bei Frost gut den 10fachen Strom für die Heizung benötigen (und genug Kraftwerke einspeisen), ist eine drastische Netzverstärkung nötig.
Ein interessanter Artikel.Das zeigt wie abhängig wir inzwischen vom Ausland sind.Was ich jedoch kritisiere ist die pauschale Verurteilung der Kohle. Diese hat erst Industriegesellschaften entstehen lassen.Das kann man alles abschaffen, wenn man gleichwertig sichere Stromerzeugungstechnologien hat.
@ Christian Träber. Lieber Herr Träber, geben Sie meinen Namen und das Stichwort Kohle in die Suchfunktion ein. Dann werden Sie sehen, dass ich der Kohle gegenüber unvoreingenommen bin.
Richtig. Moderne Kohlekraftwerke sind mitnichten schmutzig. Sauberen Strom gibt es nicht. Alles hat seinen Preis und irgendwo auch seine schmutzige Ecke.
Ich habe mal das Großkraftwerk in Mannheim besichtigt, da konnte man vom Fußboden essen.
Das glaube ich Ihnen gerne.
Nur – wozu sollte man vom Fußboden essen wollen?
Das kann man in der Kita nach dem Mittag auch. :o)
Vielleicht schafft es die EU, die absurden Energiewende-Murkser inmitten Europas zu bändigen. Für uns wird der Murks dann noch teurer. Eine von der Leyen wird erst aktiv, wenn es etwas zu ruinieren gibt – wie zuvor die Bundeswehr. Heute ruiniert sie die EU durch Einführung von CO2-Zöllen und dem Festhalten am Verbrenner-Verbot. Trump führt Zölle ein für „America first“, während die EU von CO2-Zöllen für Klima-Irrsinn träumt, der uns ruiniert. Das ist der Unterschied zwischen den USA und der EU.
Bloß, dass eben Zölle am Ende immer den Konsumenten und Steuerzahlern beider Seiten schaden, oder?
Bezüglich Hilfe von der EU lassen Sie besser alle Hoffnungen fahren.
Dort sitzen die Entsorgen der Mitgliedsländer und kümmern sich unbekümmert um ihre, aber nicht Ihre, Versorgung, oder?
Es wäre ein gewaltiger Fortschritt, wenn bei Fragen zur elektrischen Energieversorgung auch wieder mit anerkannten technischen Begriffen gearbeitet würde.
Verstopfung haben bestenfalls Politiker ohne technische Ausbildung, aber keine elektrischen Netze.
Weg der niedrigsten Netzfrequenz gibt es nicht, die Frequenz ist überall exakt identisch.
Wäre das nicht so, würden Generatoren andere Generatoren zur Senke machen und nicht die Verbraucher die Senken bilden.
Stromüberschuss gibt es nicht. Im spannungsgeführten Netz bestimmen einzig Verbraucher (Senken) den Strom, nicht Kraftwerke (Quellen).
Energien kann man nicht abtransportieren. Der Energiefluss wird durch den Poynting Vektor bestimmt, der aus den elektrischen und magnetischen Feldgrößen bestimmt wird. (Wer es genau wissen will, das spielt sich außerhalb der Leitungen ab. Elektrische Energie „fließt“ nicht durch Leitungen, in Leitungen gibt es nur Strom und sie haben eine Spannung zum 2. oder 3. Leiter.
Diese neue Art der Elektrotechnik verwässert das, was als Gesetze beschrieben und beim Betrieb eines Netzes beachtet werden muss. Wer mit verstopften Netzen operiert, will in etwas eingreifen oder etwas schaffen, was nicht funktioniert. dann haben wir die derzeitige politische Elektrizitätslehre, die das Land nicht mehr versorgen kann. Genau genommen eine neue politische Elektrizitätslehre, die an keiner Hochschule gelehrt wird, aber in Berlin erfunden worden ist.
„Es wäre ein gewaltiger Fortschritt, wenn bei Fragen zur elektrischen Energieversorgung auch wieder mit anerkannten technischen Begriffen gearbeitet würde. Verstopfung haben bestenfalls Politiker ohne technische Ausbildung, aber keine elektrischen Netze.“
Stimmt. Jedoch vor einem ‚gewaltigen‘ Fortschritt kommt erst das Aufräumen und die Beseitigung des vielfach vorhandenen Unsinns samt dem Chaos in der gegenwärtigen Diskussion um die Energiewende. Um den Feind zu schlagen, sollte man sich nicht zu schade sein, ihn auch mit dessen eigenen Waffen – hier den Worten – zu bekämpfen.
Recht so, deshalb zählt ja mein häuslicher Stromzähler ja auch in kWh, da fängt es ja schon an, oder?
@ P Pu: Ich war einmal Elektriker und weiß natürlich, dass da keine Elektronen wie kleine Kügelchen durch den Leiter kullern. Man kann den unbedarften Lesern die komplizierten Zusammenhänge der Elektrizität nur im übertragenden Sinn erklären.
Dann sind Sie ja hier richtig, bei den „Unbedarften“, obwohl der Robert liest hier bestimmt nicht persönlich, aber vielleicht lässt er mitlesen, also recht so, oder?
Bravo, endlich mal eine Stimme vom Fach.Es stimmt traurig,dass auch in Frankreich die Unsitte der Experten um sich greift.Es wird so getan,als wenn zuerst der Preis bestimmt wird und dann wird geliefert.Es ist in der Realität genau umgekehrt.!!! Die kaufmännische Fakultät hat es geschafft,dass Elektrizität als Handelsgut gesetzlich anerkannt ist.In Wirklichkeit ist dieser Trick ein Betrug am Endverbraucher. Der ist aber so vereinnahmt und abgelenkt,dass er es nicht merkt.Ähnlich einem Zaubertrick.Der Höhepunkt fast jedes Jahr sind die extrem hohen fiktiven Preise,die niemand bezahlt.(Nur Kunden mit einem Flex-Tarif).
Leider kriegen Sie diese Physik nicht nur dem grünen ‚Normal-Politiker‘ kaum vermittelt!
Die meisten Menschen – nicht nur Bärbock und Habeck – stellen sich ‚Strom‘ als eine Art Stoff vor, der aus dem Generator heraus’strömt‘ und wie Gas durch die Leitungen fließt.
Bei dieser ‚Vorstellung‘ kommt nicht nur Frau Bärbock zu der ‚logischen‘ Schlussfolgerung, dass man Strom im Netz speichern können müsste, wenn er doch schon mal da drin ist 😉
Und das Speicherproblem lässt sich ganz einfach lösen, indem man Akkus an die ‚elektrische Gasleitung‘ anschließt 😀
Dann ist der Strom nämlich in dem Akku-Kasten, nicht wahr?
Dass das Laden und nachfolgende Entladen eines Akkus verlustbehaftete Energieumwandlungsprozesse sind, kommt den Leuten nicht in den Sinn.
Auch die H2-Phantasie mit den H2-Gaskraftwerken wird schon alleine durch die immensen Umwandlungsverluste zur Absurdität.
65% Wirkungsgrad der Elektrolyse X 40% Wirkungsgrad des Kraftwekes = schwindelerregende 26% Gesamtwirkungsgrad 😢
Von den anderen Problemen des H2 (Speicherung, Transport, Gefahren) haben wir da noch nicht mal gesprochen!
Über Frau Göring-Eckarts Worte hat man sich einstmals lustig gemacht, dass Atomstrom die Netze verstopfe. Nun lese ich hier, dass Windstrom die Übergänge verstopfe. Welche französische Bezeichung haben die französischen Herrn Riou und Gay verwendet: constipation oder gras (wie foie gras)?
Die Klimaschützer halten das alles für normal. Ist doch selbstverständlich, wir haben doch ein europäisches Stromnetz. Und Deutschland geht schließlich voran. Hat aber eine der schlechtesten CO2-Bilanzen in Europa bei der Stromerzeugung.
Was interessiert die CO2-Bilanz? Das ist nur grüne Ideologie.