Die Wetter- und Bauernregeln als heimliche Prognosesieger

Stefan Kämpfe

Alle Jahre wieder: Nach Ende des meteorologischen Winters stellt sich die Frage: Wie brauchbar waren die im Spätherbst besprochenen Winterprognosen? Zwar schaffte es dieser Winter unter die drei mildesten seit 1881, aber es gab wenigstens zwei winterliche Stippvisiten. Ähnlich, wie im Vorwinter, lag also richtig, wer auf „zu mild“ getippt hatte. Diesmal waren alle vorgestellten Prognosen zwar grob zutreffend, aber den extrem warmen Februar und die hohe positive Gesamtabweichung hatte keiner auf dem Zettel. Ein paar alte und neue Wetter-Regeln waren diesmal der heimliche Prognosesieger. Der Autor, welcher das DWD-Temperaturmittel geradeso mit Ach und Krach traf, hatte schon auf die besonderen Probleme der diesmaligen Winter-Abschätzung verwiesen: Wegen der anhaltenden Kälte in Nordeuropa und eines schwächelnden Polarwirbels einerseits sowie der auf „mild“ verweisenden Witterungs- und Bauernregeln andererseits war der Prognose-Schwierigkeitsgrad diesmal enorm hoch.

Wer nochmals alle Prognosen sehen und selbst bewerten möchte, findet sie am Ende dieses Beitrages hier.

Werden unsere Winter wieder milder? Die maximale Erwärmung scheint ausgereizt.

Anders, als noch in den Vorjahren, lässt der milde Winter 2023/24 den Wintertrend seit dem Klimasprung (Winter 1987/88) wieder etwas stärker steigen, was Klimakatastrophisten sicher genüsslich ausschlachten werden. Doch Vorsicht – wegen der enormen Streuung der Werte ist der Trend nicht signifikant, und er kommt nur zustande, weil es in den letzten Jahren keine sehr kalten Winter gab, aber auch nur noch zwei extrem milde (2019/20 und knapp dahinter 2023/24). Der mildeste Winter 2006/07 liegt nun schon mehr als anderthalb Jahrzehnte zurück, und ganz am Anfang der Reihe gab es mit 1988/89 und 1989/90 gleich zwei Winter, die auffallend mild waren. Außerdem müssten aktuell auch noch so etwa 0,2 bis 0,3 Kelvin (°C) an Wärmeinseleffekten abgezogen werden. Wie in vielen früheren Beiträgen dargelegt, sind unsere Winter gegenwärtig wegen oft hoher positiver NAO-Werte, welche viele, milde Westlagen erzeugen, sehr mild, doch dieser Effekt hat Grenzen; ein Winter mit deutlich mehr als 5°C im deutschen Flächenmittel wäre nur bei durchgängigem, sehr windigem Westwetter vom 1. Dezember bis zum 28. Februar denkbar, was aber so kaum auftritt. Wahrscheinlicher sind daher diese beiden Szenarien: Unsere Winter bleiben zukünftig in etwa so mild, wie sie jetzt sind – oder sie kühlen zumindest wieder leicht ab.

Abbildung 1: Entwicklung der Wintertemperaturen im deutschen Flächenmittel seit dem Winter 1987/88.

Mitteleuropa, die milde Insel der Glückseligkeit im sonst eher kalten Nordwinter 2023/24?

Diesmal blieb also Mitteleuropa, anders als 1989/90 oder 2006/07, nicht gänzlich von der Winterkälte verschont. Aber überwiegend lagen die troposphärischen Kältepole über Grönland/Nordostkanada sowie über Nordasien, und auch über Nordeuropa, wo teilweise neue Rekord-Tiefsttemperaturen gemessen wurden. Die Sturmtiefs zogen hingegen oft nach Europa, und weil sie von der Nordeuropa-Kälte blockiert wurden, verlangsamten sich die Regengebiete, was zu dem mäßigen Dezemberhochwasser führte; Näheres dazu hier. Folgerichtig verlief dieser Winter der Nordhalbkugel in Mittel- und Westeuropa über längere Zeiträume sehr mild und nass, was eben seine Ursache in der hier zeitweise dominanten südwestlichen bis westlichen Anströmrichtung hatte („milder“ Atlantik- und Mittelmeereinfluss). Schon im südlichen Ostseeraum hielt sich die Kaltluft etwas länger, als in Mittel- und Süddeutschland (einzelne Grenzwetterlagen in allen Wintermonaten). Näheres finden Interessierte in den zahlreichen Kältereports von Christian Freuer bei EIKE, beispielsweise hier.

Abbildung 2: In Mittelschweden, am Ostabhang des Skandinavischen Gebirges gelegen, zeigt die Station Östersund keinerlei Erwärmungstrend. Dort waren die Winter 1988/89, 1991/92 und 2019/20 herausragend mild, während der abgelaufene Winter 2023/24 merklich zu kalt ausfiel.

Die „goldene“ Sommer- und Herbstregel sowie die September-Regeln als heimliche Sieger des Winter- Prognose-Wettbewerbes

In seiner umfangreichen Wintervorschau hatte der Autor schon auf den statistisch recht engen positiven Zusammenhang zwischen den jeweils zu hohen Sommer- und Herbsttemperaturen und denen des folgenden Winters verwiesen; allerdings gilt dieser nur dann als sehr eng, wenn man die wärmsten Sommer und Herbste betrachtet. Mit dem Wertepaar Sommer plus Herbst 2023 und Winter 2023/24 ist diese Regel nun erneut eindrucksvoll bestätigt worden.

Abbildung 3: Bei Betrachtung des Deutschland-Temperaturmittels aus den meteorologischen Jahreszeiten Sommer und Herbst zusammen ergibt sich ein bemerkenswerter positiver Zusammenhang; besonders, wenn man nur diejenigen Fälle betrachtet, in denen das zu hohe Temperaturmittel von Sommer und Herbst (Juni bis November) die einfache Standardabweichung von 1881 bis 2021 erreicht oder überschreitet. Von den 23 Fällen mit deutlich zu hohem Sommer- und Herbstmittel folgten also nur zwei etwas zu kalte Winter; die übrigen 21 waren allesamt mehr oder weniger deutlich zu mild. Berücksichtigt man von diesen 23 Fällen nur die 12, bei denen auch der Sommer und der Herbst jeweils für sich ihre einfache Temperatur-Standardabweichung erreichten oder überschritten (pink markiert), so waren sogar alle ihnen folgenden Winter zu mild, darunter die extrem milden 2006/07 und 2019/20 sowie 2021/22 und 2023/24.

Der Zeitraum Sommer/Herbst 2023 war nun mit knapp über 15°C der zweitwärmste, welcher seit 1881 in Deutschland registriert wurde – außerdem verlief der September 2023 rekordwarm und endete mit leichten Niederschlägen am „Michaelistag“ (29,09.) – alles typische Vorzeichen eines (sehr) milden Winters.

Die Folgewitterung nach sehr milden Wintern

Im März scheint für längere Zeit hoher Luftdruck über Nord- und Osteuropa zu dominieren, was für Deutschland wahrscheinlich meist windschwaches Wetter mit zeitweise schon recht warmen Tagen, aber mitunter frostigen Nächten bedeutet. Insgesamt fällt der März zwar auch zu mild aus, kann aber vermutlich, anders als 1990, 2007 oder 2014, das hohe Temperatur-Abweichungsniveau des Winters nicht ganz halten. Der bislang enorme Vegetationsvorsprung verzögert sich. Ob es im April/Mai noch einzelne, heftige Kälterückfälle gibt, ist ungewiss – insgesamt scheinen auch sie eher mild zu verlaufen; doch erwärmt sich momentan der Frühling als einzige Jahreszeit praktisch nicht. Extrem milden Wintern folgen oft eher durchwachsene, mäßig-warme bis warme Sommer, nur der von 2022 war heiß und trocken. Der zweite Kriegswinter war dank seiner Milde gut erträglich – ob es der kommende dann auch sein wird, weiß niemand. Wenn schon die Menschheit keinerlei Vernunft walten lässt, so scheint uns die Natur (momentan) dennoch gewogen zu sein.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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