Von Frank Bosse

Es war mal wieder so weit: Es gab Starkregen da, es gab Überflutungen und schon ist die Ursache klar: Der Klimawandel. Wenn wir weniger CO2 emittieren würden, z. B. mit einem Tempolimit auf Autobahnen, wäre die Flut ausgeblieben, so einige Thesen. Man könnte darüber hinweg gehen, wenn nicht Politiker in hoher Verantwortung ähnlich argumentieren würden. Kathrin Henneberger, Mitglied des Bundestages für die Grünen und „Klimapolitikerin“ entwickelt ihre Gedanken und „Lösungen“ auf „X“, vormals Twitter.  Sie führt u.a. aus:

„Wenn die Temperatur der Erdatmosphäre steigt, kann auch mehr Feuchtigkeit gehalten werden. Um sieben Prozent pro Grad Celsius steigt die Aufnahmefähigkeit von Wasserdampf in unserer Luft. …Besonders kommt es durch die Klimakrise zu heftigem Niederschlag innerhalb kürzester Zeit. Dies führt zu Hochwasser und damit zu Überflutungen.“

Was ist dran an dieser rein thermodynamischen Ursache? Sie führt das Gesetz von Clausius Clapeyron (CC) als DIE Ursache für das aktuelle Hochwasser an: Ein Grad höhere Temperaturen führt zu 7% mehr Aufnahmevermögen von Wasserdampf der Atmosphäre. Bedingung ist dabei natürlich, dass auch so viel Wasser zum Verdunsten zur Verfügung steht. Das ist über Ozeanen stets der Fall, bei Landmassen wird es komplexer. So einfach scheint es also nicht zu sein. Man kann auch mit Beobachtungen die These: “Höherer Temperaturen= mehr Starkregenereignisse” überprüfen. Zwischen 1960 und den aktuellen Jahren erhöhte sich die Lufttemperatur im Deutschlandmittel um ca. 2°C. Nach der simplen Logik müsste sich damit nach CC ca. 14% mehr Wasser in der Atmosphäre befinden und die Starkregenereignisse sollten flächendeckend deutlich zunehmen. Das tun sie jedoch nicht:

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Das Diagramm wurde mit den täglichen Reanalyse- Daten von ERA5 erstellt. Es zeigt keinen Trend.

Die Starkregenereignisse werden nicht mehr. So einfach wie es sich Frau Henneberger (und damit wohl die Fraktion des Bundestages, die auch den Wirtschafts-u. Klimaminister stellt) vorstellt, ist es definitiv nicht. Vermutlich hat sie sich auch nicht so intensiv mit der Materie befasst, dafür gibt es ja Spezialisten, die da beraten. Einer davon, Özden Terli vom ZDF -Wetter, meldete sich zu Wort ursprünglich in der „Saarbrücker Zeitung“, da war das Interview jedoch schnell wieder verschwunden oder hinter einer Paywall und für den Nicht-Abonnent nicht mehr auffindbar. Es ist jedoch weiterhin zu lesen. Die Überschrift ist schon mal seltsam:

„Zu sagen, dass es früher gab es auch schon Hochwasser gab, ist extrem fahrlässig“.

Keine Hochwasser früher? Die Saarbrücker Zeitung schrieb zum Zeitpunkt des Maximums des aktuellen Hochwassers:

 Beim Jahrhunderthochwasser im Jahr 1947 stieg die Saar bis auf über zehn Meter, damals konnte man den St. Johanner Markt mit Booten befahren. Normalerweise liegt der Pegel an der Messstelle St. Arnual bei um die zwei Meter. Am Freitagnachmittag hat er die Fünf-Meter-Grenze bereits überschritten…“

Höhere Wasserstände als bei der aktuellen Flut in der Vergangenheit waren schlicht eine Tatsache, die Erwähnung einer solchen ist wohl nur in Terlis Welt „extrem fahrlässig“. Auch der Inhalt ist fragwürdig. Er referiert als Quelle des Wassers in der Luft über dem Saarland das (westliche) Mittelmeer:

„Es ist normal und natürlich, dass sich die Mittelmeerregion im Frühling, Frühsommer und Sommer mehr aufheizt als unsere Regionen, weil sich dort eher Hochs ausbilden. Aber dadurch, dass sich das Temperaturniveau insgesamt erhöht hat und es am Mittelmeer wärmer ist als früher, heizt sich auch das Wasser mehr auf und warme Luft kann zudem mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Die physikalischen Parameter wirken sich einfach extremer aus: Mehr Wärme, mehr Feuchtigkeit, mehr Regen. Je nachdem, wie die Wetterlage ist, kann es zu extremen Unwettern kommen wie letztes Jahr in Griechenland, aber diese aufgeladene Luftmasse zieht auch mal nach Deutschland. Die Folgen sind katastrophal, wie man sieht.

Wie warm ist denn das Mittelmeer? Ein Vergleich:

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Oben die aktuellen Meerestemperaturen (ihre Abweichung von den Werten der Jahre 1980-2010) aktuell (Mai 2024) und unten im August des Vorjahres. Gegenwärtig beträgt die Anomalie +0,4-0,8 °C, damals waren es zum Teil über +2 °C und im August 2023 gab es definitiv keine Überflutungen im Saarland. So einfach ist es offensichtlich nicht. Terli kommt auch auf den tatsächlich wohl viel wichtigeren Punkt als die reine Thermodynamik zu sprechen: die Atmosphärendynamik. Er führt dazu aus:

„Es gibt wenig Wind, der das Tief wegführen könnte. Die Zugbahn ist schon ungewöhnlich, normalerweise kommen die Tiefs vom Westen, dieses aber von Süden. Auch diese Veränderung in den Strömungen, also wie Tiefs ziehen, ist auch auf die globale Erhitzung zurückzuführen. Dazu gibt es bereits eine ganze Menge wissenschaftliche Studien. Es hängt mit dem Jetstream, also extrem starken Windströmungen in acht bis zwölf Kilometern Höhe, zusammen, der übrigens derzeit abwesend ist, dementsprechend zieht das Tief auch kaum. Aber es ist festzustellen, dass der Jetstream häufiger mäandert, wodurch Luftmassen an Orte gelangen, wo sie normalerweise nicht hingehören.“

Aha, der durch den Klimawandel veränderte Jetstream ist also der wahre Übeltäter! Welche Studien meint er, die da die „klimawandelbedingte Verlangsamung und Mäanderung“ zeigen? Bestimmt solche wie Mann et al. (2017), die Thesen der Verlangsamung durch die bodennahe arktische Verstärkung der Erwärmung und damit geringere Temperaturdifferenz Arktis-Tropen aufstellten. Das Problem daran ist, dass es in der Arktis tatsächlich nur bodennah wärmer wird als in den Tropen, in der Höhe des Jetstream jedoch nicht. Modere Forschung von Ende 2023 findet also wie erwartet das Gegenteil: einen leicht schnelleren Jetstream mit dem Klimawandel. Auch mit dem Nachweis des stärkeren Mäanderns mit dem Klimawandel tun sich aktuelle Beobachtungen sehr schwer.

Auch hier hält der Artikel von Terli einer kritischen Prüfung nicht stand. Er sammelt auf, was ihm passt, auch wenig aktuelle Thesen, um zu „eindeutigen“ Schlüssen zu kommen. Man sollte ihm zurufen, was Einstein einmal formulierte:

„Halte es einfach, aber nicht zu einfach.“

Die wahren Ursachen der Mai-Flut im Saarland sind viel komplexer. Die Atmosphärendynamik ist schon immer hoch variabel wie der Jetstream selbst, voller Zufälle und Änderungen keineswegs so eindeutig der zweifellos nach 1980 erfolgten Erwärmung zuzuschreiben. Es ist mit Sicherheit am Ende ein Strauß von Ursachen, möglicherweise spielte der Klimawandel auch eine kleine Nebenrolle, nicht so einfach zu finden. Er war jedoch mit Sicherheit nicht DER GRUND. Wenn uns da Politik und „Experten“ eine falsche Sicherheit vermitteln wollen, so muss man sehr vorsichtig sein. Es ist dann nur eines sicher: Es ist keine Wissenschaft.

Der Beitrag erschien zuerst bei Klimanachrichten.de hier

 

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