Gigantische Offshore-Windparks sollen das Rückgrat der Energiewende werden. Jetzt kommen unberechenbare Nebenwirkungen der Giganten raus: Sie kannibalisieren sich gegenseitig, erzeugen gefährliche Turbulenzen, verändern Luftströmungen und Wellen. Das Ausfallrisiko steigt.

Von Manfred Haferburg

Die große Hoffnung der Energiewender liegt in den Offshore-Windradgiganten. Angeblich weht ja auf See irgendwo immer Wind. Segler wissen aber besser, dass dies nur sehr bedingt stimmt. Auch die VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa (Thomas Linnemann und Guido Vallana) hat mit dem Märchen aufgeräumt, dass irgendwo immer Wind weht – es gibt auch europaweite Flauten. Die breite Öffentlichkeit hat trotz Jahren der Energiewendepropaganda begriffen, dass es keinen Strom aus den fluktuierenden „Erneuerbaren“ gibt, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Auch scheint der Begriff „Dunkelflaute“ im Bewusstsein der Bevölkerung endlich angekommen zu sein.

Zudem hat der viel gelobte Zubau von Offshore-Windgiganten einige Schattenseiten, die in der Öffentlichkeit überhaupt noch nicht thematisiert werden. Vereinzelt wird über Netzengpässe als Herausforderungen berichtet. Was früher „Krise“ hieß, heißt heute nämlich „Herausforderung“. Die Berichte beziehen sich auf Aussagen der Bundesnetzagentur (BNetzA) und ihre Berichte zum Netzengpassmanagement. Diese Papiere sind – das muss man den verbeamteten Verschleierungskünstlern der Bundesnetzagentur lassen – nicht leicht zu lesen. Da muss man schon sachkundig mit Tabellen umgehen können, was zeitaufwändig ist und was vermutlich Journalisten nicht gerne tun beziehungsweise gar nicht können. Leider gibt es die leicht leserlichen Berichte der Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz nicht mehr.

Regierungs-Aussagen an Chuzpe nicht zu übertreffen

Wenn Windkraftanlagen bei einer frischen Brise an Land nicht laufen, dann fällt das auf. Auf See, dutzende Kilometer vor der Küste, bekommt es kaum jemand mit. Genau das passiert aber verstärkt seit Jahren. So geht das Thema an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbei, obwohl es die Bevölkerung Millionen kostet, wenn Windkraftanlagen abgeregelt werden oder ganz vom Netz genommen werden. Die Bundesampel fördert den Zubau der Windenergie auf Teufel komm raus mit Steuermilliarden, ohne dass die Windbarone in irgendeine Verantwortung für die Netzstabilität genommen werden.

Über die vielversprechenden Aussagen der Bundesregierung (mit tatkräftiger Unterstützung des grünen Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur) dass Windkraftanlagen zunehmend in die Bereitstellung von Regelleistung einbezogen werden und dafür auch qualifiziert sind, kann der Fachmann nur den Kopf schütteln. Sie sind an Chuzpe nicht zu übertreffen.

Früher hatten die Energieversorger neben dem Recht auf Stromproduktion auch eine Pflicht zur Stromproduktion, um das Netz stabil zu halten. Stieg der Strombedarf, mussten sie Kraftwerksleistung vorhalten und zur Stabilisierung hochfahren. Diese Pflicht wurde für die  „Erneuerbaren“ abgeschafft. Das geht auch gar nicht anders, da die „Erneuerbaren“ ausschließlich negative Regelenergie zur Verfügung stellen können. Das heißt, man kann sie bei zu viel Stromerzeugung abstellen, aber nicht bei zu wenig Stromerzeugung hochfahren.

Weht kein Wind, müssen die konventionellen Kraftwerke ran. Diese Volatilität ist einer der unheilbaren Konstruktionsfehler der Energiewende.

Es hat sich längst herumgesprochen, dass Windräder Vogel-Schredder und Insektenkiller sind. Auch wie die Rammarbeiten unter Wasser die Orientierung der Meeressäuger stören, liest und hört man gelegentlich. Was aber bisher kaum in die Öffentlichkeit gedrungen ist, sind die Auswirkungen der immer gigantischer werdenden Windmonster, die in Massenformationen auf See installiert werden, auf die Wind- und die Wasserbewegung – und damit auf die Sedimentverteilung im Oberflächenwasser.

Es ist allerdings leicht nachvollziehbar, dass es Auswirkungen auf den Wind hinter den sogenannten Windparks hat, wenn man ihm die Leistung von vielen großen Kraftwerken abzapft respektive entzieht. Der Wind hinter den Windrädern ist alles andere als erneuerbar.

Von Windkannibalen und Wirbelschleppen

Ingenieure und Wissenschaftler arbeiten fieberhaft am Verständnis zur Turbulenzphysik des Wind- und Wasser-Offshore-Geschehens, etwa in der deutschen Nord- und Ostsee. Erste Ergebnisse sind erschreckend. So ist wissenschaftlich nachweisbar, dass Wirbelschleppen in den Offshore-Parks bis zu 70 (!) Kilometer lang sind. (Normalerweise würde man erwarten, dass solche Untersuchungen von den Betreibern vor dem Bau solcher Monumentaltechnik vorgelegt und in die Planung und Genehmigung einbezogen werden müssen. Man nennt das Technikfolgenabschätzung.)

Die jetzt gewonnenen  Erkenntnisse besagen, dass Offshore-Anlagen sich bereits im jetzigen Ausbauzustand gegenseitig kannibalisieren, indem sie buchstäblich den hinter ihnen stehenden Anlagen den Wind aus den Flügeln nehmen.

Das ist aber nicht alles: Es treten in den Wirbelschleppen auch starke Intermittenzen auf. Der Ausdruck beschreibt den Wechsel von periodischen und chaotischen Phasen eines nichtlinearen dynamischen Systems beziehungsweise den Wechsel zwischen Phasen verschiedener Arten chaotischer Dynamik. Sie treten unter anderem bei turbulenten Strömungen in der Nähe des Übergangs zur Turbulenz auf.

Bei den Offshore-Windparks ist das gekennzeichnet durch kurzzeitige, unregelmäßige und schwankende Windverhältnisse. Bisherige Ergebnisse lassen vermuten, dass sich diese mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie noch weiter verstärken werden. Und zwar aufgrund der sich mit dem Ausbau verstärkenden Nachlaufeffekte und anderer Erscheinungen, etwa Grenzflächeneffekte.

Folge: Die Ausnutzung der Offshore-Windparks sinkt, und die mechanische Beanspruchung steigt. Bei einer Segelregatta ist es sportlich und lustig, den in Lee segelnden Konkurrenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bei Windkraftanlagen ist es auch gefährlich für das Netz, da die Belastung des Netzes dementsprechend zunimmt. Schließlich wird das Stromnetz durch turbulente intermittierende Quellen gespeist. Diese physikalischen Effekte verstärken sich sogar nichtlinear, da die elektrische Leistung von Windkraftanlagen proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ist.

Es ist bereits in dem jetzigen Ausbauzustand festzustellen, dass sich Offshore-Windkraftanlagen gegenseitig Wind aus den Flügeln nehmen, gleichwohl werden immer weiter immer gigantischere Windmühlen auf See errichtet, mit Nabenhöhen weit über 100 Metern und Rotordurchmessern von 150 Metern und mehr, die in laminaren Strömungsgrenzschichten arbeiten, wo hohe Windgeschwindigkeiten herrschen.

„Es muss von einer hohen Unsicherheit ausgegangen werden“

Weil die Windgeschwindigkeit mit zunehmender Höhe über Grund zunimmt und in großen Höhen auf See gute Windverhältnisse herrschen, ist die Ausnutzung der Windkraftanlagen auf See im Vergleich zu Windkraftanlagen an Land deutlich höher. Moderne Offshore-Windturbinen erreichen Kapazitätsfaktoren (ein Maß für die Ausnutzung) von über 40 Prozent, während Onshore-Anlagen typischerweise bei etwas über 20 Prozent liegen.

Ausnutzung heißt: Wie viel von der installierten Nennleistung kann in der Realität nutzbar gemacht werden. Eine Ausnutzung von 40 Prozent heißt, dass von einem Windrad mit einer Nennleistung von 10 Megawatt im Jahresdurchschnitt nur vier Megawatt effektiv nutzbar sind. Durch Abregelung von Offshore-Anlagen aufgrund von Netzengpässen liegt dieser Wert der Ausnutzung aktuell deutlich niedriger, etwa bei nur 32 Prozent – da waren es nur noch drei. Drei ist aber immer noch höher als bei Windrädern an Land mit einer aktuellen Ausnutzung von circa 22 Prozent – da waren es nur noch zwei. Zum Vergleich: Die abgeschalteten Kernkraftwerke hatten eine Ausnutzung von über 95 Prozent.

Seit Mai 2024 liegt der Bericht „Ertragsmodellierung der Ausbauszenarien 22 und 23 des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES) vor. Ein zentraler Aspekt der ad-hoc Analyse ist die Untersuchung der Auswirkungen eines zukünftigen Ausbaus auf die Erträge der deutschen Offshore-Windparks. Salopp gesagt, gingen die IWES-Experten der Frage nach: Was werden wir auf See an Windenergie ernten – ohne Abregelung von Offshore-Anlagen?

IWES schreibt in einem knackigen Abschlusssatz:

„Grundsätzlich muss bei der Modellierung von Energieerträgen von Windparks in bisher ungekannten Größen von einer hohen Unsicherheit ausgegangen werden“.

Kurzum: Niemand kann konkret sagen, wo wir bei einem weiteren Ausbau auf See wirtschaftlich landen werden. Was werden die Erträge von großen Windparks sein, ohne Abregelung von Offshore-Windkraftanlagen versteht sich – also wenn das Problem des Netzengpasses durch Milliarden Euro schweren massiven Netzausbau beseitigt ist? Wird die Ausnutzung des deutschen Offshore-Windparks integral 45 Prozent betragen oder 35 Prozent oder noch deutlich weniger?

Nicht zu vergessen: Welche Auswirkungen hat das alles auf den Strompreis? Bereits jetzt, wo Anlagen aufgrund von Netzengpässen abgeregelt werden müssen, um die Netzstabilität und Qualität zu halten, fließen Millionen und Abermillionen Steuergelder als Entschädigung. Diese Entschädigungspflicht ist im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in §14 und §15 geregelt.

Ein weiteres Problem ganz anderer Dimension: Bereits jetzt beeinflussen Offshore-Windparks die Wellenphysik der Meeresoberfläche. Das Helmholtz-Institut schreibt: „Durch die Erzeugung von Turbulenz im Wasser können Offshore-Windparks einen wesentlichen Einfluss auf die Sedimentdynamik haben. Eine höhere Turbulenzenergie hinter den Pfählen verursacht eine erhöhte vertikale Vermischung und kann daher zu höheren Konzentrationen von Sediment nahe der Meeresoberfläche führen“.

Ferner ist festzustellen: Turbulenzen in der Luft und im Meer werden durch die Wechselwirkung von Gezeitenströmungen und Offshore-Windfarm-Strukturen verursacht. Sie erzeugen ein zusätzliches Potenzial für die Vermischung der saisonalen Schichtung, die sich in weiten Teilen der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone ausbildet. Welche ökologische Folgen wird dies haben, zumal Nährstoffe aus tieferen Wasserschichten an die Oberfläche gelangen, sich die Temperaturverteilung im Wasser ändern kann und Planktonpopulationen und andere marine Organismen beeinflusst werden?

Im Wind-Zielkonflikt

Das Mantra der Energiewender sind die „Ausbauziele“. Wenn wir die erreicht haben, hat die Energiewende gesiegt. Es ist ein „mehr-vom-Selben“-Mantra, ausgegeben von den Hedge-Fonds-Windbaronen. Doch stimmt das? Werden mehr Windparks die Energiewendemisere retten? Betrachten wir die aktuelle Situation der Abregelung von Windkraftanlagen.

Nach Angaben des Ministeriums für Energiewende in Schleswig-Holstein hat sich die Abregelungen von Offshore-Windanlagen, die mit dem Stromnetz in Schleswig-Holstein verknüpft sind, im Jahr 2023 verdreifacht. Abregelung bedeutet, dass trotz gutem Wind ein Windrad vom Netz genommen und leistungslos in den Wind gedreht wird, weil sonst das Netz durch zu viel Leistung zu stark belastet wird. Bezahlt wird der dabei nicht erzeugte Strom vom Steuerzahler an den Windbaron. Betrug die Ausfall-Energie der Offshore-Anlagen des ÜNB Tennet in 2022 rund 729 GWh, so waren es in 2023 bereits rund 2.260 GWh, also mehr als eine Verdreifachung.

Die Abregelung von Offshore-Windenergieanlagen steht in direktem Zusammenhang mit dem Zubau dieser Anlagen und nimmt aus mehreren Gründen von Jahr zu Jahr zu. Der kontinuierliche Zubau von Offshore-Windparks führt zu einer steigenden Stromerzeugungskapazität auf See. Das leuchtet ein: mehr Anlagen, mehr Strom. Aber wohin damit, denn es gibt Netzengpässe, regionale Stromerzeugungsüberkonzentration, mangelhafte Netzanbindung und zu wenig regelbare Stromerzeugung.

  • Netzengpässe: Die bestehende Netzinfrastruktur kann mit dem schnellen Ausbau nicht Schritt halten, was zu Überlastungen führt.
  • Regionale Konzentration: Offshore-Windparks konzentrieren sich in bestimmten Küstenregionen, was lokale Netzüberlastungen verstärkt.
  • Direkte Netzanbindung: Offshore-Windparks sind direkt an die Übertragungsnetze angeschlossen, wodurch ihre Abregelung bei Netzengpässen effektiver zur Entlastung beiträgt als die vieler kleinerer Onshore-Anlagen.
  • Wegfall konventioneller Kraftwerke: Mit der Abschaltung von Kohle- und Kernkraftwerken fehlen flexible Ausgleichsoptionen, was die Abregelung erneuerbarer Energien, insbesondere Offshore-Wind, verstärkt.

Die Ausfallenergie bei Offshore-Anlagen steigt überproportional an. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur haben die Netzeingriffe bei Windrädern im dritten Quartal vergangenen Jahres extrem zugenommen. Offshore- und Onshore-Windenergie seien mit 1,06 TWh und 0,65 TWh „die am meisten abgeregelten Energieträger“ gewesen, schreibt die Behörde in ihrem Bericht zum Netzengpassmanagement für Juli bis September 2023. Das Plus gegenüber dem Vorjahresquartal beziffert sie auf 223 Prozent bei Offshore und 92 Prozent bei Onshore.

Da die „abgeregelte Stromerzeugung“ trotzdem an die Windstromerzeuger bezahlt werden muss, ist auch der weitere Zubau dieser Produzenten von Abfallstrom ein sicheres Geschäftsmodell. Stellen Sie sich einen Bäcker vor, der täglich in einem 100-Seelen-Dorf 1.000 Brötchen bäckt, von denen 900 weggeworfen werden, weil sie keiner essen kann, und der trotzdem von jedem Einwohner 10 Schrippen kassiert, weil es das Gesetz so will.

Das Management des Netzes durch wetterbedingte Abregelung von Erneuerbaren und Hochfahren von konventionellen Kraftwerken sowie Stromimport kostet den Stromkunden und Steuerzahler in diesem Jahr wahrscheinlich fünf Milliarden Euro. Dafür könnte man in einer normalen Welt ein funkelnagelneues großes Kernkraftwerk bauen. Oder die letzten drei abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke wieder funktionstüchtig machen. Das wird aber in Deutschland nicht geschehen, obwohl Robert Habeck beim Atomausstieg im letzten Jahr so einige Graichen im Keller hatte. Die Windbarone und Finanzgiganten wird es freuen, denn im nächsten Jahr werden es dank der immer weiter erreichten Ausbauziele noch ein paar hundert Millionen mehr sein.

Der Autor dankt ausdrücklich seinem Physikerfreund, der sich bestens mit chaotischen nichtlinearen Systemen auskennt, für die inhaltliche Unterstützung und die Nachtschicht beim Peer-Review dieses Beitrages.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

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